Volkstrauertag im Lübbecker Land: Mahnung zum Einsatz für Demokratie

Lübbecker Land. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Viele Millionen Menschen waren tot. Sie starben an den Fronten oder im Bombenhagel. Millionen Menschen jüdischen Glaubens waren von den Nazis ermordet worden. Auch Andersdenkende oder Angehörige anderer Volksgruppen wurden von Nazis ermordet. Auch im damaligen Landkreis Lübbecke hatten die Nazis und ihre Helfershelfer das jüdische Gemeindeleben zerstört. Als die Alliierten am 4. April den damaligen Landkreis Lübbecke befreiten, hatte sich der fanatische NS-Kreisleiter Ernst Meiring seiner Verantwortung entzogen und war untergetaucht. Er wurde wie viele andere NS-Verbrecher nie für seine Untaten bestraft. Bei Kriegsende und danach waren Menschen auf der Flucht. Millionen Menschen wurden aus den früheren deutschen Ostgebieten, Böhmen oder dem Banat und aus den früheren polnischen Ostgebieten vertrieben. Viele Menschen, die geflüchtet oder vertrieben wurden, kamen auch in das Lübbecker Land. Espelkamp entstand nach dem Kriegsende als Flüchtlingsstadt. Heute gedenken die Menschen der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Vereinigten Königreich etwa wurde der &bdquo;Remembrance Day“ begangen – zwei Tage später wurde dort des Waffenstillstands am 11. November 1918 gedacht. In vielen Staaten Europas war am 8. Mai des 80. Jahrestages des Kriegsendes gedacht worden. In Deutschland wird in jedem Jahr der Volkstrauertag begangen. An vielen Ehrenmälern werden Kränze niedergelegt im Gedenken an alle Menschen, die durch Krieg und Gewaltherrschaft damals wie heute ihr Leben verloren. Das war am Sonntag auch im Lübbecker Land der Fall, darunter in Lübbecke, Espelkamp und Stemwede. Bewegende Worte und leise Töne Lübbecke: Mit bewegenden Worten und leisen Tönen gedachten die Lübbecker am Sonntagmittag im Heldenhain an der Kreishausstraße der Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung. Trotz des regnerischen Wetters folgten einige Bürgerinnen und Bürger der Einladung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Volkstrauertag, begleitet vom Lübbecker Posaunenchor und Vertretern aus Politik, Kirche und Vereinen.Pünktlich um 12 Uhr begann die Gedenkstunde am Mahnmal, wo dezent gestaltete Kränze schon bereitlagen. Nach einer kurzen Begrüßung erinnerte Pfarrer Eberhard Helling in seiner Ansprache daran, wie aktuell das Gedenken an Krieg und Leid geblieben ist: &bdquo;Die Situation in der Welt ist wirklich kritisch, es gibt viele Krisen – aber was läuft eigentlich gut?“ Er betonte, dass es sich lohne, &bdquo;diese Welt, dieses Leben zu erhalten“. Als musikalischen Übergang wählte der Posaunenchor das Stück What a Wonderful World von Louis Armstrong – ein stiller, aber hoffnungsvoller Moment, der viele sichtlich berührte.Auch Bürgermeister Philipp Knappmeyer, erst seit wenigen Wochen im Amt, fand klare Worte. &bdquo;Es gibt so gut wie keine Familie in Lübbecke, die nicht betroffen ist“, sagte er und appellierte eindringlich an die Verantwortung gegenüber der Geschichte: &bdquo;Unsere Stadt hatte wahrlich genug Opfer zu beklagen. Mehr brauchen und wollen wir wirklich nicht!“ Posaunenchor umrahmte die Kranzniederlegung Seine Worte fanden in der stillen Andacht der Anwesenden ein hörbares Echo.Im Anschluss legten Vertreter von Vereinen, Verbänden und politischen Fraktionen Kränze am Mahnmal nieder. Der Posaunenchor umrahmte die Kranzniederlegung mit seinen Interpretationen. Einige Besucher verweilten noch, tauschten Erinnerungen aus oder standen einfach schweigend nebeneinander – vereint im Gedenken.Der Volkstrauertag bleibt damit auch in Lübbecke ein wichtiger Teil des gemeinsamen Erinnerns. Gerade in Zeiten internationaler Spannungen und gewaltsamer Konflikte soll das Gedenken mahnen, den Frieden im eigenen Land zu bewahren und zu pflegen – Tag für Tag. Genau eine Woche zuvor hatten sich rund 250 Menschen in Lübbecke auf den &bdquo;Weg der Erinnerung“ gemacht. Sie gedachten am Jahrestag der Pogromnacht der Menschen jüdischen Glaubens auch in Lübbecke, die von den Nazis entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Lesen Sie auch: Gedenken an die Judenverfolgung in Lübbecke: &bdquo;Aus dem Gestern für das Morgen lernen“ Espelkamp: Die zentrale Gedenkstunde in Espelkamp fand