Unternehmergeist aus OWL: Wie Familie Harting ihre Werkstatt zum Weltunternehmen machte

Minden. Von einer &bdquo;Garagenfirma“ bis zum Weltunternehmen, diese Karrieren gibt es nicht nur in Kalifornien. In Deutschland wurde der Unternehmergeist besonders nach dem Zweiten Weltkrieg geweckt, als zahlreiche Menschen etwas Neues aufbauen wollten - und auch mussten. So wie Wilhelm und Marie Harting am 1. September 1945. Damals gründeten sie die Firma &bdquo;Wilhelm Harting Mechanische Werkstätten“ und starteten in Dankersen zunächst in einer kleinen Halle von etwa 100 Quadratmetern mit der Produktion von Alltagshelfern. Knapp 80 Jahre später hat die Harting Technologiegruppe mehr als 6.000 Mitarbeiter, knapp 2.500 davon in Deutschland. Es gibt 14 Produktionsstätten sowie 42 Vertriebs- und sieben Entwicklungsstandorte weltweit. Die Technologiegruppe, die in den Bereichen Transportwesen, Elektromobilität, Erneuerbare Energiegewinnung, Automatisierung und Maschinenbau aktiv ist, macht fast eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Mittlerweile hat sie ihren Hauptsitz in Espelkamp. Begonnen hat alles in einer kleinen Mindener Reparaturwerkstatt an der Stiftsallee 27 - heute ist an dem Standort in der Nähe des Mittellandkanals ein Autohändler gemeldet. Wilhelm Harting war gelernter Ingenieur und hatte in Berlin einen Betrieb der Luftfahrtindustrie geleitet. Nach dem Krieg floh er in seine Heimat und machte sich selbstständig. Produziert wurden Sparlampen, im wahrsten Sinne des Wortes &bdquo;heißbegehrte“ Kochplatten, Weidezaungeräte, Waffeleisen, elektrische Feueranzünder und Bügeleisen. Die Auslieferung der Waren übernahm Gattin Marie mit dem Fahrrad. Umzug in ehemaliges Lazarett in den 1940er-Jahren Im Jahr 1947 zog die Firma Harting dann in ein ehemaliges Pferdelazarett der Wehrmacht auf dem Kasernengelände am Simeonsglacis. Im Erdgeschoss wurden Werkbänke aufgestellt, unter dem Dach fanden Schreibtische Platz. Doch schon bald wurde auch dieser Raum zu knapp. Eine benachbarte, leer stehende Holzbaracke des Arbeitsdienstes schaffte zunächst Abhilfe – dort entstanden Labore, eine Versuchswerkstatt und zusätzliche Büros. Insgesamt verfügte das Unternehmen nur zwei Jahre nach seiner Gründung über 1.100 Quadratmeter Fläche - also mehr als das zehnfache als beim Start. Doch auch das reichte nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Stadt Minden konnte dem Ehepaar zu diesem Zeitpunkt allerdings keine weiteren Möglichkeiten bieten. Auch interessant: Neue Sprecherin für Espelkamper Unternehmen Harting Firmengründer Wilhelm Harting ging daher auf die Suche nach Alternativen. Das Unternehmen wuchs rasant, die Produktpalette wurde vielfältiger, und der Export – etwa von Reglern und Benzinpumpen – florierte. Die Produkte wurden Ende der 40er-Jahre über Hamburg bis in die USA und nach Australien verschifft. Der Umsatz stieg und die Belegschaft wuchs auf 170 Mitarbeitende, darunter auch Auszubildende, die seit 1948 eingestellt werden durften. Lesen Sie auch: Harting will gut 75 Millionen Euro in Espelkamp investieren Stecker und Steckverbindungen als neuer Schwerpunkt Schon im Jahr 1947 war die junge Firma mit einem Stand auf der damals erstmals stattfindenden Hannover Messe vertreten und erhielt nach eigenen Angaben Aufträge für Lichtmaschinen, Starter, Regler, Kraftstoffpumpen und Zündverteiler. Damals stellte Harting auch noch Musikboxen und Zigarettenautomaten her - wichtigstes Standbein wurden aber die Harting Stecker und Steckverbindungen, die schnell Standards setzten. Wilhelm Harting richtete seinen Blick Ende der 40er-Jahre in die Nachbarschaft: auf Espelkamp. Dort entstanden in den Nachkriegsjahren neue Wohnungen, leer stehende Hallen wurden zu günstigen Bedingungen angeboten, unterstützt durch staatliche Förderungen für arbeitsintensive Betriebe. Viele Menschen zogen mit neuer Hoffnung dorthin – eine gute Gelegenheit für Unternehmen, sowohl Fläche als auch Arbeitskräfte zu finden. Umzug der Firmenzentrale nach Espelkamp Die Entscheidung zum Umzug fiel schnell und so verlagerte die Firma Harting ihren Sitz zwischen 1950 und 1955 schrittweise nach Espelkamp. In ehemaligen Munitionslagerhallen begann ein neues Kapitel der noch jungen Firma. Auch die Familie Harting siedelte um. Für den Firmengründer war klar: &bdquo;Wir müssen da wohnen, wo das Unternehmen ist. Dann kann ich Leute von diesem Standort überzeugen.