Verschwundener Physiotherapeut: Verdächtiger kommt nach 370 Tagen aus der Haft - wer war der Schuldige?

Kreis Minden-Lübbecke. Es ist einer der bekanntesten Fälle in Ostwestfalen-Lippe: Genau zehn Jahre ist es her, dass der Physiotherapeut Karl-Friedrich Meyer aus seinem Haus am Heideweg in Hüllhorst ging und spurlos verschwand. Bis heute. Ein Blick ins Archiv zeigt die Chronik eines der wohl mysteriösesten Kriminalfälle in NRW. Hier lesen Sie, wie die Geschichte ihr bisheriges Ende findet. Rund eineinhalb Jahre nach dem Verschwinden des Mannes ist es soweit: Die Polizei beendet ihre Arbeit und übergibt die Akten an die Staatsanwaltschaft. Die erhebt Anklage gegen die ehemalige Lebensgefährtin Christiane R. und ihren neuen Partner Jörg Z. Das Motiv: Habgier. Hier geht's zum ersten Teil: Verschwunden: Seit 10 Jahren wird ein Physiotherapeut aus Minden-Lübbecke vermisst. Eine Spurensuche Im Juli begann der Prozess in dem "Mordfall ohne Leiche" vor dem Landgericht Bielefeld: ein reiner Indizienprozess. Der Prozess, angesetzt waren 20 Verhandlungstage, förderte weitere Details zu Tage - und warf weitere Fragen auf. So führten Kontodaten und Aussagen zu hohen Beträgen, über die der Verschwundene verfügte. Über Jörg Z. sagte eine Exfreundin vor Gericht aus, dass dieser gewalttätig sei und berichtete von mehreren Übergriffen. Auf die Frage, ob sie ihm zutraue, etwas mit dem Verschwinden Meyers zu tun zu haben, antwortete sie ohne zu zögern mit "Ja". Nahezu das gesamte Inventar aus dem Haus des Physiotherapeuten fehlte Schwer belastet hatten Jörg Z. vor Gericht auch zwei Mithäftlinge aus der JVA Brackwede. In auffallend übereinstimmenden Aussagen erzählten beide, wie Jörg Z. ihnen die Todesumstände von Karl-Friedrich Meyer schilderte. Demnach soll die Tat am Abend des 21. Oktober 2012 auf einem Supermarktparkplatz in Hüllhorst geschehen sein. Dort hatte sich Jörg Z. mit der Lebensgefährtin des Physiotherapeuten getroffen, zu der er seit Monaten eine Beziehung unterhielt. Als es zum Streit kam, soll Jörg Z. Meyer mit einem Faustschlag zu Fall gebracht haben, von dem er sich nicht mehr erholte. Er sei &bdquo;unglücklich gestorben“, soll Jörg Z. in der U-Haft gesagt haben. Verdächtig waren ebenfalls Aussagen, wonach Jörg Z. sich damit gebrüstet habe, dass man ihn nicht wegen Mordes (lebenslange Haft), sondern im besten Fall wegen Totschlags (im Höchstfall zehn Jahre Haft) verurteilen könnte. Ein Kriminalbeamter, der die ersten fünf Monate den Vermisstenfall betreute, geriet vor dem Landgericht Bielefeld in Verlegenheit. Auf Nachfrage räumte er ein, dass er bis Ende März 2013 keine Verdachtsmomente gegen Meyers Lebensgefährtin Christiane R. erkennen konnte. Zu diesem Zeitpunkt fehlte aber schon nahezu das gesamte Inventar aus dem Eigenheim des Physiotherapeuten. Nach 370 Tagen Hat auf freien Fuß gesetzt Später kam vor Gericht heraus: Erst nach einem Hinweis der Schwester Meyers, wonach das Inventar aus dem Haus verschwunden sei, traf der Lübbecker Kommissar im März 2013 Christiane R. zu einer weiteren Vernehmung. Auch nach der fast zweistündigen Vernehmung ging der Beamte davon aus, dass Christiane R. &bdquo;nichts mit dem Verschwinden Meyers“ zu tun hatte. Wenige Tage später übernahm dann die Ermittlungskommission den Fall Meyer. Ende Januar 2015 setzte das Gericht den Hauptangeklagten Jörg Z. nach 370 Tagen Untersuchungshaft auf freien Fuß. Offenbar war die Kammer zur Ansicht gelangt, dass ein dringender Tatverdacht gegen den Bad Oeynhausener nicht mehr vorlag. Obwohl der Prozess um das ungeklärte Verschwinden des Masseurs kurz vor der Urteilsverkündung stand, ließ die Bielefelder Staatsanwaltschaft im März 2015 weiter nach der Leiche suchen. Froschmänner der Bereitschaftspolizei