Bad Oeynhausen hat Angst vorm Denkmal

&bdquo;Denk mal!“ ist ein Befehl. Der ist voraussetzungslos, weil der Mensch denkt. Dagegen kann er sich nicht wehren. Nicht immer führt dieses Denken aber zum Erfolg. So hat die NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach 2022 über das Denkmalschutzgesetz nachgedacht und es danach quasi abgeschafft. Nun gilt das Verhältnis von Bürgermeister Lars Bökenkröger (CDU) zu seiner Parteifreundin als eher ehrfürchtig, nachdem sie ihn bei der Übergabe von Förderbewilligungen lange zappeln gelassen hatte. Doch nun hätte er Grund, sich bei Scharrenbach zu bedanken. Denn das Gesetz der Ministerin könnte Bökenkröger helfen, das Großprojekt Albert-Rusch-Viertel umzusetzen. Laut dem Gesetz, das am 1. Juni 2022 in Kraft trat, wird sich die kommunale Denkmalschutzbehörde nur noch die Argumente der Denkmalfachbehörde &bdquo;anhören“, statt die Entscheidung &bdquo;im Benehmen“ zu treffen. Verkürzt ausgedrückt, kann die Stadt hoheitlich über die Unterschutzstellung entscheiden, denn sie ist die Untere Denkmalschutzbehörde. Die Debatte: Das sagt der Bürgermeister zur Albert-Rusch-Siedlung Fällt der Denkmalschutz wirtschaftlichen Interessen zum Opfer? Die Denkmalschützer des Landschaftsverbandes sind von Scharrenbach entmachtet worden. Ihre Expertise hat - wenn überhaupt - nur das Verfahren begleitenden Charakter und der spielt der Stadt und ihrer Tochter, der Städtischen Gesellschaft für Wohnen (SGW), die das bislang auf mindestens 80 Millionen Euro taxierte Projekt umsetzen will, in die Karten. .responsive23-zyWdbeYuRvsgSk76-bar-vertical-foerderung-denkmaeler { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-zyWdbeYuRvsgSk76-bar-vertical-foerderung-denkmaeler { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-zyWdbeYuRvsgSk76-bar-vertical-foerderung-denkmaeler { padding-top: 142.86%; } } Es ist kein Geheimnis, dass man beim Landschaftsverband in Münster nicht glücklich über das neue Denkmalrecht ist. Das Vorurteil, der Denkmalschutz könnte wirtschaftlichen Interessen und/oder Zielen der Stadtentwicklung zum Opfer fallen, weil die Wächter aus Münster quasi unbewaffnet ins Feld ziehen müssen, scheint sich in Bad Oeynhausen exemplarisch bewahrheiten zu können. Der LWL hält die Rusch-Siedlung nämlich für schützenswert und eröffnet so eine Debatte, die sowohl der Bürgermeister als auch SGW-Chef Alcay Kamis gerne vermieden hätten. Es ist eine Guerilla-Taktik, mit der die LWL-Denkmalpflege versucht, die bauherrenkonforme Gesetzgebung der CDU-Ministerin zu attackieren. Denkmalschutz durch Unterlassung in Bad Oeynhausen Die öffentliche Stellungnahme der Münsteraner zum Bad Oeynhausener Großprojekt mag für Stadt und SGW zu vernachlässigen sein. Was aber aufhorchen lässt, ist die vom LWL in die Welt gesetzte Info, dass die Stadt schon 2014 zumindest darüber nachgedacht hat, das Quartier auf seine Denkmalwürdigkeit hin untersuchen zu lassen. Man hätte also Skrupel haben können. Wenn, dann heimlich, denn bei der Beteiligung der Öffentlichkeit Ende Januar war vom Denkmalschutz nicht die Rede, obwohl die Fachleute aus Münster sich die Siedlung schon im November 2024 angesehen hatten. Nach Einschätzung der Denkmalpfleger aus Münster ist die Siedlung aus den 1950er Jahren &bdquo;sehr authentisch überliefert“ und &bdquo;dadurch hervorragend zur Vermittlung der zeitgenössischen Baugestaltung im Massenwohnungsbau“ geeignet. Mehr Infos: Bürgerbefragung zur Albert-Rusch-Siedlung gefordert Und nun wird’s lustig, denn die &bdquo;authentische Überlieferung“ dürfte sich dem auch vom heutigen SGW-Geschäftsführer Kamis, von Bürgermeister Lars Bökenkröger und vom Vorsitzenden des Ausschusses für Stadtwicklung, Kurt Nagel, - der in Personalunion dem Aufsichtsrat der SGW vorsteht - bemängelten Zustand der Gebäude verdanken. Der wiederum ist verheerend, weil die damals noch gemeinnützige Vorgängerin der SGW, die Städtische Heimstätten-Gesellschaft SGH, die Gebäude über Jahrzehnte schlicht vernachlässigt hat. Denkmalschutz durch Unterlassung sozusagen. Bezahlbarer Wohnraum vs. kulturelles Erbe Dem dafür verantwortlichen Geschäftsführer, gegen den die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte seit Sommer 2022 ermittelt, hat der Aufsichtsrat seinen nicht ganz freiwilligen Abschied mit einer Abfindung von immerhin 123.700 Euro versüßt. Wie sensibel das Thema Denkmalschutz für die Stadt- und SGW-Gewaltigen ist, musste auch Stadtheimatpfleger Klaus-Peter Schumann, der auch für die CDU im Rat sitzt, im April 2024 erfahren. Als er früher noch als die LWL-Denkmapfleger forderte, das gesamte Rusch-Viertel unter Schutz zu stellen, quittierte das sein Parteifreund Kurt Nagel mit dem Satz: &bdquo;Das hier ist nicht Lummerland“. Der Bürgermeister assistierte: &bdquo;Ich warne davor, die Situation im Albert-Rusch-Viertel zu romantisieren.“ Die Stadt und ihre baubereite Tochter befinden sich in einem Dilemma: Sie müssen und wollen zumindest bezahlbaren Wohnraum schaffen und sollen gleichzeitig ein kulturelles Erbe bewahren, das auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen ist. Vieles spricht dafür, das Rusch-Viertel plattzumachen, doch gibt die Geschichte der Kurstadt auch Anlass, vielleicht noch einmal darüber nachzudenken. Mehr zum Hintergrund: Denkmalschutz trotz Schimmel für Sozialsiedlung? Vieles, was die Kurstadt ausgemacht hat, wurde zerstört Die Lust am Abriss hat in Bad Oeynhausen Tradition. Was andernorts die Bomben der Alliierten in Schutt und Asche legten, brachten die Kurstädter selbst zum Einsturz. Entweder war es der Zwang, der nach dem Zweiten Weltkrieg grassierenden Wohnungsnot Herr zu werden, oder aber ein schräger Begriff von Modernität, der dazu führte, dass man in der Stadt der Bäderarchitektur, den Außenstuck mit dem Mottek pulverisierte. Fest steht, dass - politisch gebilligt - vieles, was die Kurstadt ausgemacht hat, unwiederbringlich zerstört wurde. Und die Innenstadt ist bis heute ein Beleg dafür, dass stadtbildprägende Gebäude in Bad Oeynhausen nicht selten ein verfallendes Dasein fristen. Auch deshalb ist die Aufforderung, über Denkmäler öffentlich nachzudenken, eine Pflicht und kein Luxus.

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