Von der Antike bis zur Kurstadt: Was Hygieia mit Bad Oeynhausen verbindet

Bad Oeynhausen. Die Staatsbad GmbH schickt sich an, die Frage zu beantworten, wie Hygieia nach Westfalen kam. Der Weg der griechischen Göttin der Heilkunst war lang und weit und hatte viel mit Preußen zu tun - und mit einem Berghauptmann. Vor 180 Jahren verneigen sich ein König (Friedrich Wilhelm IV.) und ein Genie (Alexander von Humboldt) vor Carl August Ludwig Freiherr von Oeynhausen, der anno 1845 in 696,4 Meter Tiefe auf 34 Grad Celsius warme Sole trifft. Das &bdquo;Bohrloch I“, die spätere Oeynhausen-Quelle, ist die &bdquo;Mutter der Stadt“, sagt Christian Barnbeck, der die Geschichte der Kurstadt aus dem Effeff kennt. Barnbeck, der für die Staatsbad GmbH als &bdquo;Projekt-Referent Gesundheit und Geschichte“ arbeitet, hält Bad Oeynhausen gar für die &bdquo;nördlichste Stadt Griechenlands“. &bdquo;Oder kennen Sie eine andere deutsche Stadt, in deren Mitte ein ionischer Tempel mit einem dorischen Säulengang steht?“ Barnbeck braucht einen kulturhistorischen Parforceritt durch drei Jahrtausende, um zu erläutern, warum das Staatsbad in diesem Jahr Griechenland zur Patin des Veranstaltungsjahres macht. So sei das 1857 vollendete Badehaus I der Villa des Diomedes, die zwischen 1771 und 1774 in Pompeji ausgegraben wurde, nachempfunden. Mit Carl Ferdinand Busse entwirft ein Schinkel-Schüler und lupenreiner Klassizist das Gebäude. Römisch sei es, weil zu Busses Zeiten noch keine griechischen Villen ausgegraben worden seien, erklärt Barnbeck. Aber am Gebäude finde sich nur griechische Ornamentik. Und so thront mit Schlange und Schale hinter der von Grünspan überzogenen Büste Carl von Oeynhausens eben die griechische Göttin der Heilkunst im Giebeldreieck. Bad Oeynhausen hat 2.400 Jahre alte Wurzeln in Griechenland Barnbeck zieht eine historische Line von dem mehr als 2.400 Jahre alten Asklepieion von Pergamon zum Badehaus I und betont, dass Bad Oeynhausen bei seiner Gründung in eben dieser Tradition stehe. Die frühen Mitarbeiter des Staatsbades hätten ihre offizielle Korrespondenz mit najadischen Grüßen aus Bad Oeynhausen beendet. Die Najaden sind Nymphen der griechischen Mythologie, die über Quellen, Bäche, Flüsse, Sümpfe, Teiche und Seen wachen. Das alles verdanke sich dem Zeitgeist, der auch viele Preußen ergriffen habe - dem Philhellenismus, der alles Griechische, den Humanismus und die Demokratie der um sich greifenden Restauration entgegengestellt habe. Die schwärmerische Idealisierung der griechischen Antike sei zum Maßstab für Kunst, Architektur und für einige auch für die Staatsform geworden. Ob Carl von Oeynhausen diese Griechenland-Freundschaft geteilt hat, ist nicht überliefert, doch seinem Beharrungsvermögen bei Neusalzwerk Steinsalz zu finden, wird das Fundament der Kurstadt. Irrtum, Pleiten, Pech und Pannen pflastern seinen Weg zum Loch, das seinen Namen tragen wird. Als er schließlich sein Werk begutachtet, blickt er auf das wohl tiefste je von purer Menschenkraft geschaffene Loch – den Oeynhausen-Sprudel. Aus der artesischen Quelle schießt Salzbrühe, deren Eisenbestandteile umgehend oxidieren, als sie den oberen Rand vom Loch passiert haben. Oeynhausen ist gescheitert, denn Steinsalz findet er nicht und das preußische Bergamt muss ihm klarmachen, dass jetzt Schluss mit Weiterbohren ist. Oeynhausen hat die Region aus einem Dornröschenschlaf geweckt Dichtung oder Wahrheit – Oeynhausens Malocher, deren Muskeln das Loch in Mutter Erde treiben, suhlen sich und ihre geschundenen Glieder in der braunen Brühe und erfahren Linderung ihrer Leiden. Der beeindruckte Berghauptmann mutiert zum Gesundheitsapostel und wirkt fürderhin als umtriebiger, gut vernetzter Motor der Entwicklung des Solebades, das seit 1848 seinen Namen trägt. Oeynhausen habe auch dafür gesorgt, dass die Bahnlinie Köln-Minden durch die im Entstehen begriffene Kurstadt gelegt wird - eine Reminiszenz an die beginnende Industrialisierung in der neoklassizistischen Stadt, die zunächst &bdquo;Soolbad bei Rehme“ oder &bdquo;Bad Neusalzwerk“ genannt wird, sagt Barnbeck. Eigentlich habe Oeynhausens Loch die Ravensberger Mulde aus ihrem mittelalterlichen Dornröschenschlaf geweckt, sagt Barnbeck, denn das, was folgen sollte, hätten die Menschen an Werre und Weser vorher nicht gekannt. &bdquo;Das einzige Gebäude, das aus dieser Epoche noch stehe, sei wohl das ehemalige Hotel Wittekind“, sagt Barnbeck. Die ersten sind auch die dunklen Jahre der Kurstadt: Nur wenig sei über sie bekannt, Abbildungen existierten eigentlich keine, sagt Barnbeck, um dann anzukündigen, dass er einen Weg gefunden habe, diese Jahre wieder anschaulich werden zu lassen. Barnbeck will mit einer Ausstellung zeigen, wie Bad Oeynhausen zwischen 1845 und 1855 ausgesehen habe. Mehr verraten er und Staatsbad Geschäftsführerin Beate Krämer aber nicht über ihr noch streng geheimes Griechenland-Programm. Sicher ist nur, dass die Hygieia, die als verballhornte Quellnymphe auch das Badhaus II ziert, zum Maskottchen des Programmes wird. Im Logo taucht sie stilisiert auf. Und Barnbeck lüftet noch ein Geheimnis: Die Oeynhausen-Quelle ist nach 180 Jahren noch gut in Schuss. In zwei Edelstahlwannen des Badehauses II werden bis heute der Oeynhausen-Sprudel (kohlensäure- und fluoridhaltige, 3,5-prozentige Thermalsole), sowie die Kurdirektor-Schmidt-Quelle (kohlensäurehaltige, 9-prozentige Kaltsole) eingelassen. Übrigens ist man sich in der Kurstadt offenbar nicht ganz sicher, wann der Berghauptmann auf Thermalsole stieß. Auf einem Findling neben der Quelle ist eingeschlagen, dass er erst 1846 den tiefsten Punkt der Bohrung erreicht hat. Zwei Meter weiter links, weist eine arg ramponierte Infotafel das Jahr 1845 aus.

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