Gedenkinitiative in Bad Oeynhausen: Mahnmal für die Opfer von Zwangsarbeit

Bad Oeynhausen. Gerade mal zehn Tage ist Nikolay Goloschumow alt geworden. Gestorben ist der Säugling sehr wahrscheinlich an Unterernährung, Verwahrlosung, Kälte und einer Lungenentzündung. Nikolays Mutter durfte sich nicht um ihr Kind kümmern. Sie war eine der rund 1.200 Zwangsarbeiterinnen, die aus Osteuropa verschleppt wurden, um in dem Eisenwerk Weserhütte zu schuften. Jetzt erinnert auf Initiative des Vereins &bdquo;Stolpersteine für Bad Oeynhausen“ eine Gedenktafel auf dem Friedhof Mooskamp an das Gräberfeld, in dem Nikolay und acht weitere Kinder verscharrt wurden: Babys, Säuglinge und Kleinkinder. Im März letzten Jahres hatte der Kulturausschuss dafür mehrheitlich grünes Licht gegeben und 2.000 Euro freigesetzt. &bdquo;Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ Ein grünes Keramikservice für Kinder. Blumen. Zwei bunte Windmühlen. Bücher. Und eine Kerze für jedes Kind: Mitglieder des Vereins &bdquo;Stolpersteine“ und des Kulturausschusses haben in der Nähe des großen Mittelkreuzes einen würdigen Rahmen für die Enthüllung der von Designer Dirk Schormann gestaltete Gedenktafel geschaffen, die nicht nur namentlich an die Kinder, sondern auch an die erwachsenen Zwangsarbeiter erinnert, die hier beigesetzt wurden. &bdquo;Auf dem Gelände des alten Teils dieses Friedhofs befanden sich Gräber von Kindern und Zwangsarbeiterinnen, die aus ihren Heimatländern in Osteuropa zur Arbeit nach Bad Oeynhausen verschleppt wurden“, steht auf der Tafel unter der Überschrift &bdquo;Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist“. Und mehr noch: &bdquo;Einige Frauen hatten ihre Kinder bei sich, einige wurden teilweise durch Vergewaltigungen schwanger. Schwangerschaften waren unerwünscht. Mütter wurden zur Abtreibung gezwungen. Bekamen sie ihre Babys dennoch, waren die Lebensbedingungen schlecht. Die Mütter und ihre Kinder lebten unterernährt in hygienisch erbärmlichen Verhältnissen in Baracken in Rehme oder in der Weserhütte. Viele Kinder starben. Sie wurden hier am Rand des Friedhofs beigesetzt. Nach dem Krieg wurden die Kinder im Jahr 1952 auf den Ehrenfriedhof in der Senne umgebettet. Dennoch gehören diese neun Kinder und ebenso auch die hier umgekommenen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen zur Bad Oeynhausener Stadtgeschichte. Ihre Namen sollen im Gedächtnis bleiben“. Zwangsarbeiterinnen wurden nach 14 Tagen von ihren Babys Kinder isoliert Beate Baron begrüßt die Gruppe von Teilnehmenden mit einem Zitat von Margot Friedländer: &bdquo;Und ihr müsst dafür sorgen, dass es nie wieder geschieht“. Die Vorsitzende erinnert an das Unrecht, dass sich damals in Bad Oeynhausen ereignet hat. &bdquo;Babys. Säuglinge. Kleinkinder. Ihre schwangeren Mütter mussten nach 14 Tagen abstillen und wurden dann von den Kindern isoliert. Man hat bewusst darauf gesetzt, dass sie sterben“. Und: &bdquo;Von 1933 bis 1945 war das Grauen genau an diesem Ort“. Details dieses Grauens der Ernährungs- und Hygienebedingungen hat Mark Spoerer unter dem Titel &bdquo;Zwangsarbeit im Dritten Reich“ zusammengetragen. Dem Historiker zufolge sahen die Zwangsarbeiterinnen ihre Kinder erst nach langer Arbeit. Ein Stillen war daher unmöglich“. Und: &bdquo;Der Standesbeamte des Amtes Rehme führt in einer &bdquo;Gräberliste über Zivilangehörige des russischen Staates“ des Friedhofs Weihe/Mooskamp neun Kinder auf, deren Todesursache (Bronchitis, Pneumonie, Lungenentzündung und anderes) auf mangelhafte Hygiene und medizinische Versorgung, Unterernährung und schlechte Bedingungen hindeuten“. Eine, die zur Enthüllung auf den Mooskamp gekommen ist, ist Hanna Kreutzmüller. Als Kind hatte die 1942 geborene Kurstädterin Blumen auf den Gräbern der Kinder niedergelegt. Denn der Garten ihrer Eltern grenzte an den Friedhofszaun. Und ihr Vater hatte dort ein Eingangstor für die eigene Ziege gebaut. Dass es sich bei den Toten um Kindern von sogenannten &bdquo;Ostarbeiterinnen“ gehandelt hat, hätte sie damals nicht gewusst, sagt die Zeitzeugin. Vielmehr habe sie jahrelang den Berichten geglaubt, dass es sich um elternlose Kinder gehandelt habe. Dass man sich das so in Rehme noch während der 50er-Jahre erzählte, beschreibt auch der inzwischen verstorbene Zwangsarbeiter Ferdinand Matuszek in seinen Memoiren, die von Friedhelm Schäffer und Oliver Nickel in Buchform herausgegeben wurden und aus denen Beate Baron zitiert. &bdquo;So war das ja viel leichter. Hätte man gewusst, dass es russische