Staatsanwalt fordert lange Haftstrafe im Bad Oeynhausener Kurpark-Totschlag

Bad Oeynhausen. Es wird keine leichte Aufgabe für die IV. Große Strafkammer des Landgerichtes Bielefeld. Sie wird am Freitag um 12 Uhr das Urteil im Philipos-Prozess verkünden. Denn viel weiter könnten die Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht auseinanderliegen. Während Staatsanwalt Christoph Mackel am Mittwoch in den nicht-öffentlichen Plädoyers eine hohe Haftstrafe forderte, setzen die Verteidiger des 19-jährigen Angeklagten, Burkhard Benecken und Baris Devletli, darauf, dass ihr Mandant den Gerichtssaal am Freitag als freier Mann verlässt. &bdquo;Wir haben auf gefährliche Körperverletzung plädiert“, erklärte Benecken, der sich als einziger Jurist öffentlich äußerte. Er sparte zugleich nicht mit erneuter Kritik an der polizeilichen Ermittlungsarbeit. &bdquo;Es geht hier um ein Tötungsverfahren, ich habe noch nie so schlechte Ermittlungen gesehen. Das war absolut anfängerhaft.“ Staatsanwalt Christoph Mackel selbst äußerte sich nach den Plädoyers nur knapp. &bdquo;Ich habe auf schuldig plädiert“, verkündete er lediglich im Vorbeieilen. Angeklagt wegen Totschlags ist ein 19-jähriger Syrer aus Bad Oeynhausen. Offenbar geht die Staatsanwaltschaft nach den 16 Prozesstagen aber noch über die Anklage hinaus. Sie wirft dem Angeklagten versuchten Mord sowie Raub mit Todesfolge vor. Diesem Plädoyer schlossen sich offenbar auch nahezu alle Nebenklagevertreter an. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, dann geht der mutmaßliche Täter für neun Jahre in Haft. Verteidigung spricht von Körperverletzung Die Verteidigung dagegen spricht von gefährlicher Körperverletzung. &bdquo;Unser Mandant hat ganz klar gesagt, er habe Fehler gemacht. Er hat geschlagen, er hat aber zu keinem Zeitpunkt auf Philipos eingetreten“, so Burkhard Benecken. &bdquo;Mein Mandant sitzt jetzt schon neun Monate in Untersuchungshaft und wenn es zu einer Verurteilung nur wegen Körperverletzung kommt, ist das schon eine sehr harte Strafe, die er vorab bekommen hat. Deshalb haben wir beantragt, dass er verwarnt wird und am Freitag nach der Verhandlung nach Hause gehen kann.“ Lesen Sie auch: Philipos-Prozess: Angeklagter will Familie nicht enttäuschen – Umzug nach Bad Oeynhausen war Fehler Aus seiner Sicht plädiere die Staatsanwaltschaft im Zweifel gegen den Angeklagten. &bdquo;Dabei gibt es ein weiteres ganz entscheidendes Video, wo jemand zu dem am Boden liegenden Philipos ganz unschöne Dinge sagt und dann auch noch äußert: ’Wolltest Stress mit mir’. Man kann keinesfalls ausschließen, dass diese Person oder ein Begleiter möglicherweise auf Philipos noch eingetreten haben. Da wird seitens des Staatsanwaltes gemutmaßt - zum Nachteil meines Mandanten. Und das geht in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht.“ Wie berichtet, muss sich ein inzwischen 19-jähriger Syrer vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Er wird beschuldigt, den 20-jährigen Philipos im Juni 2024 des Nachts im Kurpark von Bad Oeynhausen zu Tode geprügelt zu haben. Der junge Mann, der seit Ende 2023 in Bad Oeynhausen lebt, bestreitet, für Philipos’ Tod verantwortlich zu sein. Seit dem Prozessauftakt im Dezember und nach inzwischen 17 Verhandlungstagen ähnelt der Prozess um den getöteten Philipos größtenteils einem Schauspiel mit laienhaften