Anonym und kostenfrei: Wo Frauen in schwierigen Lebenssituationen Hilfe finden

Minden. Vielleicht hindert er seine Frau daran, das Haus zu verlassen. Er kontrolliert und isoliert sie systematisch, spricht abfällig über ihre Familie oder ihre Freundinnen, die sie nicht mehr treffen soll. Es kann sein, dass sich chronische Beschwerden wie Angst- und Panikattacken entwickeln. Manchmal fehlt den Frauen eigenes Geld. Die Anzeichen für häusliche Gewalt können vielfältig sein. Nicht immer ist sie für Außenstehende eindeutig erkennbar. Wenn die Situation eskaliert, ist das AWO-Frauenschutzzentrum in Minden die zentrale Anlaufstelle. &bdquo;Wir nehmen Frauen und Kinder aller Nationalitäten auf, die Gewalt erfahren haben oder von Gewalt bedroht sind", sagt Anastasia Apostolidou-Westermann. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Irmtraud Schneider (AWO Frauenberatungsstelle) ist sie Ansprechpartnerin vor Ort. Aufnahme ist rund um die Uhr möglich Eine Aufnahme im Frauenschutzzentrum ist prinzipiell rund um die Uhr möglich. Zwischen 22 und 8 Uhr kann die Polizei den Kontakt herstellen. Allerdings sind die Kapazitäten begrenzt. Hinzu kommt: &bdquo;Wir nehmen Jungen nur bis zum Alter von 13 Jahren auf." Das hat den Grund, dass sich die anderen Frauen und Mädchen – angesichts ihrer meist schwierigen Vorgeschichte – nicht unwohl fühlen sollen. Wer einen schnellen Überblick braucht, wo in Frauenhäusern noch Plätze frei sind, wird online fündig: Unter frauen-info-netz.de kann man sich – nach Postleitzahlen sortiert – die Kontaktmöglichkeiten anzeigen lassen. Die Adressen der Frauenhäuser werden grundsätzlich nicht veröffentlicht, denn sie sollen auch in Zukunft eine geschützte und darum anonyme Unterkunft sein. Ein eigenes Zimmer Leben im Frauenhaus bedeutet: Ein eigenes Zimmer für jede Frau und ihre Kinder, die Gemeinschaftsräume wie das Spielzimmer nutzen alle zusammen. Seit einigen Monaten verfügt die Beratungsstelle außerdem über eine gut gelegene Übergangswohnung (70 Quadratmeter) in einer Hochhaussiedlung. Früher waren dort Flüchtlinge untergebracht. Die Beraterinnen begleiten die Frauen während des oft langwierigen Trennungsprozesses. Scham spielt eine große Rolle, niemand soll unter Druck gesetzt werden. Darum gilt die Faustregel: &bdquo;Dein Tempo, deine Entscheidung." Trennungen sind schwer, auch bei Frauen, die ökonomisch nicht so abhängig sind wie viele andere. Nicht selten bauen Verwandte aus der Heimat moralischen Druck aus, indem sie behaupten, die Mutter sei plötzlich schwer erkrankt und benötige Hilfe – oder ähnliche Vorwände. Richtig schlimm ist es, wenn die betroffenen Frauen mit Handy-Nachrichten geradezu bombardiert werden. &bdquo;So kommen sie auch nach ihrem Auszug nicht zur Ruhe." Wie soll es weitergehen? Genau diese Ruhe wäre aber wichtig, um sich neu zu sortieren: Wie soll es weitergehen? Auch der Austausch mit anderen Betroffenen macht Sinn: Die erfahrene Gewalt verarbeiten und neue Lebensperspektiven entwickeln: Die Corona-Schutzverordnung erschwert das. Gemeinsamer Sport und das gemeinsame Frühstück fallen weg. &bdquo;Dabei wäre es in der Krise wichtig, dass sich die Frauen gegenseitig den Rücken stärken können." Das alles ist nicht möglich – eine der vielen Folgen von Corona. Mit Blick auf das neue Jahr sind sich die Beraterinnen einig: &bdquo;Die Aufräumarbeiten kommen erst noch." Denn natürlich steigt während eines Lockdowns die Zahl der Frauen und Kinder, die niemand mehr sieht. &bdquo;Seit Anfang November konnten wir neun Frauen nicht in Minden aufnehmen, das ist vergleichsweise viel." In solchen Fällen werden andere Hebel in Bewegung gesetzt: Gibt es vielleicht noch Verwandte in der Nähe, wo die Frau unterkommen kann? Oder hat womöglich ein anderes Frauenhaus noch Kapazitäten? Schnell kann die AWO in solchen Fällen das bundesweite Hilfe-Netzwerk mobilisieren. &bdquo;Keine bleibt auf der Straße." Mobiles Spracherkennungsgerät bestellt Körperliche oder sexuelle Gewalt gegen Frauen ist ein internationales Problem. Anastasia Apostolidou-Westermann und Irmtraud Schneider sprechen zwar mehrere europäische Sprachen, aber manchmal brauchen sie für die Krisenintervention einen Dolmetscher. Darum haben sie jetzt ein mobiles Spracherkennungsgerät bestellt, das 70 Sprachen übersetzen kann. Damit können die drängendsten Fragen (&bdquo;Wie geht es Ihnen?" und &bdquo;Haben Sie Schmerzen?") schnell abgeklärt werden. Irmtraud Schneider hat den Tipp von Kolleginnen in Iserlohn bekommen. &bdquo;Das scheint gut zu funktionieren", sagt sie. &bdquo;Ich spreche Deutsch, mein Gegenüber hört die Übersetzung zum Beispiel auf Suaheli." Das Gute an der modernen Technik: Sie ist unbestechlich. Denn nicht immer ist bei einer Krisenintervention die vermeintliche Unterstützung eines Übersetzers aus dem Heimatland hilfreich. Im Gegenteil: Es gab schon Fälle, in der Landsleute die betroffene Frau subtil unter Druck gesetzt haben. Das passiert mit dem neuen digitalen Sprachassistenten künftig nicht mehr. Übrigens: Wenn Frauen häusliche Gewalt erfahren, dann ist das kein Familiendrama, sondern eine Straftat. Auch daran erinnert der Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November).

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