Harting wird 80 Jahre alt: Vom Waffeleisen-Hersteller zum weltweit aktiven Hightech-Unternehmen

Espelkamp. Die Espelkamper Harting Technologiegruppe gehört zu den bekanntesten und größten Arbeitgebern im Kreis Minden-Lübbecke. Am 1. September wird das Unternehmen 80 Jahre alt. Aus dem Hersteller von Alltagsprodukten wie Waffel- und Bügeleisen wurde ein weltweit führender Anbieter von industrieller Verbindungstechnik für die Übertragung von &bdquo;Daten und Strom“, ein Global Player mit innovativen Produkten und Lösungen für die &bdquo;All Electric Society“, wie es bei Harting heißt. Eine automatisierte, elektrifizierte und digitalisierte Welt, die auf grüner Energie fußt. Verteilt über den gesamten Globus engagieren sich rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 42 Vertriebs-, 14 Produktions- und sieben Entwicklungsstandorten. 2023/24 lag der Umsatz der Technologiegruppe nach eigenen Angaben bei 940 Millionen Euro. Hartings Kunden kommen heute hauptsächlich aus dem Transportwesen, der Elektromobilität, der erneuerbaren Energiegewinnung, der Automatisierung und dem Maschinenbau. Die Geschichte Hartings beginnt bescheiden kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und ist eine – manchmal auch steinige – Erfolgsgeschichte: In einem gut 100 Quadratmeter großen Reparaturbetrieb in Minden eröffneten Wilhelm und Marie Harting am 1. September 1945 die &bdquo;Wilhelm Harting Mechanische Werkstätten“. Der gelernte Ingenieur hatte nach der Rückkehr aus Berlin, wo er in einen Betrieb der Luftfahrtindustrie führend tätig gewesen war, in seiner Heimat den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit gewagt. Vom ersten Auftritt auf der Hannover-Messe zur Erfolgsgeschichte des Han-Steckverbinders Wilhelm Harting konzentrierte sich zunächst auf Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs, die nach dem Krieg Mangelware waren: Tauchsieder, Kochplatten, Sparlampen und elektrische Feueranzünder fanden reißenden Absatz. Seine Ehefrau lieferte die Waren mit dem Rad in der Umgebung von Minden aus. Bezahlt wurde mit Brot, Speck, Eiern und Hülsenfrüchten. Für Kupfer und anderes Rohmaterial hatte sich der erste Einkäufer mit dem Rucksack aufgemacht nach Köln und Wuppertal. Zurück ging es auf einem Kohlewaggon. Bereits auf der ersten Hannover Messe 1947 war die junge Firma mit einem Stand vertreten und erhielt zahlreiche Aufträge für Lichtmaschinen, Starter, Regler, Kraftstoffpumpen und Zündverteiler. Schon damals hatte Wilhelm Harting, ein umtriebiger Techniker, der sich stets an den Bedürfnissen seiner Kunden orientierte, neue Anwendungen und Märkte im Blick. Die Firma wuchs rasant und benötigte mehr Platz. Ab 1950 folgte schrittweise der Umzug nach Espelkamp. Die Baracken der ehemaligen Munitionsfabrik boten genügend Raum für das expandierende Unternehmen und Harting bot vielen Flüchtlingen und Vertriebenen Brot und Arbeit. 1955 hatte der Betrieb bereits 500 Mitarbeiter und konnte binnen eines Jahres seinen Umsatz auf 8,6 Millionen D-Mark verdoppeln. In dieser Zeit begann die Erfolgsgeschichte des Han-Steckverbinders. 1956 patentiert und seit 1957 eingetragenes Warenzeichen, ist der Han-Steckverbinder seit Jahrzehnten ein Symbol für die deutsche Wirtschaft und gilt heute als Marktstandard für modulare Industriesteckverbinder. Lesen Sie auch: So läuft es beim Espelkamper Unternehmen Harting Herausfordernde Jahre nach dem Tod des Firmengründers Doch zurück zu den Aufbaujahren: Mit einer breiten Palette zeitgemäßer Produkte, wie Musikboxen, Plattenspielern, Tonbandgeräten, elektromedizinischen Apparaturen, Zigarettenautomaten und Magneten wuchs das Familienunternehmen kontinuierlich. Wilhelm Harting erkannte aber früh die Trends der Industrie. So gab er nach und nach das Produktportfolio der 1950er-Jahre – mit Ausnahme der Zigarettenautomaten – auf und richtete das Unternehmen auf die Produktion von Steckverbindern aus. Mit dieser wegweisenden Entscheidung schuf er die Grundlagen für das heutige Unternehmen. Mit erst 53 Jahren starb Wilhelm Harting 1962. Seine Ehefrau Marie trat das nicht leichte Erbe ihres Mannes an und leitete das Unternehmen zunächst allein weiter, dann ab 1967 zusammen mit ihrem Sohn Dietmar. 