Betrug in der Gastronomie: Mann aus Lübbecke soll für über drei Jahre ins Gefängnis

Lübbecke/Minden. Rund 30 Zeugen, fünf Verhandlungstage, eine Verfahrensdauer von Mitte April bis Ende Dezember, dann stand das Urteil fest. Der 42-jährige Mehmet H. (Namen geändert) muss für drei Jahre und drei Monate ins Gefängnis, weil er als Geschäftsführer zweier Imbissbetriebe mit Lieferservice in der Lübbecker Innenstadt verantwortlich war, dass Löhne nicht ausreichend gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden. Auf rund 92.000 Euro bezifferte das Schöffengericht den angerichteten Schaden. An der Richtigkeit des Tatvorwurfs gab es von vornherein keinen Zweifel. Auch die Höhe wurde von Verteidiger Martin Lindemann nicht bestritten. Aufgeflogen war die rechtswidrige Lohn-Praxis durch die Anzeige eines Mitarbeiters, der als offizieller Geschäftsführer fungierte, es laut Anklage aber nicht war – damals noch nicht. Stundenlanges Verhör durch den Zoll Das Hauptzollamt Herford wurde tätig, durchsuchte die Lokale und Wohnungen und vernahm etliche Zeugen. Den Erstinformanten sogar vier Stunden lang. Auf &bdquo;Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt“ nach Paragraph 266a des Strafgesetzbuchs stehen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Nachgewiesen und vom Gericht anerkannt wurden 34 Einzeltaten seit 2017 bis zur Aufdeckung Ende 2019. Wie umfangreich und schwierig die Ermittlungen und ihre rechtliche Würdigung waren, macht allein die Zahl der gehörten Zeugen deutlich. Beschäftigte in den Lokalen, Auslieferungsfahrer, ein Lieferant, ein Vermittler eines Firmenautos, ein Zollbeamter, die Ehefrau des Angeklagten – sie mussten immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Was haben sie von den Aufgaben des Angeklagten mitbekommen? Spielte er eine führende Rolle? Wer hatte das Sagen? Ein zähes Ringen um verwertbare, glaubwürdige Aussagen gegen eine erkennbare innere Abwehrhaltung mancher Zeugen. Angeklagter mehrfach zur Ordnung gerufen Das führte am 8. April zur Aussetzung des Verfahrens, das erst am 29. November fortgesetzt wurde. Drei weitere Tage bis zum 23. Dezember wurde um die Aufdeckung der tatsächlichen Verhältnisse gekämpft, allein für die offene Frage: War Mehmet H. Geschäftsführer und damit auch für die Strafvorwürfe verantwortlich? Verteidiger Lindemann bestritt das für seinen schweigenden Mandanten, der sich dennoch gern ins Geschehen im Gerichtssaal einmischte und mehrfach zur Ordnung gerufen wurde. Im amtlichen Register als Geschäftsführer eingetragen war nicht H., sondern zunächst der frühere Eigentümer Peter K. Als der Ende April 2018 starb, tauchte Sascha O. als Geschäftsführer auf. Der wollte für 15.000 Euro das Geschäft als Inhaber übernehmen. Seinen Gewerbeschein fanden die Fahnder vom Zoll allerdings beim Angeklagten. "Er war eigentlich ständig im Laden" Waren die beiden nur vorgeschobene Strohmänner? Denn tatsächlich organisierte Mehmet H. den Betrieb, organisierte die Arbeitszeiten, bestellte die Warenlieferung, verteilte die Lieferaufträge, stellte Leute ein, gestaltete den Werbeflyer einschließlich Preisangaben. &bdquo;Er war eigentlich ständig im Laden“, sagten mehrere Zeugen. &bdquo;H. erledigte alle Aufgaben eines Geschäftsführers“, schlussfolgerte die Staatsanwältin aus den Aussagen. &bdquo;Mein Mandat war nur das Gesicht des Ladens, weil er sich auskannte, weil er das konnte“, sagte Verteidiger Lindemann. Jeder wisse doch, ein Geschäft laufe nicht nur durch seine Führung, sondern durch seine Beschäftigten, sagte er. Der 42-jährige H. habe diese Kenntnisse in der Zeit erworben, als er sechs Imbisse verantwortlich geführt habe, darunter auch einen in Preußisch Oldendorf. Die führte er aber 2016 in die Insolvenz. Was Zeugen über "den Opa" sagten Lindemann stützte sich zudem darauf, dass manche Zeugen ausgesagt hätten, der ehemalige Imbiss-Inhaber Peter K., &bdquo;der Opa“, der an der Thekenecke seine Biere trank, habe auch Mitarbeiter angewiesen, Leute eingestellt. Andere wollten ihn jedoch gar nicht gesehen haben, der sei immer in Büro gewesen. Aussagen wie diese seien nicht glaubwürdig, die Zeugen hätten widersprüchliche Aussagen gemacht, sagte die Staatsanwältin. &bdquo;Zeugen sind das schlechteste Beweismittel,“ pflichtete ihr der Verteidiger bei. Auch das Gericht hatte seine Zweifel, nahm aus manchen Aussagen sogar mit, dass in einigen Fällen vom Angeklagten Druck ausgeübt worden sein dürfte. Wie der Richter das Urteil begründet Für den Vorsitzenden Richter und die beiden Schöffinnen stand nach 30 Stunden teils zähflüssiger Verhandlung und 30-minütiger Beratung fest: Mehmet H. war der wirkliche Geschäftsführer, auch wenn er das zu verschleiern versucht habe. Und damit sei er allein verantwortlich. Die Höhe der Strafe begründete das Gericht mit einer einschlägigen Vorstrafe, der Dauer der Veruntreuung, dem kostensparenden, aber rechtswidrigen System eines fast ausschließlich auf Minijob-Beschäftigten bestehenden und mangels irgendwelcher arbeitsrechtlicher Unterlagen – keine Arbeitsverträge, eine undurchsichtige Stundenabrechnung, Löhne in bar ausgezahlt.

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