Lübbecke Lübbecker Meteorologe: Corona-Krise ist Chance für aktivere Klimapolitik

Lübbecke. Von seinem Kollegen, dem Meteorologen und TV-Moderator Sven Plöger, stammt der Vergleich, Corona sei über die Menschen gekommen wie ein Meteoriteneinschlag. In diesem Bild bleibt der Lübbecker Diplom-Meteorologe Friedrich Föst, verheiratet mit der Psychologin Barbara Föst und Vater von drei Kindern, wenn er über den Klimawandel spricht. Nur dass der nicht plötzlich auftrete, sondern schleichend. &bdquo;Aber er ist präsent“, sagt Föst, &bdquo;auch hier im Mühlenkreis“. Föst, der meistens von zu Hause aus für die Berliner Meteogroup arbeitet, ist viel unterwegs. Er beobachtet eine Häufung von Wetterextremen, Hitze- und Regen-Rekorde, aber auch, was sich am Boden abspielt. Und was er sieht, besorgt ihn sehr: &bdquo;Man muss sich nur die vertrockneten Bäume im Wiehengebirge ansehen. Die Fichte stirbt aus, im Feuchtgebiet nördlich von Hille sterben die Birken ab, die Linden am Wilhelmsplatz in Lübbecke, eine heimische Baumart, zeigen Trockenschäden.“ Auch die Landwirte hätten kaum noch normale Ernten. &bdquo;Das ist eine Katastrophe“, sagt der 43-Jährige: &bdquo;Und die ist sichtbar.“ Mensch hat Einfluss auf das Klima Dass er nicht übertreibt, belegt er mit Daten von der Wetterstation in Rahden, die er ausgewertet hat, streng wissenschaftlich, im 30-Jahres-Vergleich. Danach hat sich die Temperatur in den vergangenen drei Jahrzehnten um 0,8 Grad erhöht. &bdquo;Bis sich die Temperatur um ein Grad erhöht, dauert es normalerweise mehrere tausend Jahre.“ Das allein zeige, welch großen Einfluss der Mensch auf das Klima habe. Als Grund nennt Föst den viel zu hohen Ausstoß von Kohlendioxid, kurz CO2: &bdquo;Darin sind sich 99 Prozent der Wissenschaftler einig.“ Und was folgt daraus? Grundsätzlich wichtig ist ihm, dass der Klimaschutz und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen &bdquo;kein Thema der Grünen, sondern aller Parteien“ sein sollte. Die Konzentration steige nämlich global weiter. Seit dem coronabedingten Lockdown seien als Folge zwar fünf bis sechs Prozent weniger CO2 gemessen worden. Aber um die 2015 in Paris festgelegten Klimaziele zu erreichen – unter anderem eine Begrenzung der Erderwärmung von unter zwei Grad – müssten wir &bdquo;mindestens 7,6 Prozent jedes Jahr einsparen“, rechnet er vor. Regionale Lebensmittel vom Wochenmarkt Familie Föst versucht auf ihre Weise, zum Klimaschutz beizutragen. In bescheidenem Umfang, wie der Meteorologe einräumt und erklärt, seine Frau würde in einem solchen Fall von &bdquo;kognitiver Dissonanz“ sprechen: &bdquo;Obwohl wir wissen, dass es falsch ist, tun wir es und reden es uns schön.“ Gleichwohl gehen die Kinder zu Fuß zur Schule, fahren alle fünf viel Fahrrad, kaufen auf dem Lübbecker Wochenmarkt regionale Lebensmittel ein. Wenn das Autofahren unumgänglich ist, steht ein 23 Jahre alter Volvo bereit. Friedrich Föst ist ohnehin kein Freund von Moralpredigten und Zwang. Worte wie Klimanotstand, selbst Klimamanager seien negativ belegt: &bdquo;Das führt zu Blockaden.“ Die Menschen brauchten Positives, das sie motiviere, meint er und spielt auf regenerative Energien an, für ihn der &bdquo;Impfstoff gegen den Klimawandel“. Große Hoffnung setzt er in die deutsche Ingenieurskunst, begleitet von finanzieller Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs, von Solarzellen auf Hausdächern, Bürgerbeteiligung an Windparks und anderem mehr. Gerade weil Corona den Klimaschutz in den Hintergrund dränge und wenig bis gar nichts passiere: &bdquo;Dahin müssen die Finanzströme umgeleitet werden.“ »Wer emittiert, muss zahlen« Was ihm missfällt, ist der Versuch der Politik, die Bürger mit kleinem und mittlerem Einkommen finanziell zu hoch zu belasten. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer etwa treffe vor allem Berufstätige, die pendeln müssten. Gegen eine Kohlendioxid-Steuer hingegen hätte er nichts einzuwenden: &bdquo;Wer emittiert, muss zahlen.“ Aber nicht, wie aktuell praktiziert: Für den Ausstoß einer Tonne CO2 würden 25 Euro fällig, für Föst ein &bdquo;symbolischer Preis“, da der von &bdquo;Scientists for Future“ ermittelte Schaden durch eine Tonne Kohlendioxid 180 Euro betrage: &bdquo;So bringt das nichts.“ Zudem verbrauchten die Menschen mehr Ressourcen als die Erde habe. Gleichwohl ist Föst optimistisch: &bdquo;Die Politik hat richtigerweise schnell und hart auf das Coronavirus reagiert.“ Das erwartet er von den politisch Verantwortlichen nun auch in Sachen Klimaschutz. Seinen Kindern brenne das Thema unter den Nägeln: &bdquo;Sie werden die Folgen spüren und müssen unsere Fehler korrigieren.“ So weit, hofft er, kommt es nicht. Die Schülerbewegung &bdquo;Fridays for Future“ etwa verdiene moralische Unterstützung. Das Engagement der Jugendlichen betrachtet er, bei aller berechtigten Kritik an Greta Thunberg, als &bdquo;große Leistung“. »Wir haben es selbst in der Hand« Seine letzte Bemerkung möchte Friedrich Föst als Appell verstanden wissen: &bdquo;Bremser wie die Präsidenten der USA und Brasiliens geben bei Welt-Klimakonferenzen die Richtung vor und trampeln auf den Schutzinteressen der Mehrheit herum.“ Das akzeptiert er nicht und hält entgegen: &bdquo;Wir haben es selbst in der Hand.“ Auch in seiner, etwa bei Vorträgen zum Klimawandel. Den ersten in der Nach-Corona-Zeit hat er schon gehalten, im Gemeindehaus von Bad Holzhausen: &bdquo;Das fehlte mir und hat richtig Spaß gemacht.“

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