Marode: Gutachterbericht offenbart Bad Oeynhausens erschreckende Straßenbilanz

Bad Oeynhausen. Die Infrastruktur der Kurstadt zerbröselt zusehends unter den rollenden Reifen zahlreicher Autos wie ein Weihnachtskeks. Ein Gutachter hat im Auftrag der Stadtverwaltung im Abstand von zehn Jahren den Zustand der Straßen untersucht und dem Ausschuss für Stadtentwicklung seinen Bericht vorgelegt. Das Ergebnis ist ein Weckruf für Asphaltarbeiten ans Rathaus und die Stadtwerke. Die Kurstadt durchzieht ein Straßennetz mit 481 Kilometern Länge. 61 Kilometer davon sind Radwege. Die Ingenieurfirma Eagle Eye Technologies hat zweimal im Abstand von einem Jahrzehnt das gesamte Straßennetz mit eigenen Fahrzeugen abfotografiert. Kostenpunkt nach Angaben der Verwaltung in 2022 rund 100.000 Euro. Ähnlich wie die bundesweit bekannten Google-Streetview-Autos sind die Straßengutachter mit einem orangefarbenen Lieferwagen täglich 20 bis 30 Kilometer durch die Kurstadt getingelt und haben mit zehn Kameras gefilmt, was das Straßennetz hergab. Bei Regen hatten die Kameras Pause. Entstanden ist so in wenigen Monaten ein digitales Kataster des Kurstadt-Straßennetzes mit einem dichten Raster von 2.000 Fotos auf einem Kilometer Strecke. 23 Kilometer Straße waren nicht befahrbar. Gutachter: &bdquo;Signifikante Verschlechterung“ Für die restlichen 459 Kilometer lässt sich aber festhalten: Ujujuj! Oder in den Worten von Gutachter Kim Gebauer: &bdquo;Es gibt eine deutliche Verschiebung von mittleren hin zu schlechten Zustandsklassen.“ Eagle Eye hat acht solcher Zustandsklassen als Qualitätsraster ans Kurstadt-Straßennetz angelegt. Und obwohl es acht verschiedene Abstufungen gibt, sind die Zustandsklassen 6, 7 und 8 ähnlich wie die Schulnote &bdquo;ungenügend“. Das Ergebnis der jüngsten Untersuchung im Jahr 2022 zeigt, dass bloß vier Prozent der Straßen in sehr gutem Zustand sind (Klasse 1). 28 Prozent sind noch gut (Klasse 2 und 3). Aber die Hälfte, also 50 Prozent der Straßen sind in mittelmäßigem Zustand (Klasse 4 und 5). 18 Prozent der Kurstadt-Straßen sind noch in schlechtem Zustand (Klasse 6 und 7) und weniger als ein Prozent gilt den Gutachtern als sehr schlecht (Klasse 8). Der Gutachter destilliert aus den Klassifizierungen einen Durchschnittswert, den er sogar mit einer zweiten Nachkommastelle angibt. Im Vergleich zum Zustand vor zehn Jahren, erläutert Kim Gebauer bei seiner Präsentation dem Ausschuss, angesichts der sich im Nachkommabereich wachsenden Zahl sei das dennoch &bdquo;eine signifikante Verschlechterung“. 2013 habe es &bdquo;relativ wenig schlechte Flächen“ in Bad Oeynhausen gegeben, so Gebauer. Ausschussmitglied fordert öffentlich einsehbares Straßenverzeichnis Eine Hitliste der schlechtesten Straßen in der Kurstadt ersparte der Gutachter dem Ausschuss für Stadtentwicklung. Sämtliche Analysedaten stehen aber dem Technischen Rathaus zur Verfügung. Auf Nachfrage der NW stellte Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich die Straßen mit besonders schlechten und besonders guten Abschnitten zusammen (siehe Kasten). Die Ausschussmitglieder nahmen die Analyse des Gutachterbüros zur Kenntnis. Rainer Müller-Held (BBO) erinnerte daran, dass &bdquo;sehr viele Straßen“ in der Kurstadt eigentlich bloß als &bdquo;bessere Feldwege“ bewertet werden könnten, weil sie &bdquo;nicht endausgebaut“ seien. Jan Martin Müller bestätigte, dass diese Straßen nicht in die Analyse aufgenommen seien. &bdquo;Wir beachten das aber natürlich.“ Thomas Heilig (Kompass) fragte nach Vergleichsdaten aus 2013, die der Gutachter jedoch nicht dabei hatte. Ingrid Schley (Grüne) wollte wissen, wann denn das Straßenverzeichnis mit den Zustandsbeschreibungen öffentlich einsehbar sei. Infrastrukturmanager Jan Martin Müller erklärte &bdquo;noch nicht“. Man arbeite noch daran. Norbert Heinrich (Grüne) lobte die Bestandsanalyse und wollte wissen, was damit im Technischen Rathaus passiert. Der Technische Beigeordnete Thomas Lüer verwies darauf, dass die Konsequenzen aus der Analyse wie von der SPD-Fraktion beantragt &bdquo;in einer der nächsten Sitzungen“, wahrscheinlich in der zweiten Sitzung des Ausschusses im Frühjahr 2025, besprochen werden solle. Dann solle es vor allem um die Frage gehen, wie viele Kilometer Straße erneuert werden müssen, um den Wert der Infrastruktur zu erhalten. Rettungsplan für die Infrastruktur fehlt noch Die SPD hat im Sommer 2022 ein solches Fünfjahresprogramm zum Erhalt der Infrastruktur gefordert. Die wiederholte Kamerabefahrung soll nun Grundlage dieses Konzeptes werden, das im Technischen Rathaus entworfen wird. Dieses Programm ist aber nicht identisch mit dem Straßendeckenprogramm der Stadtwerke, die jedes Jahr in Absprache mit der Stadt etwa eine halbe Million Euro in die Deckensanierung stecken. Das Geld haben die Stadtwerke im laufenden Jahr ausgegeben und dabei &bdquo;eine Feuerwehrstrategie gefahren“, wie Geschäftsbereichsleiter Andreas Kollmeyer gegenüber der NW erklärte. Ursache ist der schleppende Endausbau, der Anwohner nach wie vor 90 Prozent der Kosten aufbürdet. Stattdessen werden die Schlaglöcher in den nicht-endausgebauten Straßen von den Stadtwerken notdürftig geflickt. Der Ausbau der Fernwärme hat zwar im Ergebnis zu teilweise runderneuerten Straßendecken geführt. Sanierungsbedürftige Randbereiche, in denen keine Fernwärme liegt, haben die Stadtwerke aus dem Deckensanierungsprogramm bezahlt. Reinhard Scheer (SPD) bekräftigte in der Ausschusssitzung die Forderung seiner Fraktion nach einem koordinierten Konzept: Es gehe jetzt darum, Schlüsse zu ziehen, Maßnahmen zu planen, zu bewerten und zu gewichten. Gerhard Beckmann (SPD) erinnerte daran, dass die jüngste Befahrung aller Straßen schon 2022 stattgefunden habe: &bdquo;Das ist auch schon wieder zwei Jahre her.“ Dem Vernehmen nach soll es noch vor Jahresende ein Treffen zwischen Technischem Rathaus und Stadtwerken zu den Schwerpunkten der Straßensanierung im kommenden Jahr geben.

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