Die Lübbecker Kneipenmeile verliert jeden dritten Parkplatz - das sind die Gründe

Lübbecke. Nicht alle Mitglieder des Bauausschusses waren am Ende davon überzeugt, dass im Rahmen der geplanten Umgestaltung der Niedernstraße mindestens zehn der 29 vorhandenen Parkplätze eingespart werden sollen. Zumal die wegfallenden Stellflächen laut Bürgermeister Frank Haberbosch "nicht an anderer Stelle ersetzt" werden, wonach Friedrich Schrewe (FDP) sich erkundigt hatte. Vier Lokalpolitiker waren gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung, zwei enthielten sich. Die Mehrheit stimmte jedoch zu, sodass die Verwaltung weiter planen kann, denn: "Die Niedernstraße ist ein städtebaulicher Missstand", wie die Bereichsleiterin Stadtplanung, Karin Schulte, sagte. Aus Sicht von Lübbecke Marketing ist die Umgestaltung der Niedernstraße "absolut wünschenswert, um sie im Erscheinungsbild an die Optik der bereits neu gestalteten Straßen in der Innenstadt wie zum Beispiel Am Markt oder Bäckerstraße anzupassen", sagt Peter Schmüser, Geschäftsführer des örtlichen Marketingvereins. Die Niedernstraße werde voraussichtlich auch in Zukunft einen Mix aus Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen bieten. Eine offenere Gestaltung der Flächen auf der Nordseite würde dabei gerade den Gastronomiebetrieben bessere Möglichkeiten für die Außengastronomie verschaffen. "Nach Eröffnung des Westertors erwarten wir eine bessere Anbindung der Niedernstraße durch einen ebenerdigen Lauf vom Westertor-Parkplatz durch die Niedernstraße und Gerichtsstraße zur Fußgängerzone“, fasst Schmüser auf nw.de-Anfrage zusammen. Robinien und Gingko-Bäume kommen weg Mit etwas anderen Worte hatte das im Bauausschuss Karin Schulte formuliert. Sie sprach davon, dass die Verwaltung eine "andere Funktion und Bedeutung" für die Niedernstraße sieht. Es gehe darum, die Aufenthaltsqualität zu verbessern, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer. Dazu kommen unter anderem die zahlreichen Robinien und die Gingko-Bäume weg. Diese sollen durch "vernünftige Baumquartiere" ersetzt werden, erläuterte Schulte. Angelegt worden war die Niedernstraße einst als Neubaugebiet, um Wohnraum zu schaffen, ist in Chroniken im Stadtarchiv nachzulesen. So ist demnach auch der Name entstanden "nieu strate", neue Straße. Bald darauf siedelten sich kleine Gewerbetreibende und Handwerker in der Niedernstraße an. Um 1864 wohnten dort beispielsweise Lohgerber, Tischler, Drechsler, Klempner, Böttcher, Schneider und Tagelöhner Tür an Tür. Böckmann-Rückseite wie ein Hinterhof Gut 100 Jahre später entwickelte die Niedernstraße sich zur Kneipenmeile. Dessen Hochzeit ist allerdings vorbei, wie sich aus den Erläuterungen der Stadtverwaltung ergibt. So heißt es in der Beschlussvorlage für den Bauausschuss unter anderem: "In der Vergangenheit war die Niedernstraße im westlichen Bereich insbesondere durch einen Mix an gastronomischen Betrieben geprägt. Insbesondere in den Sommermonaten wurde die Kneipenmeile zwischen Gerichtsstraße und Wallstraße für den Kfz-Verkehr gesperrt, um den Gastwirten mehr Raum und Ambiente für Außenbewirtung zu ermöglichen. Das gastronomische Angebot hat in den letzten Jahren allerdings deutlich an Qualität und Quantität verloren." Im östlichen Abschnitt der Niedernstraße finde man in der Erdgeschosszone eine Mischung aus Dienstleistungsbetrieben und Arztpraxen. Eine Entwicklung zur Geschäftsstraße mit durchgehendem Einzelhandelsbesatz habe nie stattgefunden "und wird sich auch in der Zukunft hier nicht entwickeln". Die Niedernstraße im momentanen Zustand entspreche nicht einem modernen Gestaltungsprinzip und einer gut begehbaren Oberfläche. Dazu vermittele besonders die Südseite aufgrund der Rückfront des Modehauses Böckmann, den Garagenzufahrten und den Standorten der Müllgefäße mehr den Eindruck eines "Hinterhofes". Zudem werde die Straße durch die Vielzahl von Stellplätzen auf beiden Seiten und den damit verbundenen Parkvorgängen sehr "vom Pkw-Verkehr dominiert", so die Verwaltung. Deshalb will sie der Straße im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) ein neues und attraktives Gesicht geben. Dies soll auch private Investitionen an den Gebäuden fördern. Beschluss vor Anliegerversammlung Die Umgestaltung der Niedernstraße gehörte "von Beginn an zum ISEK-Plangebiet", erläutert Stadt-Sprecher Andreas Püfke auf Nachfrage und verweist auf Sitzungen von Bauausschuss und Stadtrat aus den Jahren 2013, 2014 und 2018. Die CDU-Fraktion hätte es lieber gesehen, wenn es vor der Beschlussfassung zum Wegfall der Parkplätze eine Anliegerversammlung gegeben hätte. Das sahen Verwaltung und die Mehrheit der Ausschussmitglieder anders. Da es im vorliegenden Fall ein "übergeordnetes städtisches Interesse an der Neuplanung" gebe, sei eine Beschlussfassung vor einer Anliegerversammlung sinnvoll, hieß es. Die ist erfolgt.

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