Ein Leben zwischen Christus-Sekte, Firma und rechtsextremer Szene

Hüllhorst. Als rund 400 Demonstrierende bei der Coronagegner-Demonstration in Berlin Ende August versuchen, das Reichstagsgebäude zu stürmen, ist er an vorderster Front mit dabei. Zwischen den in der rechten und der Reichsbürger-Szene beliebten Kaiserreichsflaggen läuft Matthäus Westfal (24) mit und filmt die Ereignisse für seinen Youtube-Kanal. Deswegen laufe nun ein Verfahren gegen ihn, sagt der IT-Systemkaufmann, der unter dem Pseudonym &bdquo;Aktivist Mann" tief in der rechten Szene steckt. Wie Westfal in einem seiner Videos erzählt, beginnt seine Faszination für Verschwörungstheorien bereits mit 14 Jahren, als er ein Video über die angebliche Wahrheit über die Anschläge auf das World Trade Center in New York vom 11. September 2001 sieht. Vier Jahre später ist er bereits in der rechten Szene aktiv. Er verteilt Flyer beim AfD-nahen &bdquo;Alternativen Wissenskongress" und ist in Videos von &bdquo;Klagemauer TV" zu sehen. Dabei handelt es sich um einen der Medienkanäle der Sekte &bdquo;Organische Christus Generation" (OCG), in der Westfal laut Recherchen der Hackergruppe &bdquo;Anonymous" Mitglied sein soll. 2015 wird Westfal von der Firma Wortmann eingestellt und nach Ende der Ausbildung zum IT-Systemkaufmann übernommen. Dort ist er laut seinem LinkedIn-Profil als Junior-Key-Account-Manager tätig. Nachdem Westfal in einem Spiegel-TV-Beitrag kürzlich namentlich genannt wird, postet ein ehemaliger Klassenkamerad auf der Facebook-Seite des Berufskollegs Lübbecke den Bericht über Westfals Beteiligung an der Reichstags-Aktion und seine rechtsextreme Vernetzung. Einer der reichweitenstärksten rechten Akteure im Kreis Als Aktivist Mann hat Westfal auf Youtube fast 13.000 Abonnenten, auf dem Nachrichtendienst Telegram rund 9.500. Für die Szene ist das mäßig erfolgreich, doch damit dürfte der in Deutschland geborene Sohn russisch-kasachischer Eltern, wie er selbst sagt, im Kreis Minden-Lübbecke einer der reichweitenstärksten rechten Akteure sein. Neben einem gemeinsamen Auftritt mit dem rechtsextremen Vegan-Koch Attila Hildmann sind auf Westfals Youtube-Kanal auch mehrere gemeinsame Videos mit dem verurteilten Holocaust-Leugner Nicolai Nerling zu sehen. Im Gespräch mit nw.de distanziert sich Westfal von einigen späteren Äußerungen Hildmanns, der unter anderem einem Grünen-Politiker mit der Todesstrafe drohte. Die Videos mit dem rechtsextremen Aktivisten lässt Westfal dennoch weiter hochgeladen. Er sucht immer wieder das Gespräch mit Neonazis Laut dem antifaschistischen Recherche-Kollektiv OWL hat Westfal zudem an einer Neonazi-Demonstration für die mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im vergangenen November in Bielefeld teilgenommen. &bdquo;Auf Fotostrecken ist erkennbar, dass er immer wieder mit verschiedenen Neonazis das Gespräch suchte", schreibt das Kollektiv. Diese Bilder der Aktivistengruppe &bdquo;Left Pictures" liegen auch nw.de vor. Auf Nachfrage versucht Westfal diese Tätigkeiten als harmlos darzustellen. &bdquo;Das sind für mich interessante Fälle. Wenn ich mitkriege, eine 90-jährige Frau wird verurteilt, nur weil sie ihre Meinung gesagt hat", sagt er über Holocaust-Leugnerin Haverbeck. Bei der rechtsextremen Demo sei er mitgegangen, weil er &bdquo;weltoffen" sei und die &bdquo;Meinung" der Demonstrierenden habe hören wollen. Durch die öffentliche Berichterstattung über seine Kontakte in die Szene fühlt er sich zu Unrecht &bdquo;in die rechte Ecke gestellt". Das sehen Fachleute deutlich anders. Von Jannik Kohl, Mobile Beratung Rechtsextremismus OWL, heißt es, Westfal beteilige sich &bdquo;aktiv an der Konstruktion und Verbreitung teilweise antisemitischer Verschwörungstheorien und bedient sich dabei zahlreicher, extrem rechter Narrative". Das Recherche-Kollektiv OWL sieht Westfal als Mitglied der extremen rechten Szene: &bdquo;Der Schulterschluss mit bekennenden Neonazis wird von Westfal nicht nur in Kauf genommen, sondern klar gewollt", schreiben sie. Wortmann will sich nicht zu privaten Tätigkeiten von Westfal äußern Westfals Arbeitgeber ist mittlerweile im Bilde, auch über seine mutmaßliche Zugehörigkeit zu der schweizerischen Sekte OCG. Man kenne die Aktivitäten, sagt Unternehmenssprecher Meik Blase auf nw.de-Anfrage und hebt hervor, die Wortmann AG lehne jede Art von verfassungsfeindlichem Extremismus ab. Mit Westfal gesprochen habe man nicht. &bdquo;Zu privaten Tätigkeiten unserer Mitarbeiter außerhalb des Betriebes und außerhalb der Arbeitszeiten äußern wir uns grundsätzlich nicht", macht Blase deutlich. Nachdem ihr Mitarbeiter mittlerweile in mehreren Beiträgen großer TV-Sender aufgetaucht ist, sieht das Hüllhorster Unternehmen durchaus die Möglichkeit, dass Westfals Aktivität Einfluss auf das Firmenimage haben könnte. &bdquo;Ja, die Gefahr besteht", sagt Blase: &bdquo;Wir prüfen diesbezüglich alle Möglichkeiten."

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