Philipos-Prozess: „Übel, widerlich und unglaublich“ - blutendes Opfer wird in neuem Video beleidigt

Bielefeld/Bad Oeynhausen. Das, was die Mutter des getöteten Philipos am Montagmorgen im Landgericht Bielefeld zu sehen und vor allem zu hören bekommt, ist an Widerlichkeit nicht zu überbieten. Aufs Übelste beleidigt ein 18-jähriger Portaner den blutüberströmt am Boden liegenden Philipos und filmt das Ganze auch noch. &bdquo;Kleine F.... wollte mit mir Stress“, beschimpft er den sterbenden 20-Jährigen. Das ist auf einem jüngst aufgetauchten Video der Kurpark-Schlägerei zu hören. Außerdem ist noch ein viertes Video gefunden worden - das zeigt eine Körperverletzung im Vorfeld der Schlägerei. Auch hier ist der Portaner beteiligt, auch hier filmt er. Am 16. Verhandlungstag gibt es zudem eine Erklärung des angeklagten Syrers sowie einen Blick in sein Vorstrafenregister, in das Gutachten der Psychiaterin und eine Entschuldigung des Staatsanwaltes aufgrund der verzögerten Ermittlungsarbeit. Schon im vergangenen Jahr hatte die Mordkommission Palais, mehrere Handys sichergestellt und Dateien gesichert. Doch erst bei einer erneuten Auswertung im April wurden die Beamten auf einem Handy eines Mindeners und auf dem Smartphone eines 18-jährigen Portaners fündig. Bei Letzteren wurden 98.500 Fotos und mehr als 7.000 Videos einzeln gesichert, aber nichts gefunden. Erst ein Pfad zu einem Unterordner von Snapchat brachte weitere Videos zutage, sodass es vier mehrere sekundenlange Szenen des Abends gibt. Alle gefilmt von ein und derselben Person. So ist auch ein Video gefunden worden, das zeigt, wie der 18-Jährige am gleichen Abend einen Abiturienten beleidigt und ihm eine Backpfeife verpasst. Das zweite Video zeigt den nahezu regungslos am Boden liegenden Philipos, der aus Nase und Ohr blutet, sich eingenässt hat und dessen linkes Bein kurz zuckt. &bdquo;Philipos sieht aus, als sei er bereits tödlich verletzt“, beschreibt Staatsanwalt Christoph Mackel die Szene. Philipos’ Vater hatte vorher den Saal verlassen, die Mutter hält durch, wenn auch unter Tränen und um Fassung ringend. &bdquo;Das ist ein absolut distanzloses Video, in dem das Opfer aufs Übelste beschimpft wird“, so Mackel. &bdquo;Das ist ganz schrecklich, was wir im letzten Video zu sehen bekommen haben. Das ist widerlich, das ist unglaublich, und auch viele Zeugen in diesem Verfahren waren einfach nur widerlich und unglaublich.“ Lesen Sie auch: Fall Philipos T. - aktuelle Nachrichten und Hintergründe Staatsanwalt entschuldigt sich Mackel nutzt die Verhandlung für eine Entschuldigung. &bdquo;Als verantwortlicher Staatsanwalt nehme ich die Verantwortung auf mich, dass diese Videos erst so spät aufgetaucht sind. Wären sie eher gefunden worden, hätte das das Verfahren erleichtert.“ Seine Entschuldigung, so Mackel, richte er ausdrücklich an die Hinterbliebenen, an das zweite Opfer und an die Bürger. &bdquo;Nicht aber an den Angeklagten. Denn die neuen Videos zeigen und bestätigen das, was durch die Beweisaufnahme und die Zeugen beschrieben wurde - sie bestätigen nur leider viel zu spät, dass Philipos mehrfach vom Angeklagten geschlagen und getreten wurde. Dass er deshalb gestürzt ist, dass der Angeklagte über ihn hinwegspringt und selber ins Straucheln kommt und dass er ihm die Tasche entreißt“, erklärte Christoph Mackel. &bdquo;Dieses Video zeigt zudem die typische Sprache von Möchtegern-Gangstern.