tauchten im abgeschieden gelegenen Oberlübber Bergsee im Wiehengebirge, der nur wenige Kilometer vom möglichen Tatort in Hüllhorst entfernt liegt. Der Hinweis auf den See kam ebenfalls von den Mithäftlingen von Jörg Z. Prozess endete nach neun Monaten mit einer Ernüchterung Nach neun Monaten und mehr als 20 Verhandlungstagen endete der Prozess im März 2015 mit einer Ernüchterung: Das Landgericht sprach beide Angeklagte vom Vorwurf des Totschlags sowie der Strafvereitelung frei. Zwar gebe es eine Reihe von Indizien, die gegen den Hauptangeklagten Jörg Z. sprechen würden. Das reiche aber nicht aus, sagte die Vorsitzende Richterin Jutta Albert. Und man könne ein Urteil nicht auf Vermutungen stützen. Bei Christiane R., die wegen eines falschen Alibis für Jörg Z. angeklagt war, hatte selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte das Urteil kurz darauf angefochten und Revision gegen den Freispruch des Hauptangeklagten eingelegt, wenig später die Revision aber wieder zurückgezogen, womit das Urteil rechtskräftig wurde. Selbst wenn die Leiche Meyers noch gefunden würde, könnte Z. nicht mehr belangt werden. Im September 2016 sitzt Jörg Z., der zwischenzeitlich Christiane R. geheiratet hatte und nun Jörg R. heißt, wieder in Haft. Er soll mit einem polizeibekannten Komplizen (56) aus Bünde mindestens drei Banken überfallen haben. Eine länderübergreifende Sonderkommission wurde dem Duo im Juni 2016 bei einem versuchten Überfall in Hilgermissen (Landkreis Nienburg/Weser) zum Verhängnis. Jörg R. und Siegfried G. hatten sich zwei Jahre zuvor im Knast kennengelernt. Ein Déjà-vu vor Gericht Seit März 2016 sitzt zudem der Sohn (21) von Christiane R. in U-Haft, weil er an einem Banküberfall nahe Rinteln beteiligt gewesen sein soll. Es werden weitere ungeklärte Fälle geprüft, für die alle drei Männer als Täter infrage kommen. Und im November des gleichen Jahres gibt es im Fall Meyer noch ein Déjà-vu vor Gericht: Die im Mordprozess freigesprochenen Angeklagten Jörg R. und die mittlerweile in Melle lebende Christiane R. müssen sich vor dem Mindener Schöffengericht wegen verkaufter Luxusartikel Meyers verantworten, die das Paar kurz nach Verschwinden des Masseurs zu Geld machte. Darunter Rolex-Uhren, eine TV-Stereoanlage und ein Designerschrank. Nach sechs Stunden und vielen Zeugenaussagen wird das Verfahren eingestellt. Die nach Meyers Verschwinden offenbar mittellose Christiane R. gesteht die Unterschlagung, die ihr 150 Sozialstunden einbringt. Bei Jörg R., der wegen Beihilfe beschuldigt war, überwiegt die Anklage wegen der Banküberfälle als deutlich größeres Verbrechen. In der Verhandlung kommt auch zur Sprache, dass beim Verkauf des Hauses in Hüllhorst offenbar auch das Finanzamt ein Wörtchen mitzureden hatte. Während des neunmonatigen Prozesses in Bielefeld soll sich die Steuerfahndung mit einer Forderung über 600.000 Euro wegen nicht gezahlter Steuern gemeldet haben, hieß es damals. Karl-Friedrich Meyer soll fast alle Finanzgeschäfte bar abgewickelt haben. Elf Jahre und sechs Monate Haft Im Februar 2018 verurteilt das Landgericht Bielefeld den Schwerverbrecher Jörg R. wegen der Banküberfallserie zu elf Jahren und sechs Monaten Haft. Sein Komplize Siegfried G. aus Bünde erhält neun Jahre und sechs Monate, R.s Stiefsohn bekommt fünf Jahre Haft, weil er mit seinem Stiefvater zwei Banken in Minden-Kutenhausen und in Rinteln überfallen hat. Jörg R. sei ein gefährlicher Straftäter und eine Gefahr für die Allgemeinheit begründete das Gericht sein Urteil. Seine Haftentlassung erlebt der Bankräuber Siegfried G. nicht mehr. 2022 stirbt er im Gefängnis. Von Karl-Friedrich Meyer verliert sich immer noch jede Spur.

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