Landratswahl in Minden-Lübbecke: Schrader setzt auf Kontinuität, Dogan auf Vernetzung

Kreis Minden-Lübbecke. Warum wollen sie Landrat werden? Was qualifiziert sie? Welche Schwerpunkte wollen sie setzen? Antworten auf diese und weitere Fragen erhielten die Gäste - vor allem aus Wirtschaft und Politik - am Donnerstagabend in Barres Brauwelt in Lübbecke. Dorthin hatte die IHK Minden-Lübbecke die drei zugelassenen Kandidaten für die Landratswahl am 15. Januar 2023 eingeladen: Jörg-Michael Schrader (CDU), Ali Dogan (SPD) und Thomas Röckemann (AfD). Das bewährte Frage-Team, Christoph Barre (Brauerei Barre) und Daniela Drabert (Kaufhauskette Hagemeyer) wurde dieses Mal ergänzt von Ulf Kattelmann (Kadeco Sonnenschutz) und sprach von Anfang an auch heikle Themen an. Als es beispielsweise um die Energiekrise und die Frage ging, ob der Mühlenkreis sich selbst ausreichend mit Energie versorgen könnte, blieben Schrader ("Wir hätten die Möglichkeit.") und Dogan ("Wir können nie energieautark werden.") sachlich. Eine Milliarde Euro für frühkindliche Erziehung Anwalt Röckemann hingegen sagte, es gebe zu viele Menschen im Kreisgebiet, die zu viel Energie brauchten. Dabei bezog er sich auf Zugewanderte und forderte eine "Abschiebe-initiative". Dogan wollte das nicht unwidersprochen lassen und konterte: "Ich würde es unterstützen, wenn Menschen wie Herr Röckemann ausgewiesen würden." Als Wunsch an die Landesregierung im Zusammenhang mit Energiepreisen sagte Dogan, dann wieder sachlich, die beschlossenen Hilfs-Pakete sollten umgesetzt werden. Kreis-Kämmerer Schrader schloss sich dieser Aussage an. Und Röckemann äußerte eine hinlänglich bekannte AfD-Forderung: "Die Sanktionen gegen Russland sollten schnellstmöglich aufgehoben werden." Erst erwirtschaften, dann verteilen Einen inhaltlichen Schwerpunkt seines Wahlkampfes ließ Dogan durchblicken, als er gefragt wurde, was er mit einer Milliarde Euro machen würde: "In die frühkindliche Erziehung stecken", so der SPD-Kandidat, der auch an anderen Stellen verdeutlichte, wie besonders wichtig ihm dieses Thema ist. So sprach er sich etwa für ein verbessertes "Übergangs-Management" aus. Angefangen von der Kita über die Schule bis zur Berufswahl: "Nicht jeder muss studieren." Schrader unterstrich mehrfach die überragende Bedeutung der Wirtschaft und fasste dies so zusammen: "Vor dem Verteilen kommt das Erwirtschaften." Auch das Netzwerk für Ausbildung und Nachwuchsförderung im Mühlenkreis (ZAM) tauchte in mehreren seiner Antworten auch, etwa auf die Frage nach fehlenden Fachkräften. Als größtes Problem einer ländlichen Region wie dem Mühlenkreis nannte er - anders als Dogan ("Ausreichend Pflegeplätze.") - Mobilität. Es sei wichtig, dass es die Minden-Herforder Verkehrsgesellschaft (mhv) gebe. Klinikneubauten finanzielles Risiko Zu den besonders intensiv diskutierten Punkten gehörte die Krankenhausplanung der Mühlenkreiskliniken. Barre sagte einleitend, es handele sich um ein "sehr umstrittenes Thema". Die bisher bekannte Finanzierung bezeichnete er als "Risiko" und er fragte die Kandidaten, ob sie einem Moratorium von drei Jahren zustimmen würden. Röckemann antwortete positiv, da "die Fördermittel nicht mit der Inflation mitgaloppieren". Der CDU-Kandidat wandte sich ebenso klar dagegen ("grundfalsch") und begründete das mit dem vom Kreistag gefassten "Grundsatzbeschluss". Über einen nicht gestellten Förderantrag der MKK auf Mittel aus dem Bundesstrukturfonds II "würden sich andere Antragsteller freuen". Zudem würden sich ohnehin erst 2023 die weiteren Planungen konkretisieren. Planungsleistungen sollen vergeben werden Dogan entgegnete, wer A sage, müsse nicht zwangsläufig auch B sagen. Die MKK könnten angesichts der aktuellen Berechnungen "nicht zwei Krankenhäuser neu bauen". Es gebe Preissteigerungen von bis zu 250 Prozent. Am Ende betrügen die Baukosten eine Milliarde Euro: "Wie sollen wir das finanzieren?" Er plädiere daher für eine "engste Prüfung von Alternativen". Während Röckemann betonte, die eventuell durch höhere Gewerbesteuern entstehenden Belastungen seien "nicht zu bewältigen für unsere Wirtschaft", beharrte Schrader darauf, "Planungsleistungen zu vergeben". In zwei Jahren sehe man dann klarer: "Heute weiß niemand, was dann ist." Termine mit Gesundheitsministern Dem entgegnete Dogan, der Krankenhaus-Strukturfonds solle neu aufgelegt werden. Deshalb wäre es falsch, jetzt "schlechtem Geld weiteres hinterherzuwerfen". Statt einem Moratorium zuzustimmen, wolle er lieber aktiv werden und - falls er als Landrat gewählt werde - eine Minute nach Feststellung des Wahlergebnisses Termine mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) verabreden. In ihren Abschluss-Statements hoben Schrader und Dogan schließlich einen wesentlichen Unterschied zwischen sich hervor und nannten, was sie für wichtig halten. Nach Röckemann ("Die Wirtschaft muss frei sein und darf nicht gefördert werden.") betonte Schrader: "Ich weiß, worauf es ankommt." Er arbeite seit Jahren als Kämmerer im Kreishaus und kenne sich bestens aus. Damit stehe er für "Kontinuität". Wunsch nach sachlichem Wahlkampf Der in Herford geborene Dogan hingegen hält es für vorteilhaft, dass er seit Jahren in Sankt Augustin als Beigeordneter tätig ist und dadurch "über den Tellerrand" hinaus blickt. Während er Kommunikationsdefizite im Mühlenkreis ausmache, sei er sehr gut vernetzt mit Düsseldorf und Berlin und habe "richtig Lust, den Job acht Jahre zu machen". Drei Jahre, weil Ex-Landrätin Anna Katharina Bölling (CDU) vorzeitig nach zwei Jahren nach Detmold gewechselt ist, plus fünf Jahre reguläre Amtszeit. Wie die Begrüßung übernahm Hausherr Christoph Barre auch das Schlusswort. Er bedankte sich bei allen Beteiligten - insbesondere bei den Kandidaten für die anstrengende zweistündige Befragung - und wünschte für den verbleibenden Wahlkampf, er möge "sachlich und konstruktiv" bleiben.

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