“ Das Video zeige dagegen nicht, dass jemand anderes als der Beschuldigte auf Philipos eingewirkt habe. Lesen Sie auch: Wende im Philipos-Prozess? Drittes Video auf Zeugen-Handy gefunden Im Anschluss wurden drei Zeugen gehört. Der Portaner Filmer war das zweite Mal im Zeugenstand, ein 19-jähriger Bad Oeynhausener wurde bis vor den Osterferien als Mitangeklagter geführt und nun als Zeuge und der dritte Zeuge war ein 20-jähriger Mindener, der im vergangenen Jahr Abitur gemacht und nun bereits zum dritten Mal gehört wurde. Und alle Drei zeigten das nahezu identische Verhalten wie an den vorangegangenen Verhandlungstagen. Sie logen, beriefen sich auf Erinnerungslücken und versuchten nicht ansatzweise Licht ins Dunkle zu bringen. Der Videofilmer selber kann sich nicht erklären, warum er ein solches Video gedreht hat. Er schäme sich. Und wolle sich bei der Familie entschuldigen. Den Vater von Philipos lässt das nur fassungslos den Kopf schütteln. Im Laufe der Vernehmungen stellt sich dann heraus, dass es im Fall einer vorausgegangenen Körperverletzung gegen einen Abiturienten Absprachen unter den Zeugen gegeben hat, dazu nichts zu sagen. Nützen wird es nicht. Das Verfahren wegen Körperverletzung und Falschaussage gegen den Portaner habe er bereits eröffnet, verkündete Staatsanwalt Mackel. Der Portaner betont, dass der Beschimpfung des verletzten Philipos keine Auseinandersetzung vorausgegangen sei. &bdquo;Ich kannte ihn nicht. Deshalb kann ich mir selbst nicht erklären, warum ich diese Aussage auf dem Video gemacht habe.“ Eventuell habe er den Coolen spielen wollen. Den Vorsitzenden Richter Carsten Glashörster überzeugte das nicht. &bdquo;Die Situation ist nicht so richtig gut für sie. Jetzt hilft nur absolute Ehrlichkeit.“ &bdquo;Spielt das ’ne Rolle?“, wollte der Portaner vom Richter wissen, als er nach dem Grund für die Backpfeife fragte. &bdquo;Bei meinen Fragen denke ich mir meistens was. Das ist keine private Neugierde“, konterte Glashörster. Und bekam Unterstützung von seinem Richterkollegen: &bdquo;Das ist Ihre Chance, gesichtswahrend aus der Nummer rauszugehen. Jedes unangenehme Gefühl hier haben Sie sich mehr als erarbeitet.“ Abschließend bekräftigte der 18-jährige Portaner, dass weder er noch die anderen beiden Zeugen Philipos angefasst oder getreten hätten. &bdquo;Das ist sicher“, schloss er. &bdquo;Sicher ist in diesem Verfahren nur, dass hier sehr sehr viele gelogen haben“, konterte Mackel. Strafverteidiger Burkhard Benecken, der zusammen mit Baris Devletli den angeklagten 19-jährigen Syrer vertritt, brachte den Begriff Trophäenvideo ins Spiel. &bdquo;Sind Sie gar nicht auf die Idee gekommen, zu helfen? Sind Sie eiskalt weggegangen und haben Philipos da liegen gelassen?“, wollte er wissen. Eine Antwort blieb der 18-Jährige schuldig. Devletli erinnerte an den Chat zwischen dem Filmer und einem Mindener, in dem alles &bdquo;dem Araber“ in die Schuhe geschoben werden sollte. Benecken ging noch einen Schritt weiter: &bdquo;Wir haben hier eventuell den Täter gesehen.“ Durch das Video sei der Tatverdacht gegen den Portaner genauso stark wie gegen seinen Mandanten. Abschließend attestierte die psychiatrische Gutachterin Mareike Schüler-Springorum dem beschuldigten Syrer volle Schuldfähigkeit. Und der Auszug aus dem Bundeszentralregister zeigte für den 19-jährigen Syrer vier Einträge. 2020 Diebstahl geringwertiger Sachen, was nicht weiterverfolgt wurde. 2021 Diebstahl, bei dem ebenfalls von einer Verfolgung abgesehen wurde. Im Mai 2023 gab es dagegen ein Urteil des Amtsgerichtes Pforzheim wegen schweren räuberischen Diebstahls, was eine Verwarnung und eine Geldauflage von 300 Euro zur Folge hatte. Als Mitläufer war der Syrer dabei, als ein anderer zwei Kinder abzog und ihnen eine Marken-Jacke raubte. Weil der andere Täter ein Messer zückte und mit Abstechen drohte, wurde auch der Syrer mitverurteilt. Letztlich gab es ein weiteres Urteil im April 2024 vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen. Die Tat ereignete sich aber bereits im Juni 2023 in Pforzheim. Dort soll der 19-Jährige aus einem bereits aufgebrochenen Automaten drei Schachteln Zigaretten gestohlen haben. Dafür wurde er zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Prozess wird mit dem Gutachten der Jugendgerichtshilfe und den nicht-öffentlichen Plädoyers am 7. Mai um 9 Uhr fortgesetzt. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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