Bürokratieabbau rettet den Solegarten

Der Solegarten wird zum Euronengrab. Erneut ist es dem Eigenbetrieb Staatsbad nicht gelungen, ein Unternehmen zu finden, das bereit ist, das seit 2017 vor sich hin siechende Projekt für das Honorar zu realisieren, das die Bad Oeynhausener bereit sind, zu zahlen. Doch der ungeliebte Solegarten, der schon in der Planungsphase bis zur Unkenntlichkeit verdorrt ist, offenbart, wo das Problem der Stadtentwicklung wirklich liegt: Man weiß nicht, was man will. Deshalb baut man, wofür es Fördergeld gibt. Mindestens eine Million Euro wird der Garten kosten. Knapp 572.000 Euro soll das Land zuschießen. Die Kostenkalkulation für den Zuschuss stammt übrigens aus dem Jahr 2020. Wohlwollende Zeitgenossen könnten nun einwenden, dass die Finanzausstattung der Kommunen diese zwinge, ihre Entwicklung unter das launische Diktat der Fördermittelgeber zu stellen. Halb zog es sie, halb sanken sie hin: Das Unzusammenhängende, Zufällige, bisweilen Chaotische der Bad Oeynhausener Stadtentwicklung ist ein unmittelbares Resultat dieser selbst verschuldeten Unmündigkeit, die konsumiert, was dargeboten, nicht was gebraucht wird. Das wird am Solegarten exemplarisch deutlich. Das 2016 zusammen gepfuschte Tourismuskonzept sollte eigentlich den Solequellen größere Aufmerksamkeit und entsprechende Pflege verschaffen. Eine Idee, die am Kontakt mit der Realität zerschellte, denn die Quellen liefern, sofern sie nicht verkalkt sind, Sole und mit der kann man keinen Heilsuchenden mehr ins Staatsbad locken. Man will die Sole unbedingt &bdquo;erlebbar“ machen Es ist der Fluch des Berghauptmanns, der die Stadtväter und -mütter darauf zu verpflichten scheint, die Sole &bdquo;erlebbar“ machen zu müssen. Carl August Ludwig Freiherr von Oeynhausen, vollendet nach 15 Jahren anno 1845 das tiefste, je von reiner Menschenkraft gebohrte Loch der Erde. In 696,4 Metern Tiefe treffen seine geschundenen Arbeiter auf 34 Grad Celsius warme Sole. Das &bdquo;Bohrloch I“, die spätere Oeynhausen-Quelle, ist die Mutter der Stadt. Und Mutterliebe, auch wenn sie spät entflammt, verpflichtet. Der Mann und das Loch, dem weitere folgen, sollen einen Gedächtnisgarten bekommen, ein Ort der Erinnerung, an bessere Zeiten – einen Solegarten. Der Begriff allein zeigt die Hassliebe der Einheimischen, denn wenig verzeihen die in unseren Breiten heimischen Pflanzen weniger als den Kontakt mit Salzwasser. Die Gegenwärtigen haben dem Altvorderen und seinem Loch nie verziehen, dass ihre Stadt nur erblühte, weil Carl von Oeynhausen ein Loch bohren und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. einen Park anlegen ließ. Die Erfolgsgeschichte dieses Nesthäkchens unter den Städten speist sich nämlich aus den Quellen, die seit Jahrzehnten aber nur noch Bürde sind. Die Sole ist eine historische Hypothek. Jede Erinnerung an den Berghauptmann ist auch eine Mahnung Noch ungerechter wird wohl nur empfunden, dass der König und sein Berghauptmann unter einer Vision leiden, die sie Wirklichkeit werden lassen. Aus Neusalzwerk machen sie in Rekordzeit Bad Oeynhausen, ein mondänes Staatsbad, das auf höchstem Niveau die Leidenden umsorgt und unterhält – eine Goldgrube. Und so ist jede Erinnerung an den Berghauptmann und sein Loch auch eine Mahnung: Ohne eine Vorstellung davon, was man eigentlich sein will, wird die erhabene, aber beharrlich bröckelnde Bäderarchitektur nicht zu erhalten sein. Ein Blick auf den Königshof mag als Beleg genügen. Dabei hat die Kurstadt in den vergangenen zwei Jahrzehnten Unsummen für Konzepte und Strategien ausgegeben, externen Sachverstand eingekauft, der ihnen erklären sollte, wer sie sind oder sein sollen: Das Tourismuskonzept und der Solegarten lassen grüßen. Und immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her: diesmal in Gestalt der Reform des Vergaberechts in Nordrhein-Westfalen. Das könnte nämlich dazu führen, dass der Ausschreibungsmarathon schnell ins Ziel finden könnte. Ab dem 1. Januar können Kommunen ihre Vergabeverfahren, wenn sie unter dem für Bauleistungen gültigen EU-Schwellenwert von rund 5,5 Millionen Euro liegen, selbst gestalten, solange sie die Grundprinzipien der Vergabe von Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung einhalten. Ab dann muss der Zuschlag auch nicht mehr an den billigsten Bieter gehen. Dieser Bürokratieabbau könnte gar den Solegarten retten – wenn man ihn in der Kurstadt denn noch retten will. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

Meistgelesen