Wende im Philipos-Prozess? Drittes Video auf Zeugen-Handy gefunden

Bad Oeynhausen. Mehr als zehn Monate nach der Tat hat die Polizei ein weiteres Video des Kurpark-Totschlags rekonstruieren können. Das zeigt offenbar den blutenden und am Boden liegenden Philipos, auf den hasserfüllte Kommentare eines 18-jährigen Portaners einprasseln. Für die Verteidigung ein klarer Hinweis darauf, dass nicht der Angeklagte 19-jährige Syrer für die tödlichen Tritte gegen Philipos verantwortlich ist. Strafverteidiger Burkhard Benecken bemängelt zudem die Ermittlungsarbeit. &bdquo;Wie kann es sein, dass diese Videos erst jetzt auftauchen?“, kritisiert er die Arbeit der Bielefelder Polizei. Am Montag wird der Landgerichtsprozess mit dem 16. Verhandlungstag fortgesetzt. Dann soll das neue Video gezeigt und drei Zeugen erneut gehört werden. Das dritte Foto oder Video war bereits an den vergangenen Verhandlungstagen Thema. Es soll den sterbenden Philipos aus nächster Nähe zeigen. Nun hat offenbar auch die Polizei das Video auf einem Zeugenhandy gefunden. Es soll nach &bdquo;NW“-Informationen den am Boden liegenden 20-jährigen Mindener Philipos T. zeigen, der aus Nase und Ohren blutet. Während der Videofilmer das Handy gnadenlos auf Philipos hält, soll er nicht mit bösartigen Kommentaren und konkreten Beleidigungen sparen. &bdquo;Diese nehmen Bezug auf eine persönliche Auseinandersetzung des Zeugen mit Philipos“, umschreibt sie Burkhard Benecken. Das Video endet offenbar abrupt. &bdquo;Entweder hat er eingetreten oder tritt genau dann auf Philipos ein“, erklärt Benecken seine Sicht des Endes. Videofilmer aus Porta Westfalica soll vor Gericht aussagen Der Filmer, ein Auszubildender aus Porta Westfalica, hatte bereits im März im Zeugenstand ausgesagt und zugegeben, drei Videos gemacht zu haben. Erhellendes trug er da aber nicht zur Aufklärung bei. Als ihm der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster Auszüge aus verschiedenen Chats vorhielt, die der Portaner kurz nach der Tat geführt haben soll, offenbarten sich bei diesem plötzlich Erinnerungslücken. So habe er über fünf Stunden immer wieder mit einem weiteren Zeugen gechattet. Darin soll es unter anderem um Anweisungen gegangen sein, wer was bei der Polizei aussage. Zum einen sollte der 19-Jährige für den Portaner Zeugen lügen und sagen, er sei bei der Schlägerei schon zu Hause gewesen. Zum anderen sollte der 19-Jährige selber sagen, er sei nur dabei gewesen und &bdquo;das war alles dieser Araber“. Die Chance, sich zu erklären, ließ er verstreichen. &bdquo;Da kann ich nichts zu sagen“, lautete vor vier Wochen seine Antwort. Lesen Sie auch: Bad Oeynhausener Kurpark-Totschlag: Staatsanwalt bringt Mord ins Spiel Am Montag nun bekommt er eine neue Chance, zur Aufklärung des Falles beizutragen. Nach dem Fund des Videos wurde der 18-Jährige jüngst erneut von der Polizei vernommen und ist am Montag einer von drei Zeugen, die zum wiederholten Male ins Landgericht geladen wurden. Darunter auch der ehemalige Mitangeklagte aus Magdeburg, dessen Verfahren vor Ostern abgekoppelt und eingestellt worden war. Auch er soll mit dem Videofilmer und einer weiteren dritten Person bei Philipos gewesen sein. Philipos-Prozess am Landgericht Bielefeld läuft seit Dezember Seit Dezember steht ein inzwischen 19-jähriger Syrer vor dem Landgericht in Bielefeld und muss sich im Fall Philipos wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er soll den 20-jährigen