Lübbecke. Das Bündnis „Lübbecke zeigt Gesicht" hat in der Stadthalle die Wanderausstellung „Namen statt Nummern" eröffnet. Initiatorin Irmgard Schmidt forderte in ihrer Begrüßungsrede: „Wenn in unserem Land schon wieder antisemitische Hetzreden beklatscht werden, ist es dringend geboten, dass die schweigende Mehrheit Stellung bezieht."
Die Geschichte von Israel Hener geht unter die Haut. 1906 in Krasnik bei Lublin (Polen) geboren, kam der gelernte Sattler zunächst ins KZ Budzyn, später in die KZs Flossenbürg, Dachau und Natzweiler-Struthof. Den Todesmarsch überlebte er. Nachdem er bewusstlos auf freiem Feld in der Nähe von Dachau gefunden worden war, fand er zumindest seinen Bruder wieder.
Seine Frau Rosa und die vier Kinder konnte er nie vergessen, heißt es in seiner Biographie. Für seine Frau und zwei der Kinder hatte Hener ein Versteck angefertigt. Zwei der Kinder waren gegen Bezahlung zu einem Bauern gegeben worden. Doch das Versteck wurde gefunden und die beiden anderen Kinder verriet der Bauer.
Die Erinnerungen an die persönlichen Schicksale wachhalten
Die internationale Wanderausstellung „Namen statt Nummern" erinnert an 17 unterschiedlichen Standorten im Stadtkern und in den Ortsteilen an die Schicksale von Opfern der Nazi-Herrschaft wie Hener. Das Dachauer Gedächtnisbuch-Projekt will damit die Erinnerung an die persönlichen Schicksale von ehemaligen Häftlingen wachhalten. Aus (Gefangenen-)Nummern sollen wieder Namen werden.
Neben den Biografien gibt es auch Hintergrundinformationen über das Projekt selbst. Die Geschichten der Opfer sind durch Betreuer entstanden, die Kontakt zu den Überlebenden oder Angehörigen halten, mit diesen Interviews führen, in Büchern und Archiven recherchieren, die gesammelten Quellen auswerten und schließlich eine Biographie ausarbeiten.
In ihrer Begrüßung forderte Irmgard Schmidt die Bürger auf mehr Zivilcourage zu zeigen: „Viele haben ihr Gesicht schon gezeigt, es müssen aber noch mehr werden." Jeder sollte sich fragen, „ober sich auf Dauer fein raus halten kann oder ob man Paroli bieten muss gegen Fremdenhass." Sie sei davon überzeugt, damit Teil der Mehrheit zu sein. "Wir sind das Volk", sagt sie.
Die meisten Juden in Lübbecke sind ermordet worden
Stadtarchivarin Christel Droste berichtete vom „Weg der Erinnerung", den die Schüler der weiterführenden Schulen alljährlich am 9. November gestalten. Dabei würden vor allem „Einzelschicksale" in den Blick genommen: „Wir sagen genau bei Familie Löwenstein ist das und das passiert, damit man es einbinden kann in die Stadtgeschichte." Oft könne man richtig sehen, wie es bei den Schülern „Klick" mache.
Von der jüdischen Bevölkerung in Lübbecke ist nach Wissen Drostes keiner nach Dachau gekommen. Sie starben in Theresienstadt oder anderswo. „Die meisten sind ermordet worden, nur wenige konnten emigrieren", sagt sie. Nina Pape von der „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit" erinnerte an einen Schüleraustausch, bei dem eine israelische Schülerin gefragt wurde, warum ihr der Wannsee so wichtig sei. „Weil man dort geplant hat, uns zu ermorden", sagte die junge Frau mit Blick auf die sogenannte Wannsee-Konferenz.
Michael Hafner vom Bündnis forderte zudem die Erinnerungskultur und politische Bildung voranzutreiben. Wobei auch das kein Garant gegen den Faschismus sei. „Es gibt auch Professoren, die eine rechtsradikale Gesinnung haben", so Hafner.