“ Lesen Sie auch: Espelkamper Unternehmerin Margrit Harting feiert ihren 80. Geburtstag In der Nähe des Wohnhauses entstand auf einem fünf Hektar großen Gelände das erste moderne Werk mit zeitgemäßer Ausstattung. 1955 wurde die Produktionsstätte an der Marienburger Straße (später Marienwerder Straße) eingeweiht. Auch die Firmenzentrale – das sogenannte &bdquo;Weiße Haus“ – wurde bezogen. Die alte Baracke aus Minden ließ die Familie abbauen und in Espelkamp wieder aufbauen. Weniger Produkte, dafür mehr Steckverbinder Die Mitarbeiterzahl wuchs damals rasant. 1955 beschäftigte Harting 500 Menschen, der Umsatz verdoppelte sich innerhalb eines Jahres auf 8,6 Millionen Mark. Wilhelm Harting verschlankte aufgrund des starken Wachstums nach und nach die Produktpalette und konzentrierte das Unternehmen zunehmend auf die Produktion von Steckverbindungen. Der Steckverbinder Han (Harting Norm) wurde 1956 patentiert und ist seit 1957 eingetragenes Warenzeichen. Wilhelm Harting starb 1962 im Alter von 53 Jahren, seine Frau Marie trat das Erbe an und leitete die Firma zunächst allein weiter. 1967 stieg der Sohn Dietmar in die Geschäftsführung mit ein, zwei Jahre später folgte sein Bruder Jürgen, der jedoch 1973 bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Bis 1987 standen Marie (sie starb 1989) und Dietmar Harting gemeinsam an der Spitze des Unternehmens. Im März 1987 nahm Margrit Harting als Generalbevollmächtigte Gesellschafterin ihre Arbeit auf. Dietmar Harting übergab im Oktober 2015 nach fast 50 Jahren in der Führung den Posten als Vorstandsvorsitzender an seinen Sohn Philip ab. Heute arbeiten er und seine Schwester Maresa Harting-Hertz eng mit ihren Eltern Margrit und Dietmar Harting im Vorstand zusammen. Zurück in die Heimat nach Minden International tätig war Harting ab Ende der 70er-Jahre, damals wurde eine Tochtergesellschaft in Frankreich gegründet. Für die Familie stellte sich damals die strategische Frage, ob es sinnvoll sei, den deutschen Vertrieb räumlich und organisatorisch von der Technologiegruppe zu trennen. Die Unternehmensführung entschied sich für eine vollständige Eigenständigkeit der Vertriebsgesellschaft – nicht nur strukturell, sondern auch architektonisch. Die Suche nach einem geeigneten Standort für den Neubau begann. Dabei war schnell klar: Es sollte kein gewöhnliches Zweckgebäude entstehen. Vielmehr sollte die Architektur die Werte und die Identität des Unternehmens widerspiegeln. .responsive23-J4rRN3WcDzmvAOd9-map-harting { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-J4rRN3WcDzmvAOd9-map-harting { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-J4rRN3WcDzmvAOd9-map-harting { padding-top: 142.86%; } } Als ein Grundstück in zentraler Lage in Minden angeboten wurde, fiel die Entscheidung zugunsten der alten Gründungsstadt. Neben der guten Verkehrsanbindung und der Nähe zu Hannover spielte auch die emotionale Verbundenheit eine Rolle. &bdquo;Es war so etwas wie ein Gefühl der Heimkehr“, erinnerte sich Margrit Harting später. Schließlich war Harting 1945 in Minden gegründet worden, man kehrte also in die alte Heimat zurück. Auch interessant: Margrit Harting spendet 50.000 Euro für die Kultur in Espelkamp Umgebung geprägt von historischen Gebäuden Das Grundstück lag nur wenige Schritte entfernt vom früheren Pferdelazarett, in dem Wilhelm Harting Ende der 1940er-Jahre mit seinen &bdquo;Mechanischen Werkstätten“ kurzzeitig ansässig war. Ein weiterer Punkt, der für den Standort sprach: Die Umgebung war geprägt von historischen Gebäuden – darunter die klassizistische Defensionskaserne, heute Sitz des LWL-Preußenmuseums, sowie das Simeonsglacis. Die Herausforderung bestand darin, ein modernes Gebäude in dieses geschichtsträchtige Ensemble einzufügen. Für diese anspruchsvolle Aufgabe suchte das Unternehmen einen Architekten von internationalem Rang. Die Wahl fiel auf den Schweizer Architekten Mario Botta. Das Gebäude gegenüber der Kreisverwaltung zieht seit der Eröffnung im Jahr 2001 viele bewundernde Blicke auf sich: Es beinhaltet ein &bdquo;H“ als Eingangsbereich und eine ellipsenförmige Wand, die bis zu 26 Meter hoch ansteigt. Seit 2010 ist Harting im Lexikon er deutschen Weltmarktführer verzeichnet. Die Technologiegruppe wurde 2006 und 2016 mit dem Hermes Award, dem Technologie-Innovationspreis der Hannover Messe, ausgezeichnet. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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