Zeugen-Darstellern. Mehrere Jugendliche hat die Jugendstrafkammer in den bisherigen Terminen gehört. Viele von ihnen wollten vor dem Landgericht Bielefeld lieber schweigen oder verwickelten sich in peinliche Widersprüche. Auch ein 18-jähriger Portaner, der Sequenzen der Schlägerei filmte und später den sterbenden Philipos beleidigte, gehörte zu denen, die der Justiz nur wenig Respekt zollten. Ermittlungen seien anfängerhaft geführt worden &bdquo;Die Zeugenaussagen in diesem Prozess waren eine einzige Katastrophe. Es gibt bei den Zeugen keinerlei Respekt mehr vor der Strafjustiz. Jeder sagt nur das, was ihm oder seinem Kumpel nützt. Das ist eine Entwicklung, die finde ich abenteuerlich“, erklärte Anwalt Benecken. &bdquo;Und natürlich ist es für das Gericht wahnsinnig schwierig. Normalerweise gibt es in solchen Verfahren immer den ein oder anderen Zeugen, wo man sagt, da kann ich mein Urteil drauf stützen. Ich glaube, hier ist das im Prinzip unmöglich, Zeugenaussagen zur Grundlage einer Verurteilung heranzuziehen“, analysierte Benecken. Sein Kollege Baris Devletli verwies im Plädoyer zudem darauf, dass eine der wenigen brauchbaren Zeuginnen - eine Abiturientin aus Minden - die Tat im dunklen Kurpark aus der Ferne beobachtet und ausgesagt habe, dass drei Personen bei der liegenden Person an der Rampe gewesen seien und dass es dort zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, bevor sich die Gruppe aufgelöst habe. Lesen Sie auch: Philipos-Prozess: &bdquo;Übel, widerlich und unglaublich“ Benecken kritisierte in seinem Plädoyer noch einmal sehr deutlich die Ermittlungsarbeit der Behörden. Es sei ihm unbegreiflich. &bdquo;Nur durch unseren Antrag sind überhaupt noch einmal die Handys beschlagnahmt und durchsucht worden.“ Erst da seien die Videos der Tat gefunden worden. &bdquo;Der Staatsanwalt hat eine Stunde plädiert und mit keinem Satz die Chatverläufe und Googlesuchen der Zeugen aufgegriffen“, so Benecken. Die Aussagen &bdquo;Sag doch, du warst nur dabei und das war alles dieser Araber“ sowie Internetsuchen der Zeugen und einstigen Mitangeklagten nach Mord und Totschlag, Hirntod, Einnässen nach Hirntod sprächen ein anderes Bild. &bdquo;Die Behörden sind zu einem frühen Zeitpunkt sehr einseitig abgebogen. Und das kann ich auch sagen, wenn ich meine Verteidigerbrille absetze und objektiv auf das Verfahren schaue“, betonte Burkhard Benecken. Das letzte Wort hatte der Angeklagte Das letzte Wort hat in jedem deutschen Gerichtsverfahren der Angeklagte selbst. &bdquo;Es tut mir leid“, soll er gesagt haben. Er bereue es, an diesem Abend überhaupt im Park gewesen zu sein und den ersten Schlag gesetzt zu haben. &bdquo;Aber ich habe Philipos nicht getreten“, betonte der Angeklagte. Für die Mutter des getöteten Philipos (20) aus Minden kamen diese Sätze zu spät. &bdquo;Es war die falsche Reihenfolge“, sagt Joanna Steinmann-Glogowski. &bdquo;Am ersten Tag hätte ich ihm das noch abgenommen - aber jetzt nicht mehr.“ Sie sei überzeugt, dass der Täter auf der Anklagebank sitze. &bdquo;Zwischendurch hatte ich Zweifel, vor allem als das Video auftauchte. Aber die Beweise zeigen auf ihn.“ Sie hoffe jetzt auf eine Strafe. &bdquo;Denn Gerechtigkeit werde ich nicht bekommen. Mein Sohn kommt nicht wieder.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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