NS-Vergleiche: Anwalt des Espelkamper Youtubers Matthäus Westfal nun selbst vor Gericht

Rahden/Bielefeld. Ob der Angeklagte die Richterin nun direkt als Nationalsozialistin betitelt hatte – was er bestreitet – oder aber, wie von ihm eingeräumt, ihr unterstellt hatte, dass sie auch unter dem NS-Blutrichter Roland Freisler hätte arbeiten können, war letztlich gar nicht entscheidend. Fest steht, dass ein 63-jähriger Rechtsanwalt aus der Nähe von Zwickau im Juni 2022 vor dem Rahdener Amtsgericht weit über das Ziel hinausgeschossen war. Nun musste sich der Jurist in zweiter Instanz vor dem Bielefelder Landgericht wegen des Verdachts der Beleidigung verantworten. Am 28. Juni 2022 hatte der angeklagte Anwalt den Espelkamper Youtuber Matthäus Westfal vor dem Rahdener Amtsgericht verteidigt. Westfal musste sich damals wegen des Verdachts der Volksverhetzung verantworten, weil er auf seinem Telegram-Kanal einen Link zum NS-Propagandafilm &bdquo;Die Rothschilds“ hochgeladen hatte. Keine Angaben zu Einkünften &bdquo;Ich hatte das Gefühl, dass es überhaupt keine Resonanz fand, was wir zur Entlastung und Motivation meines Mandanten vortrugen“, sagte der Anwalt nun in der Verhandlung vor dem Landgericht. In der emotional aufgeladenen Situation fielen sodann mehrfach Äußerungen mit Bezug zur NS-Zeit im Allgemeinen und der nationalsozialistischen Gerichtsbarkeit im Besonderen. So attestierte der Rechtsanwalt der Amtsrichterin, dass diese &bdquo;auch unter Freisler“ hätte arbeiten können. Als die Richterin dem Verteidiger entgegnete, sie werde sich an die Anwaltskammer wenden, sagte der Angesprochene, dass sie dies ruhig tun solle: &bdquo;Das hätte Hitler auch nicht anders gemacht.“ Die 41-jährige Richterin erstattete Strafanzeige gegen den Juristen aus Sachsen, das Verfahren kam ins Rollen. Vor genau einem Jahr, am 4. April 2023, verurteilte das Amtsgericht Rahden den Rechtsanwalt wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Euro. Die Tagessatzhöhe bemisst sich stets nach den Einkommensverhältnissen des jeweiligen Angeklagten. Da der 63-Jährige zu seinen Einkünften vor dem Amtsgericht keine Angaben machte – was sein gutes Recht ist – , mussten diese geschätzt werden. So kam das Gericht in der Folge auf eine Geldstrafe von insgesamt 9.000 Euro. Körperlich angeschlagen Gegen dieses Urteil legte der Anwalt Berufung ein, weshalb es nun zur erneuten Verhandlung vor dem Bielefelder Landgericht kam. Zwar gingen die Ansichten darüber, was vor zwei Jahren in Rahden tatsächlich geäußert worden war, immer noch etwas auseinander. Doch räumte der Rechtsanwalt ein, dass zumindest die oben zitierten Äußerungen wohl gefallen seien. Er sei an jenem Tag um drei Uhr morgens aufgebrochen, um pünktlich in Rahden zu sein, und sei körperlich angeschlagen gewesen, sagte der Anwalt nun in der Berufungsverhandlung: &bdquo;Da kann es sein, dass ich mit den Nerven blank war. Das ist unprofessionell, das ist mir jetzt auch klar.“ Es sei in keiner Weise seine Absicht gewesen, irgendjemanden persönlich zu beleidigen. Auch sei er eigentlich nicht streitlustig: &bdquo;Normalerweise verliere ich nicht die Nerven. Es ist halt passiert. Es tut mir auch leid.“ Auch der als Zeugin vernommenen Richterin gegenüber entschuldigte sich der Angeklagte. Grenze überschritten &bdquo;Wir haben hier einen vollkommen anderen Angeklagten erlebt als den, den wir aus der Akte kennen“, mochte Richter Kai Kochmann dem 63-Jährigen zugutehalten. Dennoch sei aus Sicht der Kammer das Gesagte falsch gewesen und habe die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. &bdquo;Was mich stört“, führte Kochmann weiter aus, &bdquo;ist, dass man sich mit derartigen Vergleichen auf die gleiche Stufe wie die Opfer des Nationalsozialismus stellt. Das finde ich falsch.“ Da der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte jedoch sein Fehlverhalten eingeräumt und sich bei der betroffenen Amtsrichterin entschuldigt hatte, stellte die Kammer das Verfahren gegen eine Geldauflage von 3.000 Euro zugunsten einer sozialen Einrichtung vorläufig ein – womit der Rechtsanwalt zumindest dem Makel einer Verurteilung entgeht.

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