Zeitzeugen-Doku in Espelkamp: Bewegende Einblicke in die Nachkriegszeit

Espelkamp. &bdquo;Alles verloren. Neu begonnen. Zukunft gebaut“: Der Dokumentarfilm über Flucht, Vertreibung und die Anfänge Espelkamps hatte am Donnerstagabend im Espelkamper &bdquo;Elite“-Kino Premiere. Lange standen die Menschen anschließend im und vor dem Kino zusammen, um über das zu sprechen, was sie gesehen hatten. Zeitzeugen, die Mitglieder des Geschichtskreises, Vertreter der Stadt und weitere Gäste waren beeindruckt von dem teils sehr emotionalen Film, bei dem Ute van Assema und Jochen Riecke Regie führten. Eigentlich sei der Film zu kurz, sagten Friedrich und Liane Stork von der evangelischen Martinsgemeinde. &bdquo;Er hätte noch eine Stunde länger dauern können.“ Als beeindruckend und inspirierend bewertete das Pfarrer-Ehepaar den Film. &bdquo;Zu sehen, wie man damals aus nichts etwas gemacht hat, das ist ergreifend.“ Man werde demütig angesichts der damaligen Leistungen der Menschen. 80 Jahre Kriegsende im Kreis Minden-Lübbecke: Historische Forschung: Hinweise auf Kämpfe um die Munitionsanstalt Espelkamp Viel Ergriffenheit unter Gästen in Espelkamp Ulrike Odenhausen, Tochter des Espelkamper Politikers Albert Pürsten, hat die Entwicklung Espelkamps über Jahrzehnte verfolgt und ist eine der befragten Zeitzeuginnen. Den Film finde sie sehr bewegend, merkte Odenhausen an. In der Gesamt-Zusammenstellung, die man auch im Lauf des Lebens mitbekommen habe, sei der Film sehr, sehr gelungen. Besonder schön sei die Verknüpfung von Interviews und Filmsequenzen. &bdquo;Dadurch zieht der Film immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich. So wird Geschichte lebendig.“ Sie denke, dass der Film deshalb auch sehr gut für Schulen geeignet sei, sagt Ulrike Odenhausen. Man werde viel erklären müssen, weil das Thema für zahlreiche junge Menschen vielleicht weiter weg sei. Die Interviews für den Film stammten teilweise aus dem Jahr 2017. &bdquo;Aber in den vergangenen Jahren haben die Aussagen der Espelkamper Zeitzeugen eine ganz ungeahnte Aktualität bekommen“, betonte Odenhausen und verwies auf die weltweiten Konflikte. &bdquo;Es sind wieder Frauen und Kinder unterwegs und manche werden auch hierhin kommen.“ Sie würden den Film verstehen, weil der auch ein Stück weit ihre Geschichte sei. Ulrike Odenhausen ist froh, &bdquo;dass sie den Film gemacht haben“. Ähnlich äußerte sich Helmut Schöpfer, der dem Film eine spannende Linie attestierte, &bdquo;die man gut verfolgen konnte“. Er stamme aus Süddeutschland und habe einmal gedacht, sich niemals nördlich des Mains niederzusetzen. &bdquo;Aber ich bin nach Espelkamp gekommen und möchte nie mehr weg.“ Er sei begeistert, meinte Heinrich Vieker vom Geschichtskreis. &bdquo;Wir können stolz darauf sein, dass wir das gemacht und auch zu Ende gebracht haben.“ Sehr wichtig sei auch, 44 bis 45 Stunden Interviews mit Zeitzeugen gesichert zu haben. Das könne etwa für Projekte an Schulen oder auch für das digitale Haus der Geschichte genutzt werden. Weitere historische Hintergründe: 80 Jahre Kriegsende: Als die 16-jährige Marie aus Stemwede ihr Leben verlor Flucht aus Ostpreußen und Pommern nach Espelkamp Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Kreis Minden-Lu?bbecke (@kreismilk) Auch Hilde Puller freut sich, dass es den Film gibt. Für den wurde auch sie befragt. Puller stammt aus dem Banat und wurde in einem Internierungslager im damaligen Franzfeld nördlich von Belgrad geboren. Als Vierjährige kam sie 1951 nach Espelkamp. &bdquo;Den Aufbau habe ich miterlebt.“ Den Film könne sie nur empfehlen. Ute van Assema und Jochen Riecke freuten sich über die positiven Rückmeldungen. &bdquo;Es ist schon schön, den Applaus zu hören.