Lübbecke. Nachdem sich die CDU-Fraktion und Herbert Vollmer als sachkundiger Bürger der Grünen kritisch zu einem Vorschlag der Verwaltung im Zusammenhang mit der Stadthalle geäußert haben, meldet sich nun auch die Ratsfraktion der Grünen zu Wort. Die Verwaltung stelle dem interfraktionellen Antrag von Ende September, in dem sich alle im Rat vertretenen Parteien und Wählergemeinschaften für einen „ergebnisoffenen“ Informations- und Diskussionsprozess (Phase Null) ausgesprochen hätten, einen Ratsbürgerentscheid entgegen.
„Ich unterstelle keinesfalls fehlende Kenntnisse über die Phase Null. Schließlich will man sie beim pädagogischen Schulbau ja anwenden“, meint die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christiane Brune-Wiemer. Die Argumentation der Verwaltung sei aber „fadenscheinig“ und der Zeitpunkt für dieses Verfahren „völlig übereilt“. Das von allen Parteien beantragte Beteiligungsmodell Phase Null „erübrigt sogar einen Bürgerentscheid“, so Brune-Wiemer.
Grüne: Argumentation der Verwaltung fadenscheinig
Wie es zu dem fraktionsübergreifenden Antrag im Herbst vergangenen Jahres gekommen ist, beschreibt Brune-Wiemer so: Auf ihre Anregung hin hätten sich am 7. September 2021 die Fraktionsspitzen aller Parteien des Lübbecker Stadtrates getroffen. Zum Thema „Stadthalle – Neubau oder Sanierung?“ habe sie den Geschäftsführer von Baukultur NRW e.V. zu einem Austausch eingeladen. Im Mittelpunkt des Gespräches habe die sogenannte „Phase Null“ als ein bedeutendes Element zur Vorbereitung von Bauplanungen gestanden. Der Impuls zum vorliegenden interfraktionellen Antrag, dem die Verwaltung ihren Vorschlag von einem Ratsbürgerentscheid entgegensetzt, sei unmittelbar im Anschluss an dieses Treffen entstanden.
Phase Null ist Brune-Wiemer zufolge die Schnittstelle zwischen Architektur und Gesellschaft – konkret: zwischen Verwaltung, Politik und Gesellschaft. In einem offenen Austausch zwischen allen Beteiligten werde nach der besten Lösung gesucht, die zugleich auch zukunftsfähig sein sollte. Vereine, Wirtschaft, Handwerk, Bürger, Schüler etc. erarbeiteten zusammen die Ausgangsbasis für die weiteren Planungen.
Brune-Wiemer: Bürgerfrage absolut suggestiv
Brune-Wiemer: „Man lernt die Fakten und den Ort kennen. Wer war denn schon mal im Untergeschoss der Stadthalle oder hinter der Bühne? Man erfährt die Sichtweisen, Bedürfnisse und Interessen der anderen Teilnehmer. Aus diesem ergebnisoffenen Prozess kann sich gegebenenfalls etwas völlig Neues entwickeln.“ Mitdenken und mithandeln heiße das Motto. Die Phase Null biete unter anderem die Chance, die Stadtgesellschaft zusammen zu bringen.
Neben der von der Verwaltung unberücksichtigten Gruppe der Kinder und Jugendlichen kritisieren die Grünen, dass ein Bürgerentscheid eine einzige Frage stelle, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden könne. Die Frage „Sind Sie dafür, dass die Stadthalle nicht saniert, sondern im Sinne einer zukunftsweisenden Stadtentwicklung mit multifunktionaler Ausrichtung für Jung und Alt am bisherigen Standort barrierefrei neu errichtet wird?“ bezeichnet Brune-Wiemer als „absolut suggestiv“. Eine sachgerechte Entscheidung sei so nicht zu erwarten. Dafür fehle es an umfassenden Informationen und der notwendigen Auseinandersetzung mit beiden Varianten. Zudem halte sie es bis zum vorgeschlagenen Tag für einen möglichen Ratsbürgerentscheid, 15. Mai, für „unmöglich“ für Abhilfe zu sorgen.
Auch ein Abriss verbraucht Energie
Nicht zuletzt der Klimawandel sorge für ein Umdenken. 60 Prozent des deutschen Abfallaufkommens entstünden im Bausektor. Abbruchmaterialien und Sondermüll spielten dabei noch eine gesonderte Rolle. Auch ein Abriss verbrauche Energie, „ganz zu schweigen von der Energie zur Herstellung von Baumaterialien“, so Brune-Wiemer, die von einer „Revitalisierung“ der Stadthalle spricht.
Die Grünen stünden grundsätzlich für ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung. Der interfraktionell eingebrachte Antrag belege dies. Wer wirkliche Bürgerbeteiligung wolle, „kommt an diesem gemeinsamen Prozess nicht vorbei“.