Video von Bad Oeynhausener Kurpark-Schlägerei: Ermittler untersuchen neun Handys

Bad Oeynhausen. Dass er im Kurpark Videoaufnahmen der Schlägerei gemacht hat, gibt der 18-jährige Portaner in seiner Zeugenvernehmung zu. Auch den am Boden liegenden schwer verletzten Philipos, der wenige Tage nach der Tat verstarb, habe er kurz gefilmt. Sequenzen, die die deutsche Gruppe um die beiden Mitangeklagten nach der Tat angeschaut und dann unabhängig voneinander gelöscht haben will. Das aber glaubt dem 18-jährigen Auszubildenden niemand im Saal. &bdquo;Ich bin es leid, fast bei allen Zeugen ein Verfahren wegen Falschaussage einleiten zu müssen“, wetterte Staatsanwalt Christoph Mackel. &bdquo;Was also ist da verabredet worden?“, wollte Mackel am elften Prozesstag vor dem Bielefelder Landgericht wissen. Dort müssen sich neben zwei Deutschen auch ein Syrer im Fall Philipos wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Zeuge windet sich und gibt dann nach knapp vier Stunden doch zu, &bdquo;wir haben schon vor der Vernehmung der Polizei besprochen, dass wir das Video nicht erwähnen“. Dieses Video ist den Ermittlern bisher allerdings nicht bekannt. Bereits am zehnten Verhandlungstag kam es zur Sprache, woraufhin der Staatsanwalt Smartphones einsammeln ließ. Insgesamt werden nun neun Handys von Experten der Polizei ausgewertet. &bdquo;Wir haben letztes Mal die Handys der beiden Angeklagten sowie von vier Zeugen eingesammelt. Hinzu kommen noch die drei Handys der drei Angeklagten, die seit vergangenen Sommer bei der Polizei liegen“, erklärte Christoph Mackel auf Nachfrage der NW. Diese würden nun erneut oder erstmals ausgewertet. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass noch irgendwo ein Video der Tat existiert. Laut Aussage des 18-jährigen Portaners will er zuerst sich und seinen Kumpel gefilmt haben. Danach habe er auf die Außenkamera umgeschwenkt und die Szene vor sich gefilmt. Dort habe es eine kleine Rangelei gegeben. Bei diesem Schwenk will der 18-jährige Zeuge im Hintergrund auch die Auseinandersetzung zwischen Philipos und dem Hauptangeklagten Syrer gefilmt haben. Während er einerseits felsenfest behauptet, der Syrer habe auf Philipos’ Kopf eingetreten, erzählt er wenig später, genau habe er das nicht sehen können. &bdquo;Da waren zwei Leute, es war dunkel, es gab kein Licht.“ In sämtlichen Befragungen durch die Polizei ist das Video weder von diesem Zeugen noch von allen anderen bisherigen befragten Zeugen erwähnt worden. &bdquo;Sie haben keinerlei Interesse daran gehabt, dass der Fall aufgeklärt wird. In diesem Saal versteht niemand, warum Sie nichts gemacht haben. Weder am Tatort Erste Hilfe geleistet noch am nächsten Tag die Polizei über das Video informiert. Warum nicht?“ Die Frage von Mackel aber, die kann oder will der 18-Jährige nicht wirklich beantworten. Ein Alibi und ein Araber Dafür hält ihm Richter Carsten Glashörster Auszüge aus verschiedenen Chats vor, die der Portaner kurz nach der Tat geführt haben soll. Allerdings offenbaren sich da beim Portaner Erinnerungslücken. &bdquo;Also ich finde das Spiel ja langweilig“, teilt ihm Glashörster mit, der dem Azubi nicht abnimmt, sich nur partiell zu erinnern. So habe er über fünf Stunden immer wieder mit einem weiteren Zeugen gechattet. Darin soll es unter anderem um Anweisungen gegangen sein, wer was bei der Polizei aussage. Zum einen sollte der 19-Jährige für den Portaner Zeugen lügen und sagen, er sei bei der Schlägerei schon zu Hause gewesen. Zum anderen sollte der 19-Jährige selber sagen, er sei nur dabei gewesen und &bdquo;das war alles dieser Araber“. Die Chance, sich zu erklären, lässt er verstreichen. &bdquo;Da kann ich nichts zu sagen“, lautet seine Antwort. Der Kumpel des am Montag vernommenen Zeugen, der mit seinen Freunden sein Abitur und seinen Geburtstag