am Ehrenmal, dem Gedenkkreuz auf dem Grünanger, statt. Der Ortsvorsteher von Espelkamp-Zentrum, Wolfgang Mandtler, begrüßte die Gäste, zu denen Abordnungen von Feuerwehr, Schützengesellschaft, DRK-Ortsverein, Reservistenkameradschaft, Bund der Vertriebenen und Sozialverband gehörten. Wolfgang Mandtler sowie Bürgermeister Henning Vieker bekräftigten, dass der Volkstrauertag ein starkes Zeichen gegen Krieg, Gewalt sowie Hass und für Frieden, Freiheit, Menschlichkeit und Versöhnung sei. Vieker erinnerte an die große Bedeutung eines gemeinsamen Europas für ein friedliches Miteinander. Woanders in der Welt habe Krieg Millionen von Toten gefordert und unermessliches Leid zur Folge. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sei der Krieg mit seinem ganzen Schrecken wieder nach Europa gekommen. &bdquo;Frieden ist keine Selbstverständlichkeit“ In Deutschland werde von &bdquo;Kriegstüchtigkeit“ und Wiedereinführung der Wehrpflicht gesprochen. Angesichts von Cyber-Angriffen, perfider Propaganda und Sabotage gewinne man den Eindruck, der &bdquo;Kalte Krieg“ sei wieder zurückgekommen. &bdquo;Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Herausforderung für alle, im Großen wie in Kleinen, Tag für Tag,“ betonte Vieker. Pfarrer Stork erinnerte in seiner Gedenkrede daran, dass die Kriegserlebnisse auch 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch nachwirken. Ob Opfer oder Täter, diese Schreckenserlebnisse hätten ihr Leben geprägt, und das der Kinder und Kindeskinder. Der Zweite Weltkrieg sei in seinen Nachwirkungen lebendiger und virulenter als man meine. Der Volkstrauertag habe auch 80 Jahre nach Ende des Krieges, der so viel Leid und Schrecken über die Menschen gebracht habe, in Zeiten weltweiter Kriege, Gewalt und Rassismus, nichts von seiner Bedeutung verloren. Sein Entsetzen sei groß, dass, angesichts der Verbrechen von Nazi-Deutschland, Menschen jüdischen Glaubens wieder so viel Hass in Deutschland entgegengebracht werde. Nachdem Pastor Stork Gebet und Segen gesprochen hatte, legten Vertreter von Sozialverband, Stadt und Reservistenkameradschaft am Gedenkkreuz Kränze nieder. Mit dem Lied vom &bdquo;guten Kameraden“, das der Bläserkreis der Martinskirchengemeinde unter der Leitung von Tobis Krügel intonierte, und dem Dank von Artur Wall (Ortsvorsteher Westend) an alle Gäste endete die Feierstunde. Stemwede: In Levern hatte der Heimatverein die Gedenkfeier organisiert, die sich an den Gottesdienst anschloss. Die Weimarer Republik als erste deutsche Demokratie sei nicht von äußeren Feinden zerstört worden, sondern von Feinden im Inneren, sagte Joern Spreen-Ledebur, Vorsitzender des Heimatvereins. Die Lehre aus Weimar sei die wehrhafte Demokratie, die sich gegen ihre Feinde zur Wehr setze – gegen Extremisten, die die demokratische Grundordnung zerstören wollten. Auch heute verträten Extremisten nicht die Interessen dieses Landes. Vielmehr gebe es eine Täter-Opfer-Umkehr wie beim russischen Überfall auf die Ukraine. Damit redeten Extremisten Autokraten und Kriegsverbrechern wie Wladimir Putin das Wort. Putin wolle Grenzen in Europa mit Gewalt verschieben. Das habe es in Europa bereits gegeben. Viele hätten aus dem Münchner Abkommen von 1938 nichts gelernt. Damals habe man den Nazis zugestanden, das Sudetenland von der Tschechoslowakei zu annektieren. Die Tschechoslowakei war bei den Verhandlungen nicht vertreten. Briten, Franzosen und Italiener hätten gehofft, mit dem Abkommen einen großen Krieg zu verhindern. Knapp ein Jahr später aber zettelte Deutschland den Zweiten Weltkrieg an. Geeintes Europa als Antwort auf Bedrohung Autokratische Züge habe auch US-Präsident Trump, sagte Joern Spreen-Ledebur. Trump missbrauche das Justizministerium, um gegen Kritiker seiner Politik strafrechtlich vorzugehen. Er ignoriere das Parlament und lege die Axt an die Gewaltenteilung und damit an die Demokratie. Die Antwort auf die Bedrohung sei ein geeintes Europa. Das sei das beste Friedensprojekt. Durch die europäische Einigung seien aus einstigen Feinden Freunde geworden. Der Vereinsvorsitzende appellierte an die Zuhörer, sich jeden Tag für &bdquo;unsere Demokratie und das vereinte Europa einzusetzen“. In Levern erklang zum Abschluss der Gedenkfeier denn auch die Europa-Hymne.

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