Nach Missbrauchsfällen: Droht einem Mindener Schützenverein ein Strafprozess wegen Unterlassung?

Minden. Der Vorstand des SSV Uphausen hat sein Schweigen zum Missbrauchsfall in den eigenen Reihen gebrochen und sich zum ersten Mal zu seinem inzwischen verurteilten, ehemaligen Jugendleiter geäußert. Auf die Verantwortlichen könnte bald wegen des Vorwurfs der Unterlassung selbst ein Strafprozess zukommen. Sie betonen, dass sie keine Schuld treffe, sie aber einen Fehler gemacht hätten. Dennoch können sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sich selbst nicht nachvollziehen. Der Ex-Jugendleiter und Schützenkönig des SSV muss nach einem Urteil des Landgerichts Bielefeld wegen teils schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern für vier Jahre in Haft. Die Richter warfen dem Verein in der Urteilsbegründung vor, von den Übergriffen gewusst und den Mann trotzdem nicht aus der Jugendarbeit entfernt zu haben. Diesen Vorwurf weist Karl-Heinz Scheibe, der erste Vorsitzende, im MT-Gespräch von sich. Den Jugendleiter nahm die Polizei nach einer Freizeitfahrt im September 2022 fest. Dort versuchte der 60-Jährige, sich einem Minderjährigen zu nähern. Jahre zuvor vergriff sich der Mann auch an einem anderen Jungschützen und missbrauchte ihn zwischen 2007 und 2010 unter anderem im Schützenhaus schwer. Im Zuge der Ermittlungen brach der inzwischen Erwachsene sein Schweigen und berichtete von den Vorfällen. Der Vorstand betont, von diesen Übergriffen und auch von der Freizeitfahrt als solcher nichts gewusst zu haben. Der SSV-Vorstand erhielt eigenen Angaben zufolge allerdings 2017 konkrete Hinweise, dass der Jugendleiter eine pädophile Neigung haben könnte. &bdquo;Wir wussten davon, dass er sexuellen Kontakt zu zwei Brüdern gesucht und sie das jedoch abgelehnt hatten“, sagt der ehemalige Geschäftsführer Stefan Türbsch. Er ist inzwischen aufgrund des Vorfalls und Anfeindungen im Ort aus dem Verein getreten. Auch weitere Schützen haben den Verein verlassen. Zuvor sei der Jugendleiter nicht aufgefallen. Lieb und nett sei er gewesen: &bdquo;Im Nachhinein hatte er zwei Gesichter“. Verantwortliche räumen Fehler ein Türbsch betont, dass die Mutter der Brüder 2017 auf eine Strafanzeige verzichtet haben soll und auch nicht gewollt habe, dass der Fall aufgearbeitet wird. &bdquo;Uns war auch nicht klar, ob die Vorwürfe für Ermittlungen reichen“, so Türbsch. Der Verein sei dem Wunsch der Mutter nachgekommen und habe weder Hilfsangebote angenommen, noch Behörden oder den gesamten Verein über den Vorfall informiert. &bdquo;Das war ein Fehler“, erklärt der ehemalige Geschäftsführer. Jedoch habe der Vorstand den Jugendleiter sofort von seinen Aufgaben entbunden, aber nicht aus dem Verein entfernt. Die Begründung: &bdquo;Wir wollten seine Ehe und die Existenz schützen - im Nachhinein war das nicht richtig.“ Die Freizeitfahrt im Jahr 2022 habe der Mann von sich aus und heimlich organisiert, der Vorstand habe davon nichts mitbekommen. Ohnehin sei der Verein wenig über Details zur Jugendarbeit informiert gewesen. &bdquo;Die Polizei hat uns im Urlaub kontaktiert, dass es einen Vorfall gab“, erinnert sich Türbsch. Danach habe der Vorstand den Jugendleiter endgültig aus dem Verein geworfen. Im Nachhinein hält es der erste Vorsitzende für möglich, dass es noch weitere Opfer gibt: &bdquo;Nachweisen kann ich das nicht, aber ich gehe stark davon aus.“ Gemeldet habe sich allerdings niemand. Im Schützenhaus hängt dazu inzwischen ein Schreiben aus: &bdquo;Wir möchten diejenigen bitten, die ebenfalls betroffen sind, aber bisher nicht den Mut hatten, sich bei der Polizei zu melden.“ Leider könne der Verein das Geschehen nicht rückgängig machen, gehe nun jedoch rigoros gegen übergriffiges Verhalten vor. Der Vorstand weist den in der Urteilsbegründung enthaltenen Vorwurf zurück, dass die Mutter des Opfers vom Zeltlager unter Druck gesetzt wurde und der Junge aus dem Verein austreten musste. &bdquo;Er ist weiter Mitglied, die Mutter wurde jedoch aus einer Whatsapp-Gruppe entfernt, in der sie Nachrichten schrieb, die unter der Gürtellinie waren“, sagt Scheibe. Sie hatte Vorwürfe gegenüber dem Vorstand erhoben. &bdquo;Das kann ich ja auch verstehen, dass eine Mutter so reagiert“, sagt Türbsch. Das Hauptopfer aus den 2000er-Jahren kenne er nicht, damals sei ein inzwischen verstorbener Vorstand für den Verein verantwortlich gewesen. Ob der davon etwas gewusst habe, wisse er ebenfalls nicht. Amtsgericht Minden prüft noch Der Vorstand betont, dass er nach dem Bekanntwerden des Vorfalls heillos überfordert und unter Druck gewesen sei. Innerhalb des Vereins sei der Fall, etwa auf der Jahreshauptversammlung, nie breit zur Sprache gekommen. Auch eine Informationsveranstaltung habe es nicht gegeben. Auf Hilfe von Beratungsstellen habe der Vorstand verzichtet, aber Kontakt mit der Opferschutzbeauftragten der Polizei gehabt. Nur am Rande und in persönlichen Gesprächen sei darüber gesprochen worden, berichtet Türbsch. Jugendlichen Nachwuchs und minderjährige Schützen gebe es bereits ohnehin länger nicht mehr. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen. Derzeit prüft das Amtsgericht Minden, ob die Sache zu eröffnen ist oder nicht, teilt der Direktor Dr. Jörg Eisberg mit. Erst danach steht fest, ob es tatsächlich zum Strafprozess gegen den Vorstand kommt.

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