Trotz Schimmel: Denkmalschutz für Sozialsiedlung in Bad Oeynhausen aus den 1950er Jahren?

Bad Oeynhausen. Die Albert-Rusch-Siedlung in der Südstadt soll unter Denkmalschutz gestellt werden. Fachleute des Amtes für Denkmalpflege im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) haben die Siedlung - und die verschimmelten Häuser - im November 2024 in Augenschein genommen und empfehlen in einem Gutachten der Stadt Bad Oeynhausen die Unterschutzstellung - einschließlich Wegeführung und Gartengestaltung. Das teilte der LWL am Dienstag auf Anfrage der NW mit. Nach Einschätzung der Denkmalpfleger aus Münster ist die Siedlung aus den 1950er Jahren &bdquo;sehr authentisch überliefert“ und &bdquo;dadurch hervorragend zur Vermittlung der zeitgenössischen Baugestaltung im Massenwohnungsbau“ geeignet. Die Stadt Bad Oeynhausen und der Eigentümer der Siedlungshäuser haben eigentlich andere Pläne in der Südstadt. Demnach soll die Rusch-Siedlung abgerissen und als &bdquo;Südstadt-Quartier“ wiederauferstehen. Im Februar 2023 hat der Düsseldorfer Hochschulprofessor Volker Eichener die Kosten für den Neubau des Viertels auf rund 80 Millionen Euro geschätzt. Der Stadtrat hat bereits erste Weichen zur Sanierung und Überplanung gestellt. Ende Januar präsentierte der Technische Beigeordnete Thomas Lüer bei einer Bürgerversammlung im Wichernhaus den Entwurf der Bebauungsplanung durch das Planungsbüro &bdquo;Postwelters und Partner“. Demnach sollen die alten, zwei- bis dreigeschossigen Siedlungshäuser durch drei bis dreieinhalb geschossige Neubauten ersetzt werden. Diese neuen Häuser sollten sich in ihren Grundformen an den alten Siedlungshäusern orientieren. Auch die Hofstrukturen und Gärten der Siedlung sollten möglichst erhalten werden. Für erheblichen Diskussionsstoff sorge allerdings der geplante Bau von Parkhäusern, die in den Zeichnungen &bdquo;Mobility Hubs“ genannt wurden. Stadt prüft selbst offenbar seit 2014 Denkmalschutz Schon 2014 soll der Denkmalpfleger der Stadt Bad Oeynhausen nach Auskunft des LWL eine &bdquo;Sachverhaltsermittlung für einen möglichen Denkmalbereich“ im Rusch-Viertel durchgeführt haben. Die Münsteraner Denkmalpfleger gehen deshalb davon aus, dass die Stadt Bad Oeynhausen &bdquo;damals mögliches Denkmalpotenzial gesehen hat“. Der LWL, so berichtet es Pressesprecher Markus Fischer, sei jedoch erst 2023 beteiligt worden. Was und ob überhaupt etwas in den neun Jahren nach 2014 bei der Denkmalprüfung geschah, ist unklar. Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich erklärte auf Nachfrage am Mittwoch zum Stand des Verfahrens: &bdquo;Der Denkmalschutz ist mit Eintritt in das Bebauungsplanverfahren ein Prüfkriterium. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.“ Die Einschätzung des LWL sei der Stadt jedoch &bdquo;bekannt“. Lesen Sie auch: Größtes Bauprojekt in Bad Oeynhausen seit Jahrzehnten Bei dem Ortstermin im November 2023 sind die LWL-Denkmalpfleger eigener Auskunft nach von der SGW in ausgewählte Häuser geführt worden, die von Schimmel befallen waren. Außerdem wurden leer stehende Wohnungen von außen besichtigt, &bdquo;die den Eindruck normaler Wohnverhältnisse vermittelt haben“, so der LWL-Sprecher. Die Münsteraner Experten werteten außerdem Karten, Luftbilder, Literatur und bauzeitlichen Schriftverkehr im Landesarchiv aus. Außerdem wurden die Bauakten der Stadt Bad Oeynhausen eingesehen. Das Ergebnis ist die Denkmalempfehlung für die Rusch-Siedlung. Bad Oeynhausen gilt laut LWL als &bdquo;die am stärksten von der britischen Besatzung betroffene Stadt in Westfalen“. Außerhalb der Sperrzone seien damals in mehreren &bdquo;Ersatzwohnungsbauprogrammen für Altbesatzungsverdrängte“ Hunderte neue Wohnungen errichtet worden. Damals wurde