Staatsanwalt klagt zwei mutmaßliche Buchbetrüger aus Bad Oeynhausen an

Bad Oeynhausen. Die Verkaufszahlen gedruckter Lexika sind nach der Erfindung des Internets ziemlich mau. Bertelsmann hat sich 2013 aus dem Lexikon-Vertrieb verabschiedet, die Gütersloher Firma Inmedia One stellte den Direktvertrieb Mitte 2014 ein. Trotzdem gehört die Brockhaus-Bücherwand im Wohnzimmer weiterhin zur Grundausstattung des sich bildungsbürgerlich gebenden Haushalts. Lexikonbesitzer und Buchliebhaber haben aber ähnliche Vorlieben. Das machen sich Betrüger zunutze und suchen ihre Opfer gezielt unter den ehemaligen Kunden von Bertelsmann. Inzwischen wollen einige davon nämlich ihre Büchersammlungen verkaufen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat am Donnerstag zwei junge Männer aus Bad Oeynhausen angeklagt, die als Handelsvertreter im Herbst und Winter 2021/2022 einer Firma mit einer ausgeklügelten Buchbetrugsmasche Erfolg gehabt haben sollen. Sie klingelten an den Haustüren zweier Lexikonbesitzer, plauderten über den Wert von deren Büchersammlung und stellten einen Käufer in Aussicht. Als die Buchbesitzer Interesse zeigten, wurden ihnen stattdessen teure Kreditverträge aufgeschwatzt. Die beiden Angeklagten, ein 26-jähriger Sportstudent, der inzwischen in Hamburg wohnt, und ein 38-jähriger Bad Oeynhausener widersprechen dieser Darstellung. Die Verteidigerin des Sportstudenten bestätigt zwar, dass ihr Mandant damals von dem mitangeklagten Handelsvertreter angelernt worden sei. Es sei aber überhaupt nicht klar, ob ihr Mandant beteiligt sei. &bdquo;Ganz normale Geschäfte“ Der 38-jährige Angeklagte ergreift selbst das Wort (&bdquo;Ich will hier einiges richtigstellen“) und erläutert seine Buchgeschäfte als Handelsvertreter als ganz normale Haustürgeschäfte. Selbstverständlich habe er zunächst Smalltalk mit seinen Kunden gehalten. &bdquo;Menschen kaufen nichts, wenn sie sich nicht mögen.“ Die Geschäfte seien aber schriftlich vereinbart worden: Die Kunden hätten Datenschutzerklärungen, Widerrufsbelehrungen und eidesstattliche Versicherungen unterschrieben. Der Staatsanwalt hakt ein und fragt: &bdquo;Und warum haben sie zum Tatvorwurf überhaupt nichts gesagt?“ Die Firma, für die der Angeklagte damals arbeitete, sei längst insolvent: &bdquo;Die Masche ist bekannt.“ Der Angeklagte lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und beteuert, er habe im Kundengespräch keine Kaufinteressenten in Aussicht gestellt. Das stellen die Geschädigten selbst anders dar. Ein 64-jähriger Maler und Lackierer aus Bad Pyrmont erzählt von seinen Begegnungen mit dem 38-jährigen Angeklagten. Er habe sehr angenehme Gespräche geführt. Schließlich habe ihm der Angeklagte einen Käufer aus dem Saarland für seine Sammlung in Aussicht gestellt, der angeblich bereit sei, mehr als 100.000 Euro für seine Lexika und weiteren Bücher zu zahlen. Er müsse allerdings als Sicherheit eine Anzahlung leisten. Wie sich herausstellte, ging es nicht um eine Anzahlung, sondern um einen Kreditvertrag über 20.000 Euro. Der Handelsvertreter bestätigt diesen Vertragsabschluss im Gerichtssaal - allerdings für den Kauf eines weiteren Buches. Er habe die Summe auf 15.000 Euro reduziert, weil der Bücherliebhaber 5.000 Euro für die Reparatur des Autos der Tochter zurücklegen wollte. Der Zeuge erklärt dazu auf Nachfragen des Gerichts, er habe zwar eine Tochter, doch die besitze &bdquo;gar kein Auto“. Den Kredit musste trotzdem bedienen, auch wenn das Geld knapp war. Die Bank verkaufte den Schuldschein und das Landgericht Hannover verurteilte den Maler auf Antrag eines Inkassounternehmens zur Ratenzahlung. Der zweite Bücherliebhaber ist ein ehemaliger Küchenchef aus Hannover. Er berichtet von stellenweise unangenehmen Gesprächen mit beiden Angeklagten, die hartnäckig klingelten. Auf Nachfragen ist er sich aber nicht sicher, ob der Sportstudent dabei war, auch wenn dessen Nachname in den Verträgen steht. Auch die Ehefrau des Küchenchefs beschreibt einen anderen Mann. Ein Kreditvertrag ist rückabgewickelt Allerdings erklärt die Ehefrau deutlich, dass der Handelsvertreter von einem Käufer sprach. Die Sammlung sei um die 50.000 Euro Wert. Seine Firma würde 30.000 Euro zahlen und den Kauf vermitteln. &bdquo;Das war schönes Geld“, sagt die Frau. &bdquo;In Wirklichkeit war das aber ein Kredit!“ Das stellte sich heraus, als das Ehepaar mit einer Checkliste, die der Verkäufer für sie ausgedruckt hatte, zur Postbankfiliale ging. Dort zeigten sie Rentenbescheid, aktuelle Kontoauszüge und Personalausweis vor - und bekamen das Geld überwiesen. Als sie zuhause kleinlaut ihren Kindern davon erzählten, nahmen die ihre Eltern ins Gebet: &bdquo;Da haben wir unser Vaterunser gekriegt“, sagt die Frau. Glücklicherweise ließ sich der Kreditvertrag rückabwickeln. Das Gericht spricht den 26-jährigen Angeklagten auf Antrag des Staatsanwalts auf Kosten der Staatskasse frei. &bdquo;Es gibt einige Indizien für ihre Täterschaft, allerdings ist unklar, ob sie dabei waren“, so der Richter. Der Angeklagte sei im Zweifel freizusprechen. Der zweite Angeklagte, der 38-jährige Bad Oeynhausener, aber muss weiter die Anklagebank drücken. Der Richter will noch die Ehefrau des Bad Pyrmonters hören. Der Prozess wird vertagt.

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