Parkplätze in Lübbecke sollen wegfallen - auch vor Arztpraxen

Lübbecke. Die Planungen zur Umgestaltung der Niedern- und nördlichen Gerichtsstraße nach den Gestaltungsgrundsätzen für den Innenstadtbereich - zu sehen etwa am Markt und in der Bäckerstraße - hat die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben bewusst als zweistufiges Verfahren angelegt: "In der Erwartung von Diskussionsbedarf auch zum Thema Stellplätze", so der städtische Pressesprecher Andreas Püfke. Dieser Bedarf besteht offensichtlich weiter. Um "Einfluss auf die endgültige Gestaltung der Niedernstraße und die Anzahl der Stellplätze zu nehmen", hat sich beispielsweise eine Immobilieneigentümerin an ihre Mieter gewandt. Deren Interesse besteht mehreren Stellungnahmen zufolge darin, die vom Bauausschuss beschlossene Reduzierung der Parkplätze von 29 auf 17 zu überdenken, zumindest in Verbindung mit den Arztpraxen in der Niedernstraße und der Apotheke Ecke Gänsemarkt. Die Anlieger halten die Ausweisung weiterer Stellplätze - gegebenenfalls als Kurzzeit-Parkplätze - für erforderlich, "um gehbehinderten Patienten Arzt- und Apothekenbesuche zu ermöglichen". Die Straße wäre blockiert Diese Forderung, die nw.de exklusiv schriftlich vorliegt, unterstützt auch ein Lübbecker, der regelmäßig seinen über 90-jährigen Vater in eine der Arztpraxen gebracht hat und sich nicht vorstellen kann, wie das künftig mit den direkt vor den Praxen wegfallenden Parkplätzen funktionieren soll - zum Beispiel, wenn dem Patienten aus dem Auto geholfen werden muss: "Dann wäre die Straße solange blockiert", befürchtet der Sohn. Ähnlich klingt die Begründung der Anlieger für den Wunsch nach mehr Parkplätzen. Die Gesellschaft in Lübbecke werde ständig älter. Der Anteil an gehbehinderten Personen, die auf einen Fahrzeugtransport angewiesen seien, nehme zu: "Sie müssen vor den Arztpraxen mühevoll und zeitintensiv aus dem Fahrzeug an ihren Rollator oder in ihren Rollstuhl wechseln. Gegebenenfalls muss der Fahrer den Patienten noch in die Praxis begleiten." Träfen Patiententransporte kurz hintereinander ein, "können diese sich gegenseitig behindern". Der Fußmarsch vom Gänsemarkt ist zu weit Für die Verwaltung teilt Andreas Püfke mit: "Wir halten das Stellplatzangebot in der unmittelbaren Umgebung für mehr als ausreichend. Zwischen der Mitte des Gänsemarkt-Parkplatzes und dem Eingang des Hauses Niedernstraße 1 sind exakt 89 Meter zurückzulegen – nicht gerade das, was man einen Gewaltmarsch nennen müsste." Diese Meinung teilen nicht alle. Wer beobachte, wie viele gehbehinderte Menschen täglich vor den Arztpraxen ausstiegen und in die Praxis begleitet werden müssten, komme zu folgendem Fazit: "Der Fußmarsch vom Gänsemarktparkplatz bis in die Niedernstraße ist zu weit", sagt ein Anlieger aus der direkten Nachbarschaft der Ärztehäuser. Dem am 18. August 2021 gefassten Grundsatzbeschluss des Bauausschusses, die Stellplatzanzahl um 30 bis 40 Prozent, bezogen auf den aktuellen Bestand, zu reduzieren, sei in öffentlicher Sitzung erfolgt. "Einwände von Anliegern oder Anwohnern haben uns in der Folge nicht erreicht", so Püfke. Diskussion war durchaus lebhaft Den Grundsatzbeschluss habe die Verwaltung im zweiten Schritt als Entwurfsplanung umgesetzt. Der Gestaltungsentwurf, der die Verringerung auf 17 Stellplätze vorsieht, sei am 17. November 2022 in einer Anliegerversammlung vorgestellt worden. "Dazu haben wir ausnahmslos alle Grundstückseigentümer schriftlich eingeladen und in dem Schreiben darum gebeten, so vorhanden, auch Mieter zu informieren. Darüber hinaus haben wir zusätzlich in jeden Briefkasten eine Einladung eingeworfen", erläutert Püfke auf nw.de-Nachfrage. Die Diskussion in der Versammlung beschreibt die Stadtverwaltung als "durchaus lebhaft", sie lasse sich aber nicht als Ablehnung der Planung interpretieren. Die geäußerten Anregungen seien zum Teil weit auseinandergegangen. So habe es auch Stimmen gegeben, die die Niedernstraße am liebsten gänzlich verkehrsberuhigt ohne einen einzigen Stellplatz gesehen hätten. Ist die Planung behindertengerecht? Wie sieht eigentlich der Behindertenbeirat der Stadt die aktuelle Planung? In der Sitzung des Bauausschusses, in der die Planung mit zwölf Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung befürwortet worden war, saß als Vorsitzender des Behindertenbeirats Martin Schmidt. Seine Nachfrage, ob die Planung in der gesamten Niedernstraße Barrierefreiheit vorsehe, sei mit Ja beantwortet worden, so Schmidt. Zudem habe der Beirat sich nach der Sitzung des Bauausschusses mit der Umgestaltung befasst und keine Einwände gehabt, so Schmidt auf nw.de-Anfrage. Darüber hinaus verwies Schmidt auf weitere Parkplätze am Gänsemarkt. Während ein Befürworter der Umgestaltung aus dem Bauausschuss die vorliegende Planung als "alternativlos" bezeichnet, unter anderem mit Verweis auf Fördermittel im Rahmen des ISEK-Programms, zählt Rathaus-Sprecher Püfke konkrete Vorteile auf: So soll die Niedernstraße zukünftig für Radfahrer in Ost-West-Richtung befahrbar sein, sie soll barriereärmer und sicherer für Fußgänger und Menschen mit Behinderung werden, und es soll Platz für Außengastronomie entstehen. Mehr Raum zum Halten als vorher Püfke weiter: "Besonders mit Blick auf die Arztpraxen gehen wir eher von einer Verbesserung der Erreichbarkeit aus: Der Stellplatz für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen bleibt, von den übrigen drei werden zwei abgebaut. So entsteht Raum, um unmittelbar vor den Praxen zu halten und Patienten abzusetzen. Dieser stand bisher in aller Regel nicht zur Verfügung, weil die Stellplätze meist zugeparkt waren, und das wohl kaum ausschließlich von Besuchern der Arztpraxen." Man habe die Hoffnung, dass sich auch die drei Ausschussmitglieder, die mit Nein gestimmt hätten, mit dem Ergebnis anfreunden könnten, ebenso wie die bisher kritischen Anlieger der Niedernstraße, so Püfke abschließend.

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