Bluttat in Pr. Oldendorf: Über hundert weitere Fälle von häuslicher Gewalt

Lübbecker Land. Die Zahlen sind erschreckend: Jede dritte Frau in Deutschland ist von sexueller oder körperlicher Gewalt betroffen. 2018 wurden bundesweit 123 Frauen von Lebensgefährten oder Ex-Männern getötet, hinzu kamen 208 Mord- beziehungsweise Totschlagsversuche in Partnerschaften. Im Kreis Minden-Lübbecke zählte die Polizei insgesamt 494 Fälle von häuslicher Gewalt. Das ist ein Anstieg von einem Viertel gegenüber dem Vorjahr. Erst am vergangenen Sonntag wurde in Pr. Oldendorf eine Frau erschossen. Mutmaßlicher Täter war ihr Ehemann. Bis zur Trennung ist es oft ein langer Weg der Gewalt &bdquo;Statistisch gesehen kommt es zu diesen lebensgefährlichen Situationen häufig dann, wenn sich die Frau von dem Mann getrennt hat", sagt Elke Schmidt-Sawatzki, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums gegen häusliche Gewalt &bdquo;Hexenhaus" in Espelkamp. Doch bis es zur Trennung kommt, hätten die Frauen oftmals bereits einen langen gewaltgeprägten Weg hinter sich. &bdquo;Unter anderem ist es die Scham, die die Frauen davon abhält, sich aus der Gewaltspirale zu lösen", sagt Schmidt-Sawatzki. Besonders im ländlichen Bereich herrsche eine große soziale Kontrolle. Was könnten wohl die Nachbarn denken, wenn ich ins Frauenhaus gehe? Vielleicht bin ich ja selbst schuld daran, dass ich geschlagen werde? Was ist, wenn mir die Kinder weggenommen werden, wenn das herauskommt? &bdquo;All diese Zweifel erhöhen die Dunkelziffer der nicht angezeigten Fälle", so Schmidt-Sawatzki. Erst wenn die Mütter merkten, dass ihre Kinder darunter litten oder sogar selbst misshandelt würden, spätestens dann würden sie in den meisten Fällen aktiv. So planen Opfer und Frauenhaus die Flucht Dabei bleibe alles anonym, wenn sich die Frau bei der Beratungsstelle meldet. &bdquo;Wir bieten zuallererst Rat und Hilfe an", ergänzt die Fachbereichsleiterin für Schutz und Beratung Maria Köhn. Erst wenn sich die Frau selbst dafür entscheide, sich von dem Partner zu trennen, würde das Frauenhaus sie dabei unterstützen. &bdquo;Wir planen mindestens eine Woche vorher gemeinsam. Dabei zu beachten ist unter anderem, wann der Mann nicht zu Hause ist, die Erzieher oder Lehrer der Kinder zu informieren und herauszusuchen, was sich auf die Schnelle so zusammenpacken lässt, dass der Partner es nicht mitbekommt", so Köhn. Die Frauen könnten dann in Frauenhäusern untergebracht werden. Dafür stehen dem Hexenhaus in Espelkamp zehn Plätze für Frauen und acht für Kinder zur Verfügung, weitere vier für Notfälle. Um den Schutz zu gewährleisten gebe es eine Sicherheitsanlage am Haus und bei jeder Frau, die neu eintreffe, werde eine Risikoabfrage gemacht. Dabei erschließe sich, wie stark die Frau gefährdet sei. Aus welchen Verhältnissen kommt sie? Treffen die Stichworte &bdquo;Ehrenmord" oder &bdquo;Clanmitglied" bei ihr zu? Hat der Mann eine Schusswaffe zu Hause oder ist er im Besitz eines besonderen Messers, zum Beispiel eines Butterflymessers? Dann bekomme die Frau gesonderten Schutz. Es sind häufig Frauen, die weniger Chancen im Leben hatten &bdquo;Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen", sagt die Fachbereichsleiterin. Wenn die Polizei nach einem Einsatz gegen häusliche Gewalt dem Täter eine &bdquo;Wegweisung" ausspricht, also ein zehntägiges Fernbleiben vom Opfer anordnet, dann bekommt das Frauenhaus eine Mitteilung darüber und die Möglichkeit, beratend zu intervenieren. Im Kreis ist das Hexenhaus die einzige Beratungsstelle, die in diesem Fall von der Behörde informiert wird. &bdquo;Über 300 Mitteilungen gingen im vergangenen Jahr bei uns ein", so Köhn. Die Zahl sei seit den Vorjahren gestiegen. &bdquo;Was aber nicht unbedingt heißt, dass es mehr Fälle von Gewalt an Frauen gibt. Es könnte auch daran liegen, dass die Beamten besser geschult und für das Thema sensibilisiert werden", ergänzt Schmidt-Sawatzki. Frauen, die ein gutes soziales Netz hätten und eine berufliche Perspektive, schafften es im Normalfall schneller wieder auf die eigenen Beine. Bis zu drei Monate bleiben die Frauen im Hexenhaus. &bdquo;Größtenteils treffen hier Frauen ein, die weniger Chancen in ihrem Leben hatten und so von einer Co-Abhängigkeit in die nächste geraten", sagt die Geschäftsführerin. &bdquo;Unser Ziel ist es, ihnen ein unabhängiges, eigenständiges Leben zu ermöglichen."

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