Tödlicher Unfall auf B65: Verursacher war vorher mehrfach auf die Gegenfahrbahn geraten

Hille/Minden. Dieser Unfall hätte vermieden werden können, urteilte Andreas Böhne, Richter am Amtsgericht Minden. Ein Jahr nach dem tödlichen Zusammenstoß auf der Bundesstraße 65 zwischen Rothenuffeln und Unterlübbe kam es jetzt zum Prozess, bei dem sich der 42-jährige mutmaßliche Unfallverursacher verantworten musste. Bei dem Unfall am 30. April 2022 war ein 50-Jähriger aus dem Kreis Schaumburg gestorben. Der Mindener wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 150 Sozialstunden verurteilt. Auch seinen Führerschein wird er innerhalb der nächsten zwölf Monate nicht zurückbekommen. Eine Geldstrafe sei in diesem Fall nicht ausreichend gewesen, so Böhne weiter. Der Grad der Fahrlässigkeit, mit der der Angeklagte gehandelt habe, liege im gehobenen Bereich. Als Pizzafahrer auf dem Weg zur Arbeit Was war passiert? Nach Angaben der Polizei war der heute 42-Jährige am frühen Abend des 30. April auf der B65 von Minden in Richtung Lübbecke unterwegs. Er sei auf dem Weg zur Arbeit gewesen, erklärte der dreifache Familienvater im Gerichtssaal. Weil der gebürtige Syrer kaum Deutsch spricht, übersetzt eine Dolmetscherin die Einlassung des Angeklagten. Seinerzeit habe er als Pizzafahrer gearbeitet und sei an diesem Tag eingesprungen, weil seine beiden Kollegen nicht konnten. Von seinem Wohnort Minden seien es etwa 13 Kilometer bis zu seiner Arbeitsstelle. Wie jedoch erst jetzt öffentlich bekannt wurde, geriet der Mindener bereits in Dützen zweimal aus ungeklärten Gründen mit seinem Wagen auf die Gegenfahrbahn – allerdings kam ihm hier kein anderes Auto entgegen. Das sagte eine Zeugin aus, die direkt hinter dem BMW Kombi fuhr und anschließend auch den Unfall miterlebte. Die 36-Jährige erklärte, sie sei &bdquo;genervt“ gewesen, dass der Fahrer vor ihr mal langsamer, mal schneller gefahren sei. Eigentlich habe sie den Wagen überholen wollen. &bdquo;Zum Glück habe ich es nicht gemacht.“ Schon in Dützen zweimal auf Gegenfahrbahn geraten Nach der Ortsausfahrt Rothenuffeln sei der BMW dann erneut auf die Gegenfahrbahn gefahren. &bdquo;Das passierte nicht ruckartig und es gab auch keinen Grund“, erinnert sich die Rahdenerin. Nachdem sie den Zusammenstoß gesehen habe, sei sie noch ein Stück weiter gefahren (&bdquo;Meine Fahrbahn war ja frei“), habe ihr Auto abgestellt, sich das Handy geschnappt und sei zu den Unfallwagen gelaufen. Während der Verursacher noch ansprechbar gewesen sei (&bdquo;Ich konnte die Beifahrertür öffnen“), sei das andere Opfer bewusstlos gewesen. Sie habe dann den Notruf gewählt. Für den Ford-Fahrer aus dem Kreis Schaumburg kam jedoch jede Hilfe zu spät. Sein Wagen wurde aufgrund der Wucht des Zusammenpralls über die Leitplanke geschleudert. Die Front des Autos wurde vollständig, bis in die Fahrgastzelle, eingedrückt. Zur Todesursache des 50-Jährigen hieß es im Gericht, er habe ein Polytrauma erlitten. Richter Andreas Böhne verlas die zahlreichen Verletzungen. Das Opfer starb noch vor Ort, etwa eine Stunde nach dem Unfall. Keine Hinweise auf Drogen oder Alkohol Wie der Angeklagte, der sich selbst als gläubigen Moslem bezeichnet, erklärte, könne er sich nicht an den Unfall an sich erinnern. Es sei zu der Zeit Ramadan – also Fastenzeit – gewesen. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärte der Beschuldigte jedoch, er habe sich körperlich fit gefühlt, sei weder unterzuckert gewesen, noch hätte ihm Flüssigkeit gefehlt. Er hätte nach dem Unfall nicht gewusst, dass er mit einem anderen Wagen kollidiert sei. Er dachte, es sei ein Gegenstand gewesen. Was passiert war, habe er erst im Krankenhaus erfahren. Er selbst habe eine Verletzung des Schlüsselbeins und der linken Hand erlitten. Diese würden ihn heute noch einschränken, ihm seien Platten eingesetzt worden. Im Krankenhaus habe man ihm den Führerschein und das Handy abgenommen und Blut abgenommen. Hinweise auf Drogen oder Alkohol fand die Polizei nicht. Die Auswertung des Handys hat laut den Ermittlern ergeben, dass es zum Unfallzeitpunkt keine ein- oder ausgehenden Anrufe gab. Keine Anrufe zur Unfallzeit Er habe nach wie vor mit den körperlichen und seelischen Folgen zu kämpfen, so der 42-Jährige weiter. Erst vor kurzem hätte er einen Mini-Job in der Gastronomie annehmen können. Außerdem habe er einige Besuche bei einem Psychologen in Anspruch genommen. &bdquo;Ich kann keinem Menschen weh tun“, erklärte der Mindener. Er könne sich nicht erklären, was passiert sei. Schließlich fahre er seit mehr als 20 Jahren unfallfrei. Zum generellen Fahrverhalten des Angeklagten gibt es im Gerichtssaal einige neue Erkenntnisse. Eine Auswertung hat mehrere Einträge wegen Verkehrsverstößen ergeben, die Fahrverbote zur Folge hatten. Der Richter nannte das Missachten des Rotlichts sowie mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen bis zu 45 km/h in geschlossenen Ortschaften. Das habe zwar nichts mit dem Unfall zu tun, denn die zulässige Höchstgeschwindigkeit habe er dabei nicht überschritten, so Andreas Böhne, aber: &bdquo;Sie bringen schon einiges mit“. Vorbestraft sei der Angeklagte jedoch nicht. Bereits mehrere Verstöße aktenkundig Mit der Rekonstruktion des Unfallgeschehens hat sich der Sachverständige Hellmut Reuter beschäftigt, der sein Gutachten im Gericht vorstellte. Er erklärte, dass sich der Unfall auf gerader Straße ohne Sichtbehinderung und ohne Blendung durch die Sonne ereignet hat. Der BMW sei ohne Schleuder- oder Ausweichbewegungen auf der Gegenseite gefahren und er sei in etwa doppelt so schnell gewesen wie der entgegenkommende Ford. Hinweise auf technische Mängel hätte er nicht feststellen können. Die Staatsanwaltschaft sah den Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemäß Paragraf 222 vollständig bestätigt und forderte für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie 250 Sozialstunden und ein Fahrverbot für insgesamt zwei Jahre. Der Verteidiger hingegen forderte für seinen Mandanten einen Freispruch. Der Beschuldigte selbst führte in einem ausführlichen letzten Wort aus, dass er den Unfall nicht absichtlich begangen habe. Wenn er es in der Hand hätte, würde er sich an die Stelle des Opfers stellen. Er bitte um &bdquo;Gnade“, weil er nicht wolle, dass seine Familie alleine leben muss. Dazu sei sie nicht in der Lage. Angeklagter bittet um "Gnade" Richter Andreas Böhne begründete das Urteil damit, dass der Angeklagte sich eines erheblichen straßenverkehrsrechtlichen Vergehens strafbar gemacht habe. Der Vorfall in Dützen sei &bdquo;der Warnschuss“ gewesen. Hätte er dort schon reagiert und sein Fahrzeug stehen gelassen, hätte der folgende tödliche Unfall vermieden werden können, sprach der Richter von einer &bdquo;Pflichtverletzung“. Die gemeinnützige Arbeit könne ihm vielleicht bei der Verarbeitung helfen. Die Verteidigung des Angeklagten verzichtete auf das Einlegen von Rechtsmitteln – heißt: Das Urteil wird angenommen.

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