Corona-Demo hat Folgen für Pfleger: "Schlafe auf Covid-Station fast ein"

Lübbecke/Damme. Die Protestaktion von Corona-Gegnern am Samstag, 16. Januar, in Lübbecke hat ein Nachspiel für einen Krankenpfleger des Krankenhauses Damme. Der Mann nahm an dem "Spaziergang" der Corona-Kritiker teil und äußerte sich in einem Youtube-Video während einer Live-Schalte kritisch gegenüber den Maßnahmen der Politik. Er sagte, dass er in Nachtschichten auf der Covid-Station seines Krankenhauses aufpassen müsse, nicht einzuschlafen, weil es nichts zu tun gebe. Deswegen habe er ein Plakat für die Demo angefertigt. Das Video mit den Aussagen des Krankenpflegers schlug hohe Wellen im Internet. Der rechte Youtuber Matthäus Westfal aus Hüllhorst streamte die Protestaktion live im Internet und schnitt die Passagen aus dem Live-Interview zu einem separaten Video zusammen. Auf der Videoplattform Youtube ist die Passage inzwischen auf "privat" gestellt, auf Telegram nahmen mehr als 95.000 User diese Aussagen wahr. In den Kommentaren erhält der Pfleger Lob für seinen "Mut". Was das Krankenhaus sagt Der Pfleger behauptet auch, dass es zu Beginn der Pandemie in seinem Krankenhaus im niedersächsischen Landkreis Vechta nicht mit rechten Dingen zugegangen sei und er alle Infos zu Corona aus den Medien erhalten habe. Er persönlich habe erfahren, wie massiv in den sozialen Medien zum Thema Corona zensiert werde und sagte: "Wenn wir nicht als Volk etwas tun, wird das nicht wieder normal werden. Wir müssen einschreiten, Leute auf die Straße bringen und mobilisieren." Der Geschäftsführer des St. Elisabeth-Krankenhauses Damme, Ralf Grieshop, zeigte sich von den Aussagen des jungen Pflegers überrascht und teilt auf nw.de-Anfrage mit: "Von Verschwörungstheorien und unzulässigen Vergleichen von Covid-19 mit anderen Krankheiten distanzieren wir uns ausdrücklich." Gleichzeitig nehme er auch die Sorgen und Nöte seiner Mitarbeiter ernst: "Deshalb haben Pflege- und Stationsleitung zunächst das vertrauliche Gespräch mit dem jungen Mitarbeiter gesucht." "Personal geht bis an die Grenze des Möglichen" In dem Gespräch habe der Pfleger seine Aussagen sehr glaubhaft bedauert und sich dafür ausdrücklich entschuldigt, so Grieshop. "Er hat die Tragweite des Gesagten nicht erkannt und distanziert sich inzwischen davon." Arbeitsrechtliche Folgen wie eine Kündigung muss der 22-Jährige vorerst nicht befürchten, allerdings wird der Pfleger versetzt. "Er wird künftig in anderen Bereichen unseres Hauses eingesetzt, die Notwendigkeit für weitere Konsequenzen sehen wir zum derzeitigen Zeitpunkt nicht", erläutert der Geschäftsführer. Diese Entscheidung habe man im Einvernehmen miteinander getroffen, "weil wir gemeinsam davon überzeugt sind, dass das auch im Sinne des jungen Kollegen ist". Wie das Dammer Krankenhaus mitteilt, arbeitet das Personal bis an die Grenze des Möglichen, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen und den unter der Krankheit leidenden Menschen zu helfen. Zu Spitzenzeiten der Pandemie sei die Station für die Covid-Patienten zu 110 Prozent ausgelastet gewesen, die Intensivstation zu 125 Prozent, davon musste die Hälfte der Patienten beatmet werden. Derzeit habe sich die Lage leicht entspannt, das Krankenhaus sei aber jederzeit auch wieder auf einen Anstieg der Patientenzahlen vorbereitet. "Täglich sterben bei uns drei bis vier Menschen an Covid" Auch andere Verantwortliche der Krankenhäuser in der Region rieben sich angesichts der Aussagen des Mannes verwundert die Augen. "Die Situation bei uns auf den Intensiveinheiten ist sehr angespannt. Es werden bis zu 30 Covid-Patienten gleichzeitig auf den Intensivstationen behandelt und beatmet", erklärt Christian Busse, Sprecher der Mühlenkreiskliniken. Im Mindener Johannes Wesling Klinikum seien zweieinhalb von fünf Intensivstationen als Covid-Stationen umgebaut. "Die Pflege der beatmungspflichtigen Patienten ist enorm aufwändig. Täglich sterben bei uns drei bis vier Menschen an Covid", sagt Busse. Auch der Ärztliche Direktor am Klinikum Herford, Jan Kähler, berichtet, dass die Arbeit mit den Covid-Patienten weiterhin sowohl körperlich als auch psychisch belastend sei. In Herford liegen derzeit neun Covid-Patienten auf der Intensivstation, in der Regel mehrere Wochen und Monate lang. Staatsschutz ermittelt Wie berichtet, trafen sich am 16. Januar etwa 35 vermummte Corona-Gegner und zogen gemeinsam in weißen Anzügen durch die Lübbecker Innenstadt. Auch Thomas Röckemann, Landtagsabgeordneter der AfD aus Minden, tauchte dort auf. Polizei und Staatsschutz ermitteln seit dem, auch weil die Gruppe sich am 9. Januar unangemeldet zu einer ersten Aktion in Lübbecke traf. Inzwischen äußerte sich die Initiative "Lübbecke zeigt Gesicht für Demokratie, Vielfalt und Respekt" und distanzierte sich von solchen Aktionen, die Angst und Schrecken in der Stadt verbreiten würden.

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