Querdenker-Prozess in Minden: Amtsgericht spricht angeklagten Zahnarzt frei

Minden. Im Prozess gegen einen Mindener Zahnarzt, der den Aufmarsch selbst ernannter &bdquo;Spaziergänger" vor dem Privathaus der ehemaligen Landrätin Anna Katharina Bölling (CDU) organisiert haben soll, ist am frühen Freitagnachmittag ein Urteil gefallen. Das Amtsgericht Minden hat den Mediziner in allen Anklagepunkten freigesprochen. Der Mann soll Anfang Januar rund 100 Gegner der Corona-Maßnahmen zum Grundstück der Landrätin gelotst haben. Vor Ort stoppte die Polizei die Gruppe. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin bis August ermittelt und schließlich Anklage gegen den Arzt erhoben, weil er eine nicht angemeldete Veranstaltung organisiert haben soll. Dazu ließ der Angeklagte am Vormittag von seinem Verteidiger eine Erklärung verlesen. Demnach habe er nichts mit dem Spaziergang zu tun gehabt und sei als Radfahrer mehr zufällig an dem Spaziergang vorbeigekommen. Dann habe er sich spontan angeschlossen. Mindener war noch aus einem weiteren Grund vor Gericht angeklagt Der Arzt sagte, er habe während der Corona-Pandemie angefangen zu recherchieren und dadurch Zweifel bekommen. Den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ließ er über seinen Anwalt als Bankangestellten bezeichnen, den Berliner Virologen Christian Drosten als Theoretiker. Von den beiden habe er sich nichts vorschreiben lassen wollen. Der Mediziner aus Minden war allerdings noch aus einem weiteren Grund vor Gericht angeklagt. So soll er eine Person des öffentlichen Lebens beleidigt haben. Konkret geht es um die Aussagen, die der Mediziner als Redner bei einem Aufzug von rund 200 Corona-Demonstranten am 3. Januar an der Mindener Verkehrsbirne getroffen hatte. Damals rief der Arzt dazu auf, der Zug möge in die Straße, in der ehemaligen Landrätin Anna Bölling (CDU) privat lebt, abbiegen und Krach machen. Die Christdemokratin bezeichnete er damals als &bdquo;Gauleiterin der Herzen". Zum Hintergrund: Die Nationalsozialisten hatten das Deutsche Reich in 33, später 43 Gebiete, sogenannte Gaue, aufgeteilt. In denen hatte jeweils ein Gauleiter das Sagen. Diese waren besonders stramme Repräsentanten der Diktatur, so gut wie alle Mitglieder der SS oder SA und oft mit Hitler persönlich bekannt. Zum Kriegsende organisierten sie den sogenannten Volkssturm, schickten also alte Männer und Jugendliche in einen sinnlosen Krieg. Damit verursachten die Gauleiter unnötiges Leid. Den Vergleich zwischen der Landrätin und den Nationalsozialisten bestreitet der Arzt im Nachhinein mit einer abstrus anmutenden Ausrede. Er habe GAU als Abkürzung für den &bdquo;Größten Anzunehmenden Unfall" gemeint. Damit bestätigt er nebenbei selbst, dass er die Aussage getroffen hat. Der Richter bewertete diese im Prozess allerdings nicht als Schmähkritik. Mehr zum Thema lesen Sie hier: Freispruch für Zahnarzt nach Aufmarsch bei Landrätin Auffälligkeiten bereits auf Facebook Der angeklagte Zahnarzt war zuvor bereits auf Facebook aufgefallen, weil er polemischen Inhalt teilte und Politiker sowie Wissenschaftler mit Falschinformationen bloßzustellen versuchte. So bewertete er beispielsweise das Maskentragen als Folter. Dem "Mindener Tageblatt" gegenüber bezeichnete er seine Veröffentlichungen als Humor und Satire mit medizinischer Recherche. In seiner Zahnarztpraxis würden die Corona-Schutzmaßnahmen erfüllt, beteuerte er. Zudem gab er dem rechten Medienaktivisten Matthäus Westfal alias &bdquo;Aktivist Mann" aus Espelkamp ein zweistündiges Interview, in dem er sämtliche wissenschaftliche Befunde zu Covid-19 in Frage stellte. Mit dem Zahnarzt beschäftige sich auch die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. Nach dem Aufmarsch bei der Landrätin hatten verschiedene Mitglieder die Kammer auf das Verhalten des Mediziners hingewiesen.

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