“ Wenn die Gäste dann sagten, der Film hätte gern noch länger dauern können, dann sei alles richtig gemacht worden. Zum Hintergrund des Films: Der Geschichtskreis Espelkamp ist der Entstehungsgeschichte Espelkamps auf den Grund gegangen. Wie war das damals, als die Menschen, vorwiegend aus Ostpreußen und Pommern kamen, ausgehungert und erschöpft von der strapaziösen und gefährlichen Flucht? Oft mit nichts mehr als dem, was sie am Leib trugen. Oftmals krank von den Strapazen der Flucht und Vertreibung. Und von der heimischen Bevölkerung eher skeptisch betrachtet als herzlich willkommen geheißen. &bdquo;Die Wohnungsnot war schon durch die vielen evakuierten Menschen aus dem zerbombten Ruhrgebiet sehr groß“, erzählte Heinrich Brammeyer. Mehr zum Kriegsalltag im Lübbecker-Land: Als der Krieg im Lübbecker Land zum Alltag wurde 33 Zeitzeugen und Zeitzeuginnen aus OWL wurden befragt Wer könnte davon besser berichten als die Menschen, die alles selbst erlebt haben? So hatte der Geschichtskreis 33 Zeitzeugen und Zeitzeuginnen befragt. Ute van Assema hat die Interviews geführt und Jochen Riecke die Zeitzeugen in Szene gesetzt. Allein durch die Befragung von Zeitzeugen liegen 40 Stunden Filmmaterial vor. Dazu kommen noch Film- und Fotomaterial aus dem Bundesarchiv, dem Stadtarchiv und der Sammlung Manfred Steinmann. Dies alles haben die beiden Film-Profis zu einem stimmigen 55-minütigen Dokumentarfilm zusammengefügt. Beeindruckend vor allem, wenn die Erzählungen der Zeitzeugen durch entsprechende Filmsequenzen und Fotos bildlich veranschaulicht wurden. Die Erinnerungen an die Flucht bewegt die Menschen noch heute. Während die &bdquo;Deutsche Wochenschau“ noch im bekannt martialischen Ton von der Flucht heim ins Reich vor den &bdquo;barbarischen Bolschewisten“ schwadronierte, erlebten die Flüchtlinge das kalte Grauen. Noch heute müssen sie, die als Kinder auf der Flucht furchtbare Dinge erlebt haben, mitunter mitten im Gespräch innehalten, wenn sie von dem Schrecklichen erzählen. Auch interessant: Lübbecker Land: Einige Schicksale auch 80 Jahre nach Kriegsende ungewiss Visuelle Zeitreise durch Espelkamp Der Film berichtet von den Anfängen 1945 bis in die Wirtschaftswunderjahre. Er erzählt aber nicht chronologisch die Geschichte Espelkamps, sondern setzt verschiedene Schwerpunkte, die die Entwicklung zu einer modernen und wirtschaftlich potenten Stadt aufzeigen. Gerade ein Vergleich der Bilder aus dem bekannten Streifen mit dem beliebten Schauspieler Horst Tappert &bdquo;Denn wo ein Wille. . .“ mit dem Bericht aus dem &bdquo;Deutschlandspiegel“ vom Dezember 1962 macht deutlich, welch rasanten Aufschwung die junge Stadt in diesen Jahren genommen hat. Dabei halfen Bund und Land bei der Ansiedlung von Firmen mit attraktiven Fördergeldern, auch die Einstellung von Flüchtlingen wurde finanziell unterstützt. Was den Einheimischen mitunter sauer aufstieß. Die Arbeitsplätze in Espelkamp waren begehrt. &bdquo;In Espelkamp konnte man viel Geld verdienen“, erzählt Zeitzeuge Wilfried Meier. Mehr historisches Zeitgeschehen: Der alltägliche Terror der Nazis: Was die Oberbauerschafterin Anna Alhorn erlebte Film wird noch drei Mal in Espelkamper Kino gezeigt Etwas schwieriger hatten es die kleinen Handwerksbetriebe. Zum Glück gab es den späteren Kreissparkassendirektor Wilhelm Mathemeier, er war damals für die Ausgabe von Krediten an die Flüchtlinge zuständig. So manches Darlehen habe er damals blanko, voller Vertrauen in die Schaffens- und Tatkraft der Menschen, gegeben, erzählt er. &bdquo;Und alle wurden zurückgezahlt.“ Sein Fazit heute: &bdquo;Espelkamp war ein Fall für sich – aber ein guter“. Der Film fügt sich bestens in die Reihe der in den vergangenen Jahren erschienenen Bücher des Geschichtskreises und Historiker Sebastian Schröder ein und füllt, wie Bürgermeister Henning Vieker ausführte, eine &bdquo;wichtige Lücke im Geschichtsbild unserer Stadt“. Wer die Premiere am Donnerstagabend im Elite-Kino verpasst hat: &bdquo;Alles verloren. Neu begonnen. Zukunft gebaut“ wird während der Sommermonate noch drei Mal gezeigt. Am Sonntag, 20. Juli, um 17 Uhr, am Donnerstag, 31. Juli, und am Mittwoch, 13. August, jeweils um 19 Uhr. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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