Immer mehr Fahrschüler aus Minden-Lübbecke fallen durch die Führerschein-Prüfung

Lübbecker Land. Ein Führerschein bedeutet Freiheit – insbesondere für junge Menschen, die auf dem Land leben. Doch immer mehr Fahrschüler scheitern bei der Prüfung, die Durchfaller-Quoten steigen seit Jahren. Woran liegt das? nw.de hat sich bei Experten im Lübbecker Land umgehört. Aus einem aktuellen Bericht des TÜV-Verbandes geht hervor: Der Anteil nicht bestandener Theorieprüfungen ist von 29 Prozent im Jahr 2013 auf 37 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Bei den praktischen Prüfungen für die Pkw-Klasse B ist die Durchfallquote von 37 Prozent auf 43 Prozent gestiegen. Diese Zahlen müsse man differenziert betrachten, sagt Thomas Welpott. Er führt die gleichnamige Fahrschule in Lübbecke in der dritten Generation. Wie alt sind die Prüflinge, die durchfallen? Sind es Umschreiber? Also Prüflinge, die ihren Führerschein aus anderen Ländern hier anerkennen lassen wollen und die deutschen Verkehrsregeln weniger gut beherrschen? Verkehrserziehung durch Polizei sei weniger geworden Für Welpott ist das Problem vielfältig und fängt früh an. Bei der Verkehrserziehung in Kindergarten und Grundschule. &bdquo;Früher kam der Bezirksbeamte in die Schulen und hat die Kinder begleitet“, so Welpott. Das sei heute kaum noch der Fall. Auch in den Fahrschulen hätten früher Beamte vorbeigeschaut und etwa zum Thema Unfallprävention informiert. Die Hauptursache sieht Thomas Welpott aber darin, dass die jungen Leute heute einfach andere Interessen hätten. Sie seien nicht mehr so sehr auf den Führerschein angewiesen wie früher. &bdquo;Es gibt ja die Elterntaxis.“ Früher etwa seien fast alle Fahrschüler mit dem Rad zur Fahrschule gekommen, &bdquo;heute macht das keiner mehr“. Und während man früher vielleicht den Eltern zugeschaut habe beim Autofahren, guckten die Jugendlichen heute aufs Smartphone. &bdquo;Sie nehmen den Verkehr kaum wahr.“ Erschwerend hinzukommt, dass die Materie komplexer geworden ist. Es gibt immer neue Regeln, Verkehrsschilder und Fahrassistenzsysteme. Materie wird immer komplexer Und wie kann man gegensteuern? &bdquo;Wir müssen die Fahrschüler da abholen, wo sie sind“, sagt Welpott. Das gelinge gut mit dem Fahrsimulationstraining, das die Fahrschule als eine der wenigen in der Region seit ein paar Jahren anbietet. Dazu gebe es unterschiedliche Lehrmaterialien und eine App, die die Stärken und Schwächen des Fahrschülers genau erkennt und benennt. Sie zeige an, wann der Fahrschüler prüfungsreif ist. &bdquo;Wer mit dem Material durchfällt, hat schlichtweg nicht gelernt.“ Man gehe auch zunehmend dazu über, die Eltern mit einzubinden – bei der Anmeldung und manchmal auch beim Fahren im Auto. Alles werde dokumentiert. &bdquo;Wir wollen transparent sein, um Ärger zu vermeiden.“ Das selbst gesetzte Ziel der Fahrschule seien mindestens sechs Basis-Stunden im Simulator. Insgesamt 25 bis 30 Fahrstunden brauche ein Schüler heute bis zur Fahrprüfung. Vor 20 Jahren etwa seien es mindestens zehn weniger gewesen. Falsche Lernstrategie bei Schülern Ähnlich sieht es auch Klaus Dieter Lindemann, Geschäftsführer der Fahrschule KDL mit Filialen in Pr. Oldendorf, Bad Essen, Hüllhorst und Lübbecke. Zum einen sei der Führerschein wegen der Elterntaxis nicht mehr so wichtig für die jungen Menschen, zum anderen beobachte er oft eine falsche Lernstrategie. Da werde zwei oder drei Tage extrem gelernt und dann wieder vieles vergessen. &bdquo;Man muss die Materie auch verstehen“, so Lindemann. Auch passe die Fahrschule meist nicht in mehr in den vollgestopften Tagesplan der Schüler mit Unterricht bis zum Nachmittag und vielen Hobbys. Seiner Meinung nach sollte die Schule die Schüler für den Fahrunterricht freistellen. &bdquo;Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig“, sagt Claas Alexander Stroh, Sprecher beim TÜV Nord. Allgemein sorge der immer weiter wachsende Verkehr in Deutschland für komplexere Verkehrssituationen, die in der Praxisprüfung beherrscht werden müssten. Auch der Prüfungskatalog bei der Theorie habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert beziehungsweise laufend erweitert. &bdquo;Zum Bestehen der Prüfung bedarf es daher auch einer ernsthaften Lerndisziplin“, macht Stroh deutlich. Geringe Aufmerksamkeitsspanne Auch Stroh nennt eine geringere Aufmerksamkeitsspanne bei Fahrschülerinnen und Fahrschülern. &bdquo;Gründe dafür sind unter anderem die vermehrte Smartphone-Nutzung als passiver Beifahrer bei den Eltern im Auto oder im ÖPNV, bei dem die Führerscheinprüflinge eher das Handydisplay als das Verkehrsgeschehen im Blick haben“, so der Sprecher. Generell seien die Durchfaller-Quoten in ländlichen Regionen niedriger als etwa in den Großstädten. Dieses spiegele sich auch im bundesweiten Vergleich wider. &bdquo;Allgemein sollte die Verkehrserziehung wieder viel stärker auch in den schulischen Alltag integriert werden und sich nicht nur auf eine Fahrradprüfung im Grundschulalter beschränken“, empfiehlt Stroh. Eine frühe Sensibilisierung für den Verkehr in Kombination mit mehr digitalen Tools/Lernelementen im Bereich Fahrerlaubniswesen könnte dafür sorgen, dass die Durchfall-Quoten nicht weiter steigen.

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