Rituale der Stadtentwicklung: In Bad Oeynhausen geht man Veränderungen aus dem Weg

Ekel Alfred beim &bdquo;Silvesterpunsch“ ertragen, Berliner gemampft, Wachs gegossen (Blei geht gar nicht mehr), Butler James elfmal dabei zugeschaut, wie er übers Tigerfell stolpert und schließlich die Feinstaubbilanz mittels bunter Schwarzpulverbatterien in die Höhe getrieben, um &bdquo;böse Geister“ zu verjagen: Alle Rituale sind vollzogen, 2025 kann kommen. Rituale sind regelgeleitet – und damit produzieren sie Wiederholungen. Eine Wiederholung holt etwas wieder- oder zurück: nämlich das, was man schon kennt. So gesehen ist die Kurstadt in Ritualen erstarrt, denn auch 2025 werden wir über den Rückbau der Mindener Straße, den Radschnellweg, den Jordansprudel, das (noch nicht ganz) leere Stadtsäckel, das Staatsbad, geplante und nur selten verwirklichte Großprojekte, marode Straßen, die Stadtverwaltung und natürlich den allgegenwärtigen Bürgermeister berichten. Wir werden die ewig gleichen Feste feiern, in Leserbriefen den Zustand der Stadt (und seiner öffentlichen Anlagen) beklagen und rituell versichert, erklären, dass früher alles besser war. So beruhigend Rituale auch sein mögen, so ausbremsend wirken sie auf Veränderungen. Denen geht man in Bad Oeynhausen, mit dem Verweis auf höhere Gewalt, zumeist in Gestalt des Landes oder des Bundes, mit einer rituell anmutenden Konsequenz aus dem Weg. Diese Konsequenz speist sich wohl auch aus der immer noch vorhandenen Überzeugung, dass man es nicht nötig habe, weil man etwas sei. Gewesen ist, muss mal wohl besser sagen, denn visionsfreier Stillstand ist ein Placebo fürs Wahlvolk, aber keine Zukunftsstrategie. Lesen Sie auch: Tiere, die die Stadt noch braucht - satirischer Ausblick Diskutieren, Vertrösten und Ignorieren in Bad Oeynhausen Wie ungelenk, ja ungeplant Stadtentwicklung in Bad Oeynhausen verläuft, mag das &bdquo;Neue Rathausviertel“ illustrieren, jenes architektonische Dreigestirn aus City-Center, Hohenzollernhof und Lenné-Karree, das vieles aufweist, aber keine Nähe zum Rathaus. Steif und fest behauptet Bürgermeister Lars Bökenkröger, das &bdquo;Neue Rathausviertel“ sei ohne das Zutun der Verwaltung von den Investoren erbrütet worden. Mit Verlaub: Das spricht Bände. Wie demütig sich die Stadt diesbezüglich den Investorenwünschen beugt, zeigt das Ausbleiben einer öffentlichen Debatte über diese geografische Fehlverortung. Und auch das ist ein Ritual: Der Rat will sich nicht festlegen auf das, was die Stadt sein soll, könnte sich ein solcher Pfad doch als Sackgasse erweisen. Deshalb diskutiert man lange, sehr lange über Einzelmaßnahmen, lässt sich vertrösten und veräppeln, ignoriert den Verfall, der an der einen oder anderen Stelle schon rituelle Züge aufweist. Das funktioniert, weil die personelle Kontinuität im Rat der Stadt Bad Oeynhausen auch die eine oder andere Verantwortlichkeit für die (ausgebliebenen) Weichenstellungen der Vergangenheit mit sich führt. Es steht zu befürchten, dass daran auch die Kommunalwahl im September nichts Wesentliches ändern wird, denn nicht nur die Parteien vertrauen wohl weiter den bewährten Kräften; auch die sie wählenden Kurstädter lieben mehrheitlich die rituelle Wiederholung. Der neue Zentrale Omnibusbahnhof ist vielleicht günstig, aber nicht gut Wer in den Protokollen des Rates und seiner Ausschüsse stöbert, dem wird auffallen, dass nicht wenige Suchbegriffe seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, in der Entscheidungsschleife stecken. Das mag der gründlichen Auseinandersetzung mit der nicht immer leichten Materie geschuldet sein oder ist ein Verfahren, um Entscheidungen möglichst lange aus dem Weg zu gegen. Wie gefährlich es ist, tatsächlich zu entscheiden, zeigen die Planungen für den neuen Zentralen Omnibusbahnhof an alter Stelle, der vielleicht günstig, aber nicht gut sein wird. Mehr Infos: Neuer Busbahnhof für Bad Oeynhausen beschlossen Die zeitliche Streckung eines Verfahrens und die nicht immer klar zu erkennende Verantwortlichkeit mag vor Fehlern schützen oder aber Entwicklung hemmen. So sah sich Bürgermeister Lars Bökenkröger kurz vor Jahresende beispielsweise genötigt, einen Brandbrief an den Landesverkehrsminister zu verfassen und darin festzustellen, dass der Bau eines Radschnellweges - nach 13 Jahren der Planung - entlang der Kanal-/ Mindener Straße wohl gescheitert sei. Das heißt aber auch, dass es keinen Rückbau der einstigen &bdquo;Stadtautobahn“ geben wird. Es sei denn, es geschieht ein Wunder. Und die gibt es immer wieder, schließlich wurde nach mehr als 20 Jahren intensiver Debatte auch das neue Sielbad gebaut und Eingeweihte meinen zu wissen, dass das Parkleitkonzept, über das der Rat seit nunmehr einem Vierteljahrhundert berät, bald entscheidungsreif sei. Gehen wir also optimistisch ins neue Jahr und erhalten uns unsere Rituale.

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