schon Barrierefreiheit mitgedacht Bauherr der aktuell in der Diskussion stehenden 39 Mehrfamilienhäuser der Rusch-Siedlung war die Städtische Gemeinnützige Heimstättengesellschaft, die heute nicht mehr gemeinnützig ist und Städtische Gesellschaft für Wohnen (SGW) heißt. Laut Stadtchronist Gerhard Lietz baute die Heimstätte zwischen 1949 und 1953, also während der Besatzungszeit, 79 Häuser mit 217 Wohnungen in der Südstadt und bis 1960 weitere 67 Häuser mit 285 Wohnungen. Schwerpunkt der Bautätigkeit der Heimstätte war laut Lietz bis 1960 der Bereich um die Albert-Rusch-Straße. Die Wohnungen wurden für Flüchtlinge, Umsiedler und Bedienstete von Stadt-, Landes- und Bundesbehörden vergeben. Zwölf Häuser mit 24 Wohnungen wurden an Kriegsversehrte verkauft. Lesen Sie auch: Angst vor Problem-Viertel in Bad Oeynhausen Nach Einschätzung des LWL begründete der Bau der Rusch-Siedlung das &bdquo;Südquartier“, also die heutige Südstadt. Es unterscheide sich von den kleinteiligen älteren Baustrukturen in Bad Oeynhausen &bdquo;offensichtlich“ und sei vor allem &bdquo;durch seine stark durchgrünte und städtebauliche Anlage als Quartier der 1950er Jahre“ zu erkennen. Volkskundlich sei die Siedlung interessant, weil die Häuser für eine &bdquo;flexible Nutzung“ gebaut wurden. Man rechnete damals wohl damit, dass nach Freigabe der beschlagnahmten Wohnungen in der Innenstadt die Bewohner ausziehen und andere Bewohnergruppen einziehen würden. Außerdem seien damals bereits &bdquo;barrierefreie Wohnungen mitgedacht“ worden, so der LWL. Wirtschaftlichkeitserwägungen spielen für die Denkmalpflege keine Rolle. SGW-Geschäftsführer Alcay Kamis hat dagegen immer wieder betont, dass viele der Häuser so marode seien, dass sie kaum zu sanieren wären. Außerdem machte er auf den offenbar über viele Jahrzehnte gestreckten erheblichen Sanierungsstau aufmerksam. Viele Wohnungen würden noch mit Nachtspeicheröfen beheizt. Sie leiden unter massivem Schimmelbefall. Der Energiebedarf der Siedlung soll bei über 340 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegen. Schimmel ist für Denkmalschutz egal Der LWL hat den Wohnungsschimmel zwar bemerkt, beachtet dieses Problem bei der Denkmaleignung aber nicht. Ein Denkmal kann hässlich sein - und sein Erhalt unwirtschaftlich. &bdquo;Die bloße Behauptung der angeblichen Unsanierbarkeit (vor dem Hintergrund der beabsichtigten Neubebauung des Gebiets) stellt keinen hinreichenden Beleg dar“, schreibt der LWL: &bdquo;Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass der Schimmelbefall einzelner Wohnungen (als typische Folge von Leerstand) durch Renovierung, energetische Ertüchtigung, Erneuerung der Heizsysteme, wiederaufgenommene Nutzung und regelmäßige Lüftung beendet würde.“ Das Gutachten der LWL-Experten ist eine Fachexpertise. Seit Änderung des Denkmalschutzgesetzes im Land NRW muss der LWL nicht mehr &bdquo;ins Benehmen“ gesetzt, also direkt am Verfahren beteiligt werden. Über den Denkmalschutz entscheidet zunächst die untere Denkmalbehörde, das ist die Stadt Bad Oeynhausen. An dem Gutachten kann sie aber nicht vorbei. Sollte die Stadtverwaltung mit dem Ergebnis nicht einverstanden sein, muss die untere Denkmalbehörde das nach Auskunft des LWL begründen. Bleibt es bei gegensätzlichen Einschätzungen, liegt die Sache bei der oberen Denkmalbehörde, das ist der Kreis Minden-Lübbecke. Letzte Instanz in NRW wäre das Landesbauministerium, das derzeit von Ina Scharrenbach (CDU) geleitet wird. Auf die Frage, was die Empfehlung des LWL-Fachamtes aus Sicht der Stadt bedeutet, erklärte der Stadtpressesprecher: &bdquo;Es handelt sich um eine Empfehlung.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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