Fragwürdige Zustände bei Mindener Burger-King-Filiale? Ehemalige Mitarbeiter packen aus

Minden. Er kommt gerade von einer Raucher- und Toilettenpause zurück in die Küche, erhält direkt die Anweisung, zwei Burger für eine Kundin fertigzumachen. Ohne sich vorher die Hände zu waschen, macht sich der junge Mann an die Arbeit. Beim Belegen greift er immer wieder zu seiner Cola und trinkt. Oder schiebt sich Pommes in den Mund. Diese Szene beschreibt eine ehemalige Mitarbeiterin und nennt es &bdquo;Alltag" bei Burger King in Minden. Jahrzehntelang hat die Frau bei der Fast-Food-Kette gearbeitet, lange auch in der Filiale an der Ringstraße. Mittlerweile hat sie gekündigt – &bdquo;weil ich viele Abläufe mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren konnte", so ihre Darstellung. Die Frau ist eine von vielen ehemaligen Mitarbeitenden, die sich nach einem Aufruf des Mindener Tageblatts in der Redaktion gemeldet haben. Kurz zuvor hatte das &bdquo;Team Wallraff" in einer TV-Sendung auf dem Sender RTL deutschlandweit Missstände in einigen Burger-King-Filialen aufgedeckt. In der Dokumentation geht es um Mäuse in den Küchen, die Burgerbrötchen anknabbern, um mutwillige Manipulation der Haltbarkeiten verschiedener Lebensmittel und um Tricksereien bei veganen beziehungsweise vegetarischen Produkten. Zudem zeigt die Reportage, wie Mitarbeitende massiv unter Druck gesetzt und ausgebeutet werden. Einige der Filialen, die Objekt der Recherche waren, gehören zur sogenannten Burger King Deutschland GmbH. Die Gesellschaft betreibt etwa 110 der insgesamt rund 750 Schnellrestaurants in ganz Deutschland. Darunter auch die Standorte an der Ringstraße in Minden und an der Feldstraße in Porta Westfalica-Barkhausen. Gibt es auch dort kritikwürdige Zustände, die an die Inhalte der TV-Dokumentation anknüpfen? In Barkhausen seien die Umstände annähernd regelkonform, in Minden jedoch mindestens fragwürdig, schildern Angestellte. Das sei jedoch nicht immer so gewesen, die gesetzten Standards sollen erst durch einen Betreiberwechsel eine Veränderung erfahren haben. Burger King selbst sieht keine Missstände. Auch den Behörden sind keine Hinweise darauf bekannt. Das Mindener Tageblatt (MT) hat sich auf eine Spurensuche begeben. Auf dem sozialen Netzwerk Instagram hat die MT-Redaktion kurz nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Burger King einen Aufruf veröffentlicht, um mit (ehemaligen) Angestellten ins Gespräch zu kommen. Dutzende Mitarbeiter haben sich daraufhin gemeldet. Und: Sie alle schildern dieselben Erfahrungen mit dem Restaurant in Minden. Einige haben in der ersten Zeit nach der Eröffnung im Jahr 2000 in der Filiale gearbeitet, berichten sie. Die Hygienestandards und Regeln zu Haltbarkeiten seien damals noch sehr streng gewesen, schreibt eine ehemalige Mitarbeiterin dazu. Sie möchte, wie nahezu alle anderen auch, anonym bleiben. Ihr Name ist der Redaktion aber bekannt. Restaurant-Leitung wechselte vor einigen Jahren So auch der von Brian Fleimann, der von 2006 bis 2009 im Burger King an der Ringstraße gearbeitet hat. &bdquo;Wenn die Burger früher mal länger als zehn Minuten in der Auslage waren, mussten wir die entsorgen", erzählt er. Das sei ein fester Bestandteil der Abläufe gewesen. Burger King habe als Unternehmen sehr hohe Ansprüche an sich selbst gesetzt. Anfangs seien diese noch eingehalten worden, so hätte jede Nacht ein Reinigungsteam das Restaurant gesäubert. Vor einigen Jahren, nach Informationen der Redaktion etwa 2015, wechselte dann