Strafbare Nacktfotos und Videos: Jugendliche in Minden-Lübbecke immer häufiger betroffen

Minden. Fotos von Genitalien auf Whatsapp, Nacktvideos einer Zwölfjährigen auf Youtube: Die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei den unter 14-Jährigen hat sich im vergangenen Jahr im Kreis Minden-Lübbecke fast verdoppelt. 2021 dokumentierte die Polizei 20 solcher Fälle, 2022 waren es schon 37. Anzeigen erstatten demnach immer häufiger auch die Schulen. Vier von fünf Tätern sind Jungen, sagen die Ermittler. Allerdings nimmt der Anteil von Mädchen zu. Polizistin Birgit Thinnes hat immer wieder mit Fällen zu tun, in denen Minderjährige Nacktbilder von sich oder anderen verschicken. "In jeder Schule, in der ich bin, spreche ich das Thema an. Vor allem in den fünften und sechsten Klassen", sagt die Frau, die bei der Mindener Polizei für Opferschutz und Kriminalprävention zuständig ist. Den Kindern fehle das Bewusstsein dafür, was sie anrichten könnten. Und auch, dass sie überhaupt eine Straftat begehen. Täter und Opfer vermischen sich oft Lädt eine Zwölfjährige beispielsweise ein Video von sich oder einer Freundin hoch, auf dem eine der Dargestellten nackt zu sehen ist, gilt das als Verbreitung von Kinderpornografie. Das ist eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dasselbe gilt, wenn Kinder und Jugendliche ungefragt Fotos ihrer Genitalien an Freunde schicken oder solche weiterleiten. "Und manchmal gibt es auch Fälle, dass Kinder aktiv von Erwachsenen aufgefordert werden, etwas zu schicken", sagt Thinnes. Bei Videos sehe man das häufig auf den ersten Blick: "Wenn die gestochen scharf sind, dann haben die Kinder meist eine Anleitung bekommen". Das zählt dann als Cyber-Grooming und gilt als Missbrauch. Kämen die Kinder ganz von selbst auf die Idee etwas hochzuladen, sei die Qualität meist extrem schlecht. Dann vermischen sich Täter und Opfer: Die Kinder begehen einerseits eine Straftat, schaden sich aber auch selbst. Der Trend zu mehr Straftaten bei Jugendlichen lässt sich aber nicht nur in Bezug auf die sexuelle Selbstbestimmung beobachten. 2022 wurden insgesamt 334 Delikte erfasst, mit denen Jugendliche gegen das Gesetz verstießen. Das waren mehr als doppelt so viele als noch ein Jahr zuvor. Besonders häufig handelte es sich dabei um Diebstähle (159 Fälle) und Körperverletzungen (84 Fälle). Auch hier stieg der Anteil der weiblichen Täterinnen laut Angaben der Ermittler an. Und: In den meisten Fällen seien immer die gleichen Jugendlichen oder Jugendgruppen beteiligt. "Bei vielen der Taten handelt es sich um eine typische Jugenddelinquenz", sagt Polizeisprecher Nils Schröder. Viele Täter seien bereits polizeibekannt. Über Gründe kann die Polizei Minden-Lübbecke nur spekulieren Aber warum hat die Zahl der Fälle so drastisch zugenommen? Darüber kann die Polizei laut Schröder nur spekulieren. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach noch im Februar von einem möglichen Zusammenhang mit der Corona-Zeit: "Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie - insbesondere die Phasen der Lockdowns mit den Schließungen von Schulen und Kitas - könnten bei den Kindern negative Auswirkungen entfaltet haben", sagte er. Die multiplen Belastungen könnten zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft von Kindern geführt haben. Allerdings, darauf wies Reul auch hin, würden die Dienststellen teilweise noch Delikte aus der Pandemiezeit nachtragen. Und das Anzeigeverhalten der Menschen habe sich geändert: Es würde schlicht mehr gemeldet. Das bestätigt auch Schröder: Die Anzeigen aus dem schulischen Umfeld nähmen zu. Der Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde liegen darüber übrigens keine konkreten Zahlen vor. "Schulleitungen sind nicht verpflichtet, gestellte Strafanzeigen gegenüber Schülerinnen und Schülern an die Obere Schulaufsicht zu melden", sagt Behördensprecher Peter Westphal. Dasselbe gelte bei Gewalt- und Mobbingfällen. Die Bezirksregierung dulde so etwas nicht und unterstütze die Leitungen bei der Vorbeugung und der Bewältigung von Ereignissen. Das Thema sei für die Einrichtungen eine Herausforderung.

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