Philipos in der Nacht zum 23. Juni auf den Kurhausterrassen aus bislang unbekannten Gründen attackiert, auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Der Mindener erlitt so schwere Kopfverletzungen, dass er zwei Tage später im Mindener Klinikum verstarb. Lesen Sie auch: Bad Oeynhausener Kurpark-Schlägerei: Zeugin im Philipos-Prozess lügt aus Angst vor Rache Die Verteidigung griff schon im Februar bei der schriftlichen Einlassung des Angeklagten Syrers den besagten Chatverlauf auf. &bdquo;Sag doch, du warst nur dabei und das war alles dieser Araber“, soll wenige Stunden nach der Tat zwischen zwei Deutschen getickert worden sein. Für Anwalt Benecken schon da der Beweis, dass sich die restliche Gruppe Deutscher abgesprochen hatte, um die Tat einem Migranten in die Schuhe zu schieben. Die Videos, so berichtet Benecken, seien auch in einigen Chats Thema gewesen. Anwalt des Ankgeklagten: &bdquo;Schlechte Polizeiarbeit“ Auch die &bdquo;NW“ berichtete im vergangenen Jahr kurz nach der Tat von einem Video. Was die Ermittler aber vehement dementierten. Ihnen liege nichts vor, ließen sie dieser Zeitung mitteilen. Nun wurden sie aber doch fündig. Monate nach der Tat. Auf Smartphones, die schon wenige Tage nach dem Totschlag erstmals untersucht worden sind. &bdquo;Das ist ganz schlechte Polizeiarbeit und völlig unverständlich, dass diese Videos nicht schon letztes Jahr gefunden wurden“, kritisiert Burkhard Benecken. Sie hätten den Prozess frühzeitig verändert. &bdquo;Die Polizei hatte alles in Händen und hat nichts gefunden. Wie kann das sein?“ Für den Strafverteidiger aus Marl ein Unding. Hat das weitere Video im Fall Philipos Folgen für die Anklage? &bdquo;Dieses Video bringt die Anklage zum Einstürzen“, ist Benecken nun überzeugt. &bdquo;Es zeigt, dass andere Personen in feindseliger Absicht zum verletzten Philipos gegangen sind.“ Benecken selbst ist geschockt vom Video. &bdquo;Ich bin viele Jahre Strafverteidiger und habe manches gesehen. Aber ein solch bösartiges und schäbiges Video ist mir in meiner Laufbahn bisher nicht untergekommen“, erklärte er im Gespräch mit der &bdquo;NW“. Dass jemand mit der Handykamera so an einen Verletzten herangehe und solche Kommentare von sich gebe, habe er bisher nicht erlebt. &bdquo;Das bestätigt, dass die These ’das war alles dieser Araber’ gezielt von den Zeugen umgesetzt wurde. Alle haben gelogen“, betont Benecken. &bdquo;Das kann für meinen Mandanten nur noch Freispruch bedeuten, alles andere ist nicht zu vertreten.“ Mehr dazu: Gelöschte Videos im Prozess zu Philipos-Tod: Staatsanwalt kündigt Folgen für Zeugen an Im Laufe des Verfahrens kam zudem immer wieder zur Sprache, dass beteiligte Zeugen wenige Stunden nach der Schlägerei Begriffe wie Hirntod, Untersuchungshaft, Totschlag und Mord gegoogelt hatten. Auslöser dafür soll angeblich, so erklärten sie in ihren Vernehmungen, das besagte Video gewesen sein. Doch wer hat letztlich Philipos die tödlichen Tritte gegen den Kopf verpasst? Tatsächlich der Angeklagte? Oder doch einer der Drei, die zur letzten Filmaufnahme vor Philipos standen? Strafverteidiger Benecken ahnt, dass die Tat vermutlich nie ganz aufgeklärt werden wird. &bdquo;Das ist für die Hinterbliebenen von Philipos sehr schlimm. Noch schlimmer aber ist, dass der wahre Täter die Angehörigen monatelang an der Nase herumgeführt hat.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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