allerdings die Leitung des Restaurants. Nach übereinstimmenden Erzählungen verschiedener Mitarbeiter sollen sich damit auch die Standards verändert haben. &bdquo;Das Geld war plötzlich wichtiger als die Qualität", schildert eine Frau, die in mehreren Filialen – darunter Minden und Barkhausen – gearbeitet hat, ihren Eindruck. Während sie in dem Restaurant auf Portaner Stadtgebiet keine schlechten Erfahrungen gemacht hat, offenbart sie Routinen an der Ringstraße, die sie als kritikwürdig empfindet. So würden jeden Morgen alle Haltbarkeiten mit neuen Etiketten verlängert – &bdquo;so lange bis die Tomaten, bis die Soße oder halt das jeweilige Produkt aufgebraucht ist. Sonst würden ja zu viele Lebensmittel weggeschmissen werden", behauptet sie. Der Zustand des Lebensmittels sei dabei zweitrangig, so könne der Geschmack von älterem Gemüse mit etwas mehr Soße neutralisiert werden. Ähnlich sei das beim Fleisch oder älteren Brötchen. Die langjährige Mitarbeiterin, die bereits zu Beginn des Textes zu Wort gekommen ist, bestätigt diese Erzählungen. Sie berichtet zudem ein Problem mit Ungeziefer, dass das Restaurant an der Ringstraße habe. &bdquo;Lebensmittel ziehen Ratten an. Auf dem Hof liegen seit Jahren schon Köder, aber so richtig in den Griff bekommt man das da nicht", sagt sie. Ähnlich ist es mit dem Druck, der auf Mitarbeiter ausgeübt wird. Das Problem sei ebenfalls hinlänglich bekannt. &bdquo;Die Arbeit ist stressig. Ein Beispiel: Pro Kunde hat man im Drive-in eine Bedienungszeit von zweieinhalb Minuten. Frische Wings dauern in der Frittöse aber schon fünf Minuten. Es ist also gar nicht mehr möglich, sich an eigene Standards zu halten", betont sie. Zumal mittlerweile viele Mitarbeiter nicht mehr geschult würden. &bdquo;Es gibt zunehmend Angestellte, die kaum Deutsch sprechen. Wie sollen die sich an die Regeln halten, wenn sie diese gar nicht verstehen?", fragt die Frau und führt das auch als Grund zunehmender Ausbeutung an. &bdquo;Die Schichten dauern zum Teil zwölf Stunden. Menschen, die ursprünglich nicht aus dem Land kommen, kennen ihre Rechte nicht. Sie wissen nicht, dass sie eine Pause machen müssen und gar nicht so lange arbeiten dürfen." Ihrer Meinung nach müsste das Burger-King-Konzept überdacht werden: &bdquo;Der Kunde muss über dem Profit stehen, sonst wird das in Zukunft nicht besser." Teilweise bekommen die Gäste die desolaten Zustände mit. Das zumindest geben sie auf eine MT-Umfrage hin an. Um die 100 Menschen haben Nachrichten zu ihren Erfahrungen in Minden und Barkhausen geschickt. Und während der Großteil mit der Qualität des Essens und des Services in Barkhausen zufrieden ist, wird erneut Kritik an der Filiale in Minden laut. In vielen Fällen schreiben Leserinnen und Leser von Magenverstimmungen. Zweifelsfrei nachzuweisen ist ein Zusammenhang mit einem Essen in der Filiale allerdings nicht. Unterdurchschnittliche Bewertungen bei Google Ebenfalls ist oft davon die Rede, dass anstatt der veganen oder vegetarischen Alternativen normales Fleisch im Burger oder in den Nuggets gewesen sei. Das hatte die TV-Dokumentation ebenfalls herausgefunden und als Einsparungsmaßnahme bezeichnet. Mitarbeiter bestätigen das, die Kunden ärgern sich. &bdquo;Ein Mann an der Kasse meinte zu mir, dass Huhn kein Fleisch sei und ich mich nicht so anstellen soll", kritisiert ein Leser. Auch in Google-Bewertungen ist von solchen Vorfällen zu lesen. Immerhin: Bei 1.850 Rezensionen kommt das Restaurant an der Ringstraße noch auf. Auf eine Anfrage der MT-Redaktion reagiert das Unternehmen mit der vorgefertigten Stellungnahme, die bereits auf der Homepage veröffentlicht ist. Auf die Vorwürfe geht die Kommunikationsabteilung nicht konkret ein, schickt nur Sätze wie: &bdquo;Burger King hat mit die strengsten internen Standards im Bereich der Systemgastronomie. Unsere Standards gehen sowohl über gesetzliche Anforderungen als auch über branchenübliche Vorgaben hinaus." Über eine Sprecherin heißt es zudem, dass die &bdquo;aktuell medial diskutierten Verhältnisse auf die allermeisten Restaurants keineswegs zutreffen". Die Filialen in Minden und Barkhausen seien erst im September überprüft worden. Diese Kontrolle sei bestanden worden, entsprechend seien beide Läden weiterhin geöffnet. Die generellen Vorwürfe – deutschlandweit wie im Kreis Minden-Lübbecke – würden dennoch geprüft. Dazu soll eine externe Hotline eingerichtet werden, über die Mitarbeitende ihre Erfahrungen schildern können. &bdquo;Dort können Informationen zu etwaigen Missständen mitgeteilt werden, sodass entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können", so die Sprecherin. Angesprochen auf die Ratten-Plage in Minden bestätigt sie im Übrigen das Problem. Ursächlich dafür seien die unmittelbare Nähe zum Mittellandkanal, die Fressnapf-Filiale an der Stiftstraße und die geografische Lage an einem Industriegebiet. &bdquo;Zur regelmäßigen Kontrolle des Restaurantumfeldes auf Schädlingsbefall ist jedoch eine Fachfirma beauftragt. Diese kontrolliert mindestens einmal im Monat das Restaurant und wird zudem bei Bedarf sofort gerufen." Die zuständige Lebensmittelaufsichtsbehörde ist innerhalb der Kreisverwaltung angesiedelt. Sie hat keine Kenntnisse zu Beschwerden über beide Filialen, informiert Pressesprecherin Dagmar Selle. Zustände wie in der TV-Reportage seien nicht behördlich dokumentiert. &bdquo;Wenn bei den Routinekontrollen irgendwelche Mängel festgestellt wurden, wurden diese in angemessenem zeitlichen Rahmen abgestellt." Bei Kontrollen würden Räume wie die Küche, das Lager, Toiletten und Co. besichtigt. Zudem geht es um die Dokumentation von Desinfektionen, Temperaturen und Warenhaltbarkeiten. Bislang sei da nichts Auffälliges festgestellt worden. Gewerkschaft weiß von Problemen Ähnlich äußert sich die Verbraucherzentrale in Minden, der ebenfalls keine Beschwerden bekannt sind. Das erklärt Leiterin Ursula Thielemann, die versichert, dass die Gastronomie in der Arbeit der Verbraucherzentrale einen besonderen Fokus erfährt – auch wenn nicht selbst geprüft werde. Dass keine Beschwerden bekannt sind, ist wenig aussagekräftig. So zeigen Marktforschungen, dass nur die wenigsten Kritikfälle auch an offizielle Stellen weitergetragen werden. Die Hemmschwelle und der Aufwand seien oftmals zu groß. Die Probleme von Burger-King-Mitarbeitenden sind für die zuständige Gewerkschaft Nahrung- und Genuss- Gaststätten keine Neuigkeit, wie NGG-Sprecher Mark Baumeister betont. &bdquo;Uns sind Probleme bei der Einarbeitung neuer Beschäftigter bekannt. Außerdem viele Probleme bei der tariflichen Eingruppierung der Beschäftigten. Arbeitszeiten werden oft kurzfristig geändert, Ruhe- und Höchstarbeitszeiten nicht eingehalten." Konkrete Angaben zu Minden und Barkhausen kann er nicht machen. Das Vorgehen in Niedriglohnbranchen sei oft dubios. So habe er schon oft davon gehört, dass Mitarbeitende genötigt werden, Haltbarkeiten zu verlängern. Er rät, sich Hilfe zu suchen – über die Gewerkschaft oder einen Betriebsrat. 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