Experten bewerten Ausstieg des Lebenspartners der Polizistin aus Porta

Minden/Porta Westfalica. Nur sein Profilbild hat sich nicht verändert. Ansonsten hat er aufgeräumt. Noch vor ein paar Wochen war sein Profil im sozialen Netzwerk Instagram voller Aufnahmen aus seinem Leben: Hier ein Bild beim Kickboxen, da ein Selfie mit Pullover eines rechtsextremen Musiklabels. Zwischendurch ein Video, das Hund &bdquo;Bronson“ beim Angriffstraining zeigt. Jetzt ist seine Vergangenheit gelöscht – zumindest die digitale. Ob der Bruch mit dem Spektrum auch im richtigen Leben gilt, ist fraglich. Experten, die sich den Sachverhalt fürs Mindener Tageblatt (MT) genauer angeschaut haben, sind von seinem Ausstieg nicht überzeugt. &bdquo;Er“ ist der Lebensgefährte einer Polizeikommissarin aus Porta Westfalica. Ihre Liebesbeziehung ist vor ein paar Wochen durch eine Recherche des antifaschistischen &bdquo;Recherche Kollektiv Ostwestfalen“ öffentlich geworden. Die Liaison einer Beamtin der Polizei Hannover mit einem verurteilten Neonazi hat sich in Deutschland wie ein Lauffeuer verbreitet. Das niedersächsische Innenministerium und die Polizeidirektion untersuchen den Sachverhalt. Hinweise auf ein Fehlverhalten der Kommissarin gibt es nicht. Ihre Jobs als Diensthundeführerin und in der Öffentlichkeitsarbeit als &bdquo;Insta-Cop“ ist die Endzwanzigerin dennoch los, ebenso wie Diensthund &bdquo;Kenai“. Sie wird bis auf Weiteres in sachbearbeitender Funktion eingesetzt. Verurteilt aufgrund Straftaten mit Gleichgesinnten Neben der Kommissarin ist auch ihr Lebensgefährte in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Laut des Kollektivs ist er ein &bdquo;seit Jahren regional bekannter und gewaltbereiter Neonazi“, so die Formulierung der Autoren. Nachweislich hatte er mit Gleichgesinnten 2010 den &bdquo;Hamburger Hof“ in Minden gestürmt. Ein Mensch wurde dabei verletzt, die Einrichtung zerstört. Das Landgericht Bielefeld verhängte Geldstrafen gegen den Portaner und acht weitere Männer aufgrund gemeinschaftlicher Sachbeschädigung. In den Folgejahren soll sich der Mann nach dem MT vorliegenden Informationen weiter in rechtsextremen Kreisen bewegt haben, etwa 2014 als er sich im Rahmen einer Kundgebung des Spektrums als Ordner engagiert. Laut den Kollektiv-Autoren soll er auch an der Gründung des Stützpunktes Hermannsland der Neonazi-Kleinstpartei &bdquo;Der III. Weg“ beteiligt gewesen sein. Beweise dafür liefern sie aber nicht. Zuletzt ist es um den Lebensgefährten der Polizistin aber ruhiger geworden. Öffentlich ist er seit Längerem nicht mehr bei politisch motivierten Aktivitäten aufgefallen. Die zumindest mittelbare Nähe zur rechtsextremen Szene hat der Mann inzwischen auch aus seinem Instagram-Profil entfernt. Sein Account war bis zu den Vorwürfen öffentlich einsehbar, ist inzwischen auf privat gestellt. Nur noch seine Kontakte haben Einblick. Zuvor war der Mann aber aktiv in dem Sozialen Netzwerk. Neben vielen szenetypischen Bildern tauchten auf seinem Profil einige Kommentare von bekannten Rechtsextremen aus der Region auf. Er selbst geizte nicht mit &bdquo;Gefällt mir“-Angaben bei den Beiträgen des Mindener Neonazis Marcus W. Das ist zwar inzwischen alles gelöscht und öffentliche Veranstaltungen des rechtsextremen Spektrums werden offenbar auch gemieden, ein Ausstieg aus der Szene sieht aber dennoch anders aus, findet ein Sprecher von &bdquo;Nina NRW“. Das ist ein Projekt, das auf den Ausstieg aus der Szene spezialisiert ist und Hilfesuchende unterstützt. Der Mann sagt: &bdquo;Unter Berücksichtigung der öffentlich verfügbaren Infos kann in dem Fall nicht von einem Rückzug oder Ausstieg aus der rechten Szene gesprochen werden.“ Dieser Ansicht waren zuletzt auch verschiedene Szenekenner. So stellte etwa Kriminologe Dr. Martin Thüne klar: &bdquo;Ein Ausstieg nach allen Regeln der Kunst sieht anders aus. Zwar gibt es auch so etwas wie ein Ausschleichen, wer aber weiterhin mit Menschen aus der rechtsextremen Szene Kontakt hat, dem ist ein Ausstieg kaum möglich.