Rettungshelferin aus Hüllhorst: Wie ein Unfall ihrem Leben eine neue Wendung gab

Hüllhorst. Sie hat einen Genickbruch und eine Krebserkrankung überlebt, Leben gerettet und setzt sich dafür ein, dass Menschen schon von klein auf für das Thema Erste Hilfe sensibilisiert werden. Fast wäre sie einmal sogar die erste &bdquo;Bachelorette“ geworden, wie sie erzählt. Wenn Tanja Westhoff, die sich mit ganz viel Herzblut beim DRK-Ortsverein Hüllhorst engagiert, mit ihrer charismatischen Art von ihrem Leben erzählt, wirkt das mitreißend wie im Film. Wie wird man zur Lebensretterin? &bdquo;Dazu wird man geboren. Ich glaube, es gibt Menschen, die machen das. Egal ob mit Ausbildung oder ohne. Ich war schon in der Schule jemand, der immer geholfen hat. Aber ich hatte überhaupt keine Ambitionen, in die Medizin zu gehen“, erklärt die 1974 geborene Tanja Westhoff, die damals noch Sork mit Nachnamen hieß. Stattdessen machte sie im Einzelhandel eine Ausbildung und studierte später BWL in Bochum. Bei der Allianz-Versicherung schaffte sie es bis zur Oberinspektorin, das war im Januar 2007. &bdquo;Jetzt geht es richtig los!“, dachte sie damals. Doch lange konnte sie sich nicht über diese Beförderung freuen, denn am 9. Februar 2007 lag sie mit einem Genickbruch im Krankenhaus in Recklinghausen. Mehrere Unfälle, Operationen und eine Krebsdiagnose Sie war mit dem Mountainbike in der Haard in Oer-Erkenschwick unterwegs gewesen, um sich auszupowern. &bdquo;Ich war fast schon wieder beim Auto. Richtig Speed, dann kommt so eine Linkskurve - und ein Ast geht vorne rein. Ich habe gar keine Chance gehabt.“ Sie stürzte, schlug mit dem Genick auf. Das Rückenmark blieb zum Glück unverletzt. Danach stand sie noch auf, schaffte es bis zum Auto, doch dann ging das Adrenalin runter und sie spürte, dass etwas nicht in Ordnung war und bat Passanten um Hilfe, die einen Krankenwagen riefen. Es folgten mehrere Operationen und Rehas. Der Unfall stellte ihr Leben komplett auf den Kopf. 2010 wollte sie eine Schmerztherapie machen, da wurde Schilddrüsenkrebs bei ihr festgestellt. Der Krebs wurde zum Glück früh erkannt, es folgten eine OP und Bestrahlung. 2011 musste sie erneut an den Bandscheiben operiert werden. Zu ihrer alten Arbeitsstelle würde sie nicht mehr zurückkehren. Eine Psychologin habe zu ihr gesagt: &bdquo;Merken Sie eigentlich etwas? Sie sollen nicht zurück“. Dieser Schritt fiel Tanja Westhoff schwer. &bdquo;Ich hatte doch nichts anderes außer die Arbeit. Keinen Partner, keine Kinder, keine Freunde.“ Dafür sei neben dem fordernden Beruf, der ihr auch Spaß gemacht habe, nicht wirklich Zeit geblieben. Lesen Sie auch: Nach Zusammenbruch: Kellner aus Hüllhorst bedankt sich bei seiner Lebensretterin Eine missglückte Blutspende führte sie zum DRK Als sie sich eines Tages nach einem Besuch bei ihrer Mutter verfuhr, landete sie zufällig in Waltrop. Für sie fühlte es sich wie ein Zeichen, ein Nach-Hausekommen, an. So entschloss sie sich für einen Neuanfang in dieser Stadt - obwohl sie niemanden dort kannte. Um das zu ändern, habe eine Zeitungsfrau aus einem Kiosk zu ihr gesagt: &bdquo;Komm mal mit zum Blutspenden, da lernen wir Leute kennen und du machst was Gutes“. Doch bei der Spende sagte der Arzt zu ihr: &bdquo;Sie dürfen kein Blut spenden, Sie hatten Krebs“. Als er jedoch sah, wie traurig sie deswegen war, hatte er einen Vorschlag: Sie solle am nächsten Tag wiederkommen und Kaffee ausschenken bei der Blutspende. Dies sollte der Beginn einer besonderen DRK-Erfolgsgeschichte werden. Nach und nach engagierte sie sich immer mehr, bot Unterhaltung und Rehasport für Senioren an, machte zahlreiche Aus- und Fortbildungen, die vom DRK angeboten wurden, wurde sogar Co-Chefin des DRK Waltrop. 