Volkstrauertag im Kreis Minden-Lübbecke: Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt

Kreis Minden-Lübbecke. Seit mehr als 100 Jahren erinnern die Deutschen an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, seit einigen Jahrzehnten an die Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft aller Nationen. Obwohl sich ein nationaler Gedenktag erst spät durchsetzte, finden Feierstunden heute bundesweit statt. Eingeführt wurde der Tag 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Erst 1949 wurde dieser &bdquo;stille Feiertag“ auf Initiative eines breiten Bündnisses von Politik und Kirchen als nationaler Feiertag am zweiten Sonntag vor dem ersten Advent als Volkstrauertag eingesetzt. An öffentlichen Gebäuden wehen die Flaggen auf Halbmast, Tanz- und Musikveranstaltungen sind nur mit Einschränkungen erlaubt. Volkstrauertag in Stemwede Am 4. April 1945 besetzten die Alliierten den damaligen Landkreis Lübbecke. Während Lübbecke zur offenen Stadt erklärt, friedlich übergeben wurde und der fanatische Nazi-Kreisleiter Ernst Meiring zu dem Zeitpunkt schon untergetaucht, gab es zuvor in Levern schwere Kämpfe zwischen kaum ausgebildeten jungen deutschen Soldaten und einer britischen Panzer-Einheit. Die von den Nazis befohlene Verteidigung Leverns war völlig sinnlos und kostete viele deutsche wie britische Soldaten sowie Zivilisten das Leben. An sie sowie an alle anderen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft wurde am Sonntag während der Gedenkfeier zum Volkstrauertag erinnert. Die Leverner erinnerten an die Konflikte unserer Zeit wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sie erinnerten aber auch an das Erstarken von Parteien im Inland, die die Demokratie verächtlich und den demokratischen Staat aushöhlen wollten. Zudem gebe es einen zunehmenden Antisemitismus, in Deutschland würden wieder Brandsätze auf Synagogen geworfen. Sicherlich könne man Kritik üben, aber ein jeder könne sich auch einbringen, hieß es während der Gedenkfeier. Ein jeder könne sich in Vereinen, Institutionen und demokratischen Parteien für das Umfeld, für das Land und für Europa als gemeinsame Heimat engagieren. Die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wie die, die am 4. April 1945 in Levern starben, hätten diese Chance nicht gehabt. Sich für Demokratie und ein friedliches Zusammenleben einzusetzen, das sei das Vermächtnis der Opfer. So wie es auch Vermächtnis der Opfer an die Lebenden sei, dieses Land und Europa nicht den Extremisten zu überlassen. Volkstrauertag in Espelkamp Die beiden Espelkamper Ortsvorsteher Gerd-Udo Sasten und Arthur Wall begrüßten Vertreter von Vereine, Verbänden und Organisationen sowie Bürger und Bürgerinnen zur feierlichen Kranzniederlegung am Hochkreuz auf dem Grünanger. Bürgermeister Henning Vieker unterstrich, dass mit dem Volkstrauertag ein Zeichen gegen das Vergessen und für den Frieden in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt gesetzt werde. Gerade in Zeiten des völkerechtwidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine und des rücksichts- und skrupellosen Krieges im Nahen Osten. Gerade Espelkamp als Flüchtlingsstadt sei ein Beispiel, wie Schwertern zu Pflugscharen werden können. &bdquo;Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Herausforderung für alle,“ betonte das Stadtoberhaupt. Frieden sei mehr als die Abwesenheit von Krieg. Gerade deshalb sei es wichtig, sich gegen Antisemitismus und Rassismus Hass und Gewalt einzusetzen. Die Bedeutung der Erinnerungskultur unterstrich Pfarrer Karl-Heinz Graute von der katholischen St.-Marien-Gemeinde. Sie könne verhindern, dass sich die Schrecken der Vergangenheit wiederholen. Pfarrer Graute erinnerte an Artikel 1 des Grundgesetzes &bdquo;Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dies gelte für alle Menschen. Keiner sei minderwertig, unwert oder wertlos. Er warnte davor, an den Grundfesten der Menschenrechte zu rütteln, sie zu lockern oder infrage zu stellen. Volkstrauertag in Lübbecke Auch in Lübbecke gab es eine Gedenkfeier, bei der ein Kranz am Denkmal im Heldenhain niedergelegt wurde. Lübbeckes stellvertretende Bürgermeisterin Kathrin Böhning betonte in ihrer Rede zum Volkstrauertag: &bdquo;Es ist ein Tag der Trauer, aber auch der Mahnung, dass Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeit sind.“ Sie rief nicht nur dazu auf, all jene zu ehren, die durch Gewalt und Krieg ihr Leben lassen mussten, sondern sagte: &bdquo;Und lasst uns zugleich Verantwortung übernehmen für die Gestaltung einer friedlichen Zukunft.“ Auch bat sie um Kraft, für eine Welt einzutreten, in der Menschlichkeit und Verständigung über Hass und Gewalt triumphieren. Pfarrer Eberhard Helling erinnerte in seinem Redebeitrag: &bdquo;Seit Jahren versammeln wir uns hier und immer wieder ist die Gedenkveranstaltung von politischen Großereignissen geprägt.“ Anschließend erinnerte er an den jüdischen Schriftsteller und Religionsphilosophen, Emigranten und &bdquo;Brückenbauer“ zwischen Judentum und Christentum, Fritz Rosenthal (Schalom Ben-Chorin ). Dieser hatte mitten im Zweiten Weltkrieg die Zeilen &bdquo;Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“, geschrieben. &bdquo;Wenn man darauf vertraut, dass es trotz Streit und Krieg etwas anderes gibt, das alles überdauert, kann man Erfahrungen machen, dass sich doch das Leben durchsetzt, und nicht die Vernichtung“, zeichnete Helling ein Bild der Hoffnung in dunklen Zeiten. Musikalisch begleitet wurde die Gedenkfeier zum Volkstrauertag von den Posaunenchören Lübbecke und Blasheim unter der Leitung von Claus Wischmeyer.

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