1969 trat mit Jürgen Harting auch der zweite Sohn der Gründer in die Geschäftsführung ein. Er kam 1973 bei einem tragischen Unfall im Alter von nur 32 Jahren ums Leben. Bis 1987 standen Marie (sie starb 1989) und Dietmar Harting gemeinsam an der Spitze des expandierenden Unternehmens. Im März 1987 nahm Margrit Harting als generalbevollmächtigte Gesellschafterin ihre Arbeit auf. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang leiteten Dietmar und Margrit Harting das Unternehmen. Ende der 1970er-Jahre hatte mit der Gründung einer Tochtergesellschaft in Frankreich die Internationalisierung von Harting begonnen. Ganz im Sinne von Hartings Vision &bdquo;Wir wollen ein Weltunternehmen werden“ wurde aus einer Tochtergesellschaft im Ausland ein Unternehmen mit globaler Präsenz und Vertriebs-, Produktions- und Entwicklungsstandorten unter anderem in den USA, China, Mexiko, Brasilien, Indien und Europa. Mittlerweile werden rund 70 Prozent des Umsatzes im Ausland erzielt. Wie schon die Firmengründer engagieren sich auch Dietmar und Margrit Harting für die Region. Gefördert werden Projekte, Initiativen und Vereine aus Kultur, Sport, Bildung und Wissenschaft. Dafür wurde Margrit Harting, bis 2018 auch Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, mehrfach ausgezeichnet. Sie ist etwa Ehrenvorsitzende der Philharmonischen Gesellschaft OWL, der Interessengemeinschaft Standortförderung Kreis Minden-Lübbecke und des Volksbildungswerks Espelkamp. 2002 erhielt sie die Espelkamp-Medaille. Dietmar Harting war viele Jahre führend in nationalen und internationalen Verbänden und Gremien aktiv. Er engagiert sich sehr für die deutsche Wirtschaft und für die Deutsche Messe AG, bei der Hannover Messe stellte Harting fast immer aus. Von 1995 bis 1998 war Dietmar Harting Mitglied im &bdquo;Rat für Forschung, Technologie und Innovation“ bei Bundeskanzler Helmut Kohl. Mehrere Organisationen verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft bzw. Ehrenpräsidentschaft. Lesen Sie auch: Wie Familie Harting ihre Werkstatt zum Weltunternehmen machte Engagement mit vielen Auszeichnungen gewürdigt 1998 erhielt das Unternehmerpaar das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2009 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Im selben Jahr würdigte die Stadt Espelkamp Hartings mit der Ehrenbürgerschaft. 2004 verlieh der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff das Niedersächsische Verdienstkreuz 1. Klasse an Dietmar Harting. Im Oktober 2015 übergab Dietmar Harting nach fast 50 Jahren in der Führung der Technologiegruppe den Stab als Vorstandsvorsitzender an seinen Sohn Philip. Heute arbeiten Philip Harting und seine Schwester Maresa Harting-Hertz (stellvertretende Vorstandsvorsitzende) eng mit Margrit und Dietmar Harting im Vorstand zusammen. Die 1996 formulierte Vision, ein Weltunternehmen werden zu wollen, hat der Vorstand weiter fest im Blick. Philip Harting: &bdquo;Wir müssen nah bei unseren Kunden sein, die Welt mit ihren Augen sehen, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennen und gemeinsam mit ihnen Lösungen entwickeln. Wenn wir vor Ort produzieren, können wir zeitnah liefern“. Zur Kundenorientierung trägt das 2014 eröffnete Harting Qualitäts- und Technologiezentrum (HQT) bei, in dem neue Technologien entwickelt und getestet werden. Vom 2019 eingeweihten, hochmodernen Logistikzentrum in Espelkamp werden Kunden in aller Welt beliefert. Zu den jüngeren Meilensteinen zählt auch die 2023 eröffnete Produktionsstätte in Vietnam. Die Reduktion der Lieferwege bedeutet auch weniger CO2-Ausstoß. In Espelkamp wurde voriges Jahr eine Biogasanlage in Betrieb genommen. Damit sichert sich das Unternehmen seine Energieunabhängigkeit. Aktuell arbeitet Harting an der &bdquo;Fabrik der Zukunft“ und investiert dafür in Espelkamp mehr als 75 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren. Ziel sei es, Espelkamp als zukunftssicheren Produktions-Standort weiter zu stärken. Bei aller Weltläufigkeit hat man die Wurzeln nicht vergessen. So gehört die Familie Harting zu den größten Förderern im sportlichen und kulturellen Bereich der Region – vom Jugendbereich bis hin zum Handball-Nationalteam im Handball, von Kirchenmusik bis Theater. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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