2015 machte sie ihren Sanitäterschein und im Anschluss die Ausbildung zum Rettungshelfer. &bdquo;Rettungssanitäter durfte ich nicht, da musst du gesundheitlich richtig fit sein.“ Eine Erfahrung, die ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist: 2016 gab es kurz vor einem Fußballspiel im BVB-Stadion gleich zwei Notfälle im Zuschauerbereich. Noch während die Sanitäter, zu denen auch Tanja Westhoff zählte, versuchten, einen 88-jährigen Mann zu reanimieren, sei sie in einen benachbarten Block gerufen worden, wo ein 55-Jähriger ebenfalls einen Herzinfarkt hatte. Vor 80.000 Zuschauern im Stadion und vielen weiteren TV-Zuschauern rettete sie ihm mit der Reanimation das Leben. Der ältere Patient verstarb leider. Auch die zunehmende Gewalt gegen Sanitäter hat sie selbst miterlebt. Ein Beispiel: Bei einem Einsatz habe sich das Sani-Team um eine ältere Dame gekümmert, die viel zu hohen Blutdruck gehabt habe. Da sich Menschen mit einem gewissen Körperumfang in so einem Fall nicht hinlegen dürften, weil sich sonst der Druck auf die Organe verstärke, sollte ein Stuhl für die Patientin geholt werden, erinnert sich Tanja Westhoff. &bdquo;Wir sagen im Ruhrgebiet dazu ’fluffig’“, erklärt sie. &bdquo;Hol mal den Stuhl“, habe sie zu ihrem Kollegen gesagt, seine Antwort: &bdquo;Ja, ist ein bisschen fluffig, kriegen wir hin“. Als er nicht wiederkam, habe sie ihn gesucht - und mit einem Kieferbruch am Ende einer Treppe liegend gefunden. &bdquo;Da sind die Söhne hinterher - ’Hast du gesagt, meine Mutter ist fett?’ - und haben ihn die Treppe runtergestoßen.“ Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verrohung organisierte sie schließlich einen Selbstverteidigungskurs für Sanitäter. Neuanfang in Hüllhorst Das Jahr 2017 sorgte für eine weitere große Veränderung in ihrem Leben, denn in diesem Jahr lernte sie ihren zukünftigen Ehemann, Axel Westhoff, kennen. Ein Jahr später wurde Hochzeit gefeiert. Weil ihr Ehemann einen Job in Minden annahm, folgte ein Umzug in den Kreis Minden-Lübbecke. In Hüllhorst fanden sie ihr neues Zuhause. Doch der Start im Lübbecker Land war kein leichter. &bdquo;Ich war drei Monate hier ziemlich unglücklich, bis mein Mann sagte: Mensch Tanja, hier gibt es auch ein DRK“, erinnert sich Tanja Westhoff. So lernte sie Dennis Langeleh vom DRK Hüllhorst kennen, der ihr guter Freund und Unterstützer wurde. 2019 wollte sie den Motorradführerschein machen, doch schon die erste Stunde nahm ein böses Ende. Sie habe zu viel Gas gegeben, das Mottorad sei auf sie drauf gefallen. &bdquo;Der ganze Lendenwirbelbereich war gebrochen.“ Wieder musste sie operiert werden. &bdquo;Und dann kam Corona, das heißt, ich konnte niemanden kennenlernen.“ Doch auch davon ließ sie sich nicht unterkriegen. Mittlerweile ist Tanja Westhoff angekommen und ein fester Bestandteil des DRK in Hüllhorst und bereichert den Verein mit ihren Ideen. So entwickelte sie ein Theaterstück für Kinder, durch das diese spielerisch an die Erste Hilfe herangeführt werden. Auch Kitakindern bringt sie erste Grundlagen bei. Mit ihrem Kursangebot &bdquo;Erste Hilfe am Hund“ hat die tierliebe DRK-Frau ein weiteres besonderes Fortbildungsangebot geschaffen. 2024 rettete sie durch ihr schnelles und beherztes Eingreifen einem Kellner in einer Hüllhorster Gaststätte das Leben. &bdquo;Helfen ist schön“, sagt sie überzeugt und wünscht sich, dass noch viel mehr Menschen sich bewusst mit dem Thema Erste Hilfe auseinandersetzen und im Notfall helfen. Für Hüllhorst würde sie sich für die Zukunft ein größeres DRK-Haus wünschen, das noch viel mehr Platz für Angebote - zum Beispiel auch für Senioren und Möglichkeiten für Rehasportkurse - bietet. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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