feiern wollte, ist Stufenkollege von Philipos’ Schwester. Auch er war bei der Tat dabei, auch er war bereits als Zeuge in der Verhandlung. Und genau dieser Freund hat nach der Tat die Familie von Philipos besucht und die Schwester getröstet. &bdquo;Und er hat nichts unternommen, das alles aufzudecken, obwohl er die Familie kannte“, bilanziert der Staatsanwalt, der einige der bisherigen nicht gerade sehr auskunftsfreudigen Zeugen erneut vorladen lässt. Neben der Zeugenaussage ging es auch um die Lebensläufe der drei Angeklagten. Als Sechsjähriger wurde der Beschuldigte in Syrien durch eine Bombe am Fuß verletzt, als er sieben war, floh die Familie aus Syrien nach Jordanien. Drei Jahre habe man dort gelebt, die Mutter habe sie unterrichtet. Der Vater sei nach einem halben Jahr nach Deutschland geflüchtet und habe den Rest der Familie 2016 nach Deutschland geholt. Nach Pforzheim. Dort besuchte der Syrer zuerst die Hauptschule, wurde dann auf die Förderschule zurückgestuft, um Deutsch zu lernen. Das gelang ihm schnell und er konnte auf der Hauptschule einen Abschluss nach Klasse neun machen. &bdquo;Ich möchte handwerklich arbeiten“, sagt der 19-Jährige. Autolackierer sei sein großes Ziel gewesen. Doch dann kam der Umzug nach Bad Oeynhausen dazwischen. Weil es in NRW leichter ist, einen deutschen Pass zu bekommen, entschlossen sich die Eltern zum Ortswechsel. Gegen den Willen des jungen Mannes. Anfang 2024 zogen sie in die Kurstadt. Am Montag nach der Tat begann er ein Praktikum bei einem großen Unternehmen in Minden, zwei Tage später hatte er dort im Gespräch eine Zusage für einen Ausbildungsplatz als Maschinenanlagenführer. Abends dann wurde er verhaftet und sitzt seitdem in U-Haft in der JVA Herford. &bdquo;Da drinnen bin ich der Totschläger“ In Pforzheim habe er viele Freunde gehabt. In Bad Oeynhausen dagegen nicht. &bdquo;Ich hatte keine Aufgabe, habe die falschen Leute kennengelernt. Durch sie sei er zum regelmäßigen Trinker geworden, habe mehrere Joints am Tag geraucht. &bdquo;Das hat mir nicht gepasst. So bin ich nicht“, sagt der 19-Jährige im besten Deutsch. Die Zeit in der JVA beschreibt er als schwierig. &bdquo;Da bin ich der Totschläger“, sagt der 19-Jährige. Am Anfang hätte jeder Zweite mit ihm Probleme gehabt, weil in den Boulevardmedien berichtet worden sei, dass zehn Leute einen Jungen totgeprügelt hätten. &bdquo;Das fanden die anderen da drinnen nicht cool.“ Mit der Zeit aber habe sich die Lage beruhigt. &bdquo;Dafür mögen mich die Beamten nicht. Das liegt, glaube ich, nicht an mir persönlich, sondern an meinem Fall.“ Der Bericht der JVA-Leiterin, den Richter Glashörster verliest, zeigt, dass es für den 19-jährigen Syrer vier Einträge im Bundeszentralregister gibt. Zweimal Diebstahl, einmal schwerer räuberischer Diebstahl und einmal schwerer Diebstahl. Die beiden letzteren wurden mit einer Verwarnung und Geldstrafe, beziehungsweise mit Arbeitsleistung bestraft. Der junge Mann sei freundlich, aber zurückhaltend in der Haftanstalt, wirke nachdenklich und mache sich viele Gedanken. Der weitere Angeklagte aus Bad Oeynhausen, ein 19-jähriger Azubi, berichtet vom frühen Tod der Mutter, von Mobbing in den Schulen und vom Fachabi, das er in Bad Oeynhausen gemacht habe. Seit dem Sommer habe er einen Ausbildungsplatz, der ihm gefalle. Vorstrafen gibt es nicht. Der dritte Angeklagte, ein 19-Jähriger aus Magdeburg, erzählt von einer schwierigen Kindheit, von Aufenthalten in Heimen und Wohngruppen, von einem Betreuer, der ihm seit zwei Jahren zur Seite steht und dass er einen Grad der Behinderung von 80 Prozent habe. Sein Ziel sei es, im Sommer eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker zu beginnen. Der Prozess wird am kommenden Freitag, 21. März, um 9 Uhr fortgesetzt.

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