“ Ähnlich argumentierte eine Sprecherin der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus OWL. Die Ruhe vor dem Sturm? Tiefergehend ordnet der &bdquo;Nina NRW“-Experte den Fall ein: So sei es keine Seltenheit, dass rechte Akteure in der Jugend und in jungem Erwachsenenalter aktiv in der Szene sind, mit der Familiengründung oder dem Arbeitsalltag aber &bdquo;ruhigere“ Phasen einsetzen – &bdquo;die sind aber nicht mit einer Distanzierung gleichzusetzen“, betont der Sprecher. Ein Extrembeispiel hierfür sei der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der Rechtsextremist war &bdquo;vor der Tat deutlich weniger aktiv in der Szene, die rechtsextremen Einstellungen behielt er aber bei und setzte sie letztendlich auf radikale Weise in seiner Tat um“, erklärt der Experte. Es dürfe nie der Fehler gemacht werden, von einem Rückzug auf einen Ausstieg zu schließen. Der erste Schritt und oberste Priorität dafür sei die Beendigung jeglicher Engagements in und für die Szene. &bdquo;Das gilt uneingeschränkt ebenso für die digitale Sphäre“, erklärt der Sprecher vor allem mit Blick auf die Aktivität bei Instagram. Darüber hinaus verlaufe jeder Ausstieg individuell. &bdquo;Die Schritte sollten sinnvollerweise auch an die jeweilige Situation angepasst werden.“ Was aber für alle gelte ist, dass ein &bdquo;richtiger“ Ausstieg ein sehr langwieriger Prozess sei, &bdquo;der einige Schritte umfasst, die von den Aussteigern aktiv mitgestaltet werden“ muss. Die Anlässe, die am Anfang eines solchen Prozesses stehen, würden sich oft ähneln. Beispielsweise die Enttäuschung über Nicht-Einhalten der eigenen Ideale innerhalb der Szene oder drohende Sanktionen wie Jobverlust oder Haftstrafe. &bdquo;Oder auch einfach das Gefühl, dass etwas falsch ist, können erste Irritationen auslösen, die dann begleitet in einen Ausstiegswunsch münden“, so der Sprecher. Langer Weg zum Ausstieg aus der Szene Der sich anschließende Prozess umfasse die physische Distanzierung von extrem rechter Aktivität, die etwa Demo-Teilnahmen, den Kontakt zur Szene und das Tragen von Szenekleidung, Symbolen oder Tattoos beinhalte. &bdquo;In der Regel muss eine lebensweltliche Neuorientierung erfolgen, die langwierig ist und aktive Mitwirkung erfordert. Selbstverständlichkeiten und Überzeugungen werden infrage gestellt, neue Kontakte müssen etabliert und andere Formen der Alltagsgestaltung gefunden werden“, wird der Sprecher konkreter. Darüber hinaus bedeute ein Ausstieg die kritische Auseinandersetzung mit den vertretenen Einstellungen, einen Verzicht auf Gewalt und die Verantwortungsübernahme für vergangenes Verhalten. Ist eine Person nicht bereit, Früheres beziehungsweise die ehemalige Ideologie aufzuarbeiten und abzuschließen, kann ein Ausstieg scheitern – natürlich ebenso bei einer Wiederaufnahme der Szeneaktivität. Für das Projekt &bdquo;Nina NRW“ gibt es beim Ausstieg nur ein ganz oder gar nicht. &bdquo;Ein Verbleiben in den Strukturen des Spektrums oder die Weiterführung von Kontakten mit extrem rechten Akteuren ist mit einem Ausstieg nicht vereinbar“, sagt der Sprecher mit Nachdruck. Auch wenn Ausstiegs- und Distanzierungsprozesse unterschiedlich verlaufen, gebe es Standards, die erfüllt werden müssen. Dazu gehöre vor allem, sich für eine Lebensweise zu entscheiden, &bdquo;die mit den Grundwerten von Demokratie und Pluralität vereinbar ist, und den Verzicht auf Gewalt beinhaltet“. Konkrete Zahlen zu Aussteigern in Nordrhein-Westfalen oder gar Ostwestfalen-Lippe liegen dem Experten nicht vor. &bdquo;Als zivilgesellschaftliche Beratungsstelle haben wir keinen Zugang zu sicherheitsbehördlichen Mitteln. In der Regel erhalten wir aber über offen zugängliche Informationen Kenntnis über Wiederaufnahme von Szeneaktivität“, erläutert der Sprecher. Bei abgeschlossenen Beratungsfällen sei das aber eine absolute Ausnahme. Ob der Lebensgefährte der Polizeikommissarin aus Porta Westfalica ein Aussteigerprogramm durchlaufen hat, ist unklar. Das nordrhein-westfälische Innenministerium, in dem auch der Verfassungsschutz organisiert ist, gibt auf Anfrage der Redaktion keine Information zu seiner Person.

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