Klinik-Pläne: Kommunen im Lübbecker Land in Sorge wegen Kassenlage

Lübbecke. Ein erhebliches Defizit, Diskussionen um neue Strukturen und die Zusammenlegung von Standorten sowie Sorgen vor erheblichen finanziellen Belastungen von Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern: Die Lage der kreiseigenen Mühlenkreiskliniken (MKK) und deren künftige Strukturen waren das beherrschende Thema in den vergangenen Monaten im Lübbecker Land. Der Standort für einen möglichen Krankenhaus-Neubau in Espelkamp ist umstritten, weil hier ein alter Wald größtenteils weggeholzt werden soll. Hier gab es eine Forderung der Bürgermeister aus dem Lübbecker Land und eine eher ungewöhnliche Ansage aus Lübbecke. Im Januar wählten die Menschen im Kreis Minden-Lübbecke einen neuen Landrat. Die vorgezogene Wahl wurde erforderlich, weil die erst 2020 mit überwältigender Mehrheit gewählte Landrätin Anna Katharina Bölling (CDU) nach nicht einmal zwei Jahren im Amt als Regierungspräsidentin nach Detmold wechselte. Die Klinik-Debatte prägte dann auch den Wahlkampf zwischen den beiden Kandidaten der großen Parteien, Jörg-Michael Schrader (CDU) und Ali Dogan (SPD). Schrader setzte auf den Neubau von Krankenhäusern – einem in Bad Oeynhausen und einem in Espelkamp, an dem die Krankenhäuser Lübbecke und Rahden zusammengeführt werden sollten. Im Januar war von einem Investitions-Volumen von rund 530 Millionen Euro die Rede. Eine Sanierung Lübbeckes bewertete Schrader als unwirtschaftlich. Ali Dogan wollte eine Sanierung in Lübbecke prüfen und bewertete zwei Neubauten angesichts einer möglichen Fördersumme von maximal 178 Millionen Euro von Bund und Land als nicht finanzierbar. Ali Dogan gewann die Stichwahl Ende Januar deutlich. Forderung nach Bürgerentscheid Im März wandten sich die Bürgermeister aus dem Lübbecker Land in einem Brandbrief an den neuen Landrat und forderten ihn auf, die Fläche in der Gabelhorst für die Planungen der MKK zu kaufen oder zu sichern. Gleichzeitig hatten die Bürgermeister erklärt, dass die Kommunen den hohen dreistelligen Millionen-Betrag nicht stemmen könnten und Gespräche wegen der Finanzierung eingefordert. Die FDP Minden-Lübbecke hatte zwischenzeitlich einen Bürgerentscheid über die MKK-Projekte ins Spiel gebracht. Den solle der Kreis initiieren, hatten die Liberalen bei einer Veranstaltung in Espelkamp erklärt und ebenso wie Landrat Dogan die finanzielle Unterstützung des Landes als zu gering bewertet. Erheblichen Streit löst hinsichtlich eines möglichen Klinik-Neubaus in Espelkamp der Gabelhorst-Wald als Standort aus. Fachleute bewerten ihn als ökologisch äußerst wertvoll. Zudem habe er als letztes großes zusammenhängendes Waldstück in der Stadt auch große Bedeutung für das Binnenklima, sagen sie. Kritik am Standort Das Umweltamt des Kreises Minden-Lübbecke, der auch Besitzer der MKK ist, hatte dagegen die im Ranking auf Platz zwei gesetzte und landwirtschaftlich Fläche Groß Greben Ding in der Nachbarschaft der Gabelhorst in Espelkamp als ökologisch wertvoller bezeichnet. Anders als der Wald liege sie im Landschaftsschutzgebiet und an den Wald schließe sich Bebauung an. Zudem gelte für den Wald ein Bebauungsplan und dieser Bereich sei schon seit langem für die Siedlungserweiterung vorgesehen. Diese Darstellung teilen auch die meisten Mitglieder des Kreistags, aber nicht alle Parteien vor Ort. Die Grünen-Ortsverbände etwa in Rahden, Espelkamp und Lübbecke kritisieren die Zustimmung der Kreis-Grünen zu diesem Standort scharf und die SPD Espelkamp unternahm einen – letztlich erfolglosen – Anlauf, für den möglichen Neubau ein anderes Grundstück zu suchen. Bei einem Bürgergespräch mit dem Landrat in Rahden hatten auch Bürger den möglichen Neubau im Wald kritisiert. Kritik an einer Behörde – in diesem Fall dem Umweltamt – hatte Dogan kategorisch zurückgewiesen und in teils deutlichen Worten auf kritische Anmerkungen aus der Bürgerschaft zum MKK-Projekt reagiert. Mit einem eher ungewöhnlichen Vorschlag kam im März die Wählergemeinschaft Lübbecke (WL) daher. Um sowohl das Krankenhaus in Lübbecke als auch den Baumbestand in der Gabelhorst zu erhalten, hatte die WL bei Bürgermeister Frank Haberbosch (SPD) einen Antrag eingereicht, demzufolge die Stadt Lübbecke die Flächen in der Gabelhorst kaufen sollte. WL-Fraktionschef Dieter Wiegmann hatte unter anderem ausgeführt, dass die Stadt Lübbecke aktuell über einen ausreichenden Bestand an liquiden Mitteln verfüge, der für den laufenden Geschäftsbetrieb nicht erforderlich sei. Teils scharfe Kritik aus den Kommunen an der Kreispolitik Den Kauf von Grundstücken bezeichnete Wiegmann im WL-Antrag als &bdquo;probates Mittel, um freies Geld anzulegen“, zumal für den Kauf der Grundstücke keine Kreditaufnahme erforderlich sei. Im zweiten Teil der Begründung kam Wiegmann zum eigentlichen Ziel des Antrags: &bdquo;Darüber hinaus könnte die Stadt Lübbecke als Eigentümerin der Grundstücke den überflüssigen Neubau eines Krankenhauses auf diesen Grundstücken verhindern.“ Dadurch bleibe das Grundstück nach Ansicht der WL unbebaut und in seiner jetzigen Form erhalten. Mittlerweile hat der Kreistag mehrheitlich für den Kauf der Fläche in der Gabelhorst gestimmt. Auch ein neues Gutachten liegt vor, das von 216 Millionen Euro Sanierungsbedarf spricht. Mehrheitlich stimmte der Kreistag auch für die neuen MKK-Strukturen. Zuvor hatte die Kreisverwaltung neue Berechnungen vorgelegt und Gesamtkosten für das Projekt von jetzt noch 356 Millionen Euro genannt – inklusive drei Millionen Euro für die Zentralisierung der Urologie in Minden. Anders als der zuletzt beauftragte Gutachter Boris Augurzky setzen Landrat und Kreistag aber darauf, die Psychiatrie nicht nach Minden zu verlegen, sondern an einen möglichen Neubau in Espelkamp anzugliedern. Die Grünen-Kreistagsfraktion setzt auf einen &bdquo;Prüfauftrag“, wonach für den Neubau in der Gabelhorst möglichst unbewaldete Flächen genutzt werden sollten. Dass dies möglich ist, hatten unter anderem Leser wie Jürgen Wiegmann anhand der Übertragung von bestehenden Krankenhaus-Grundrissen auf die Gabelhorst-Fläche dargestellt. Kosten belasten Kommunen Die nun im Raum stehenden Gesamtkosten von 356 Millionen Euro hält Landrat Ali Dogan für finanzierbar und setzt auf die mögliche Förderung mit bis zu 178 Millionen Euro. Die Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt der Krankenhäuser Lübbecke und Rahden einsetzt, erwartet dagegen deutlich höhere Kosten und plädiert für eine Sanierung Lübbeckes. Sorgen wegen der Finanzierung machen sich aktuell auch die Städte und Gemeinden. In einem offenen Brief hatten sie das deutlich gemacht. Noch deutlicher wurde die SPD-Ratsfraktion in Pr. Oldendorf, die dem Kreis mangelnden Willen zu Einsparungen vorwirft. Zudem sind die Kassenlagen in Kommunen wie Pr. Oldendorf, Espelkamp und Rahden desolat. Die Kommunen erwarten die Haushaltssicherung und die erheblichen Belastungen auch durch die Erhöhung der Kreisumlage. In Rahden etwa hatte Kämmerer Ralph Picker gesagt, dass die Kreisumlage wegen der MKK-Pläne um weitere zwei Prozentpunkte steigen solle, was die Stadt Rahden mit zusätzlich 500.000 Euro jährlich belasten werde. Rahden erwartet im kommenden Jahr übrigens ein Defizit von fast neun Millionen Euro und eilt der Haushaltssicherung entgegen. Ob die geplanten Neubauten tatsächlich finanzierbar sind? Auf Kreisebene gibt es bekanntlich Stimmen, die von der Variante &bdquo;Minden plus null“ sprechen – weil nur das finanzierbar sei. Mittlerweile soll aber auch darüber spekuliert, ob und wenn ja in welcher Höhe es überhaupt noch Geld vom Bund und vom Land gibt angesichts der dortigen Kassenlagen. Zudem soll es Spekulationen geben, ob angesichts des nun reduzierten Investitions-Volumens tatsächlich die angedeuteten möglichen bis zu 178 Millionen Euro kommen oder weniger. Im Land haben die Prüfungen der MKK-Planungen begonnen. Am Ende soll dann entschieden werden, ob die Krankenkassen ihr Einvernehmen erteilen und ob es Fördergeld gibt.

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