Wenn Edeka, Gauselmann und Co. husten, ist ganz Lübbecke erkältet

Dass aus geplanten 8,5 Millionen Euro minus im Jahresabschluss 2023 der Stadt Lübbecke 1,5 Millionen Euro plus wurden, ist ein schöner Aufhänger für Satiresendungen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Lübbecke im Zusammenhang mit dem &bdquo;Irrsinn der Woche“ genannt würde, wie wir seit der Verlegung des noch jungen und gut funktionierenden Busbahnhofs um wenige Meter wissen, weil der Platz gebraucht wurde für einen Parkplatz am Einkaufszentrum &bdquo;Westertor“. Freude über das positive Jahresergebnis kam aber weder bei Finanzdezernent Dirk Raddy (CDU) in der Sitzung des Finanzausschusses auf, noch bei Bürgermeister Frank Haberbosch (SPD) und den Fraktionen während der jüngsten Ratssitzung. Zu Recht. Hinter Politik und Verwaltung lagen immerhin eine Haushaltssperre und ein Nachtragshaushalt. Und fast hätte der Rat auch noch die Grundsteuern A und B erhöht, weil Raddy und Haberbosch die finanzielle Lage der Stadt so dramatisch negativ geschildert hatten. Kein Wunder also, dass die Erklärungsversuche, die zwischen EDV-Umstellung, mehr Gewerbesteuereinnahmen und Personalmangel in der Kämmerei schwankten, und die Entschuldigung des Bürgermeisters für diesen dicken Fehler die Politiker nur bedingt milde stimmten. Eine konkrete Begründung für diese Kalkulationspanne liegt übrigens bis heute nicht vor. Gewerbesteuer schwankt stark Abgesehen davon ist seit vielen Jahren zu beobachten, dass Stadt- und Gemeinderäte nur über einen geringen Teil des Haushaltes selbst bestimmen können. Denn bei einem großen Teil der Einnahmen und Ausgaben handelt es sich um sogenannte Transferleistungen. Trotzdem kommt es in einem laufenden Haushaltsjahr immer wieder zu Anpassungen der Prognose – vor allem bezogen auf die mit Abstand größte Einnahmequelle jeder Kommune: der starken Schwankungen unterworfenen Gewerbesteuer. Auch aus diesem Grund sind Politik und Verwaltung nur beschränkt frei in ihren Entscheidungen. Beispiel Westertor: Investor HBB winkte mit einer Investitionssumme von 20 Millionen Euro und konnte in Absprache mit den Mietinteressenten überspitzt formuliert fordern und planen, wie er wollte. Mehrmals wurde allein der Parkplatz am Papendiek umgewidmet und die Parkdauer vertraglich auf eine Stunde begrenzt, weil Hauptmieter Edeka mit seinem Marktkauf das so möchte. Deshalb lässt der Bürgermeister auch die Finger von einer von den Grünen beantragten Verlängerung der Parkdauer, wie er kürzlich im Rat deutlich machte. Ein krasses Beispiel bietet die nach einer erheblichen Gewerbesteuer-Rückzahlung finanziell stark angeschlagene Stadt Espelkamp. Deren Ehrenbürger Paul Gauselmann und die Paul und Karin Gauselmann Stiftung haben kürzlich eine Spendenvereinbarung über 8,7 Millionen Euro zugunsten der Stadt unterzeichnet. Das Geld soll für verschiedene Bereiche der städtischen Daseinsvorsorge verwendet werden, beispielsweise für eine Mensa für den offenen Ganztag an der Mittwaldschule und für drei Kinderspielplätze. Auch der Neubau der mit zehn Millionen Euro geplanten Stadtsporthalle wird von Gauselmanns mitfinanziert. Lücken, für die das Land zuständig ist Erst kürzlich hatte die Merkur Immobilien und Bauprojekte GmbH & Co. den Bau zweier Kindergärten für Espelkamp bekannt gegeben. Die Kosten von rund sechs Millionen Euro trägt die Gauselmann-Stiftung als Investor. Hat die für Lübbecke nicht auch ein paar Millionen Euro übrig? Immerhin haben mehrere Gauselmann- beziehungsweise Merkur-Unternehmen ihren Sitz dort. Preußisch Oldendorf und andere Kommunen könnten auch eine ordentliche Finanzspritze vertragen. Viele Städte und Gemeinden als unterste staatliche Ebene sind heutzutage finanziell in einer so prekären Lage, dass Unternehmen sie unterstützen. Eine Stadt, die nehmen muss, was sie kriegen kann, ist aber nicht nur schwach, sondern auch abhängig. Wie neutral können ihre Ämter dann noch sein, wenn es um einen Antrag – sagen wir mal auf Firmenerweiterung – eines wichtigen Gewerbesteuerzahlers oder Spenders geht? Worauf will ich hinaus: Nichts gegen unternehmerische oder private Großzügigkeit. Aber sie darf doch nicht ständig Lücken füllen, für die das Land zuständig wäre. Das Land und auch der Bund müssen die Kommunen finanziell endlich verlässlicher ausstatten. Ob Kitaplatz, Krankenhausplanung, Schulausstattung oder Polizeipräsenz, um nur einige Beispiele aus dem Lübbecker Land zu nennen – weniger versprechen und mehr handeln sind lange überfällig. frank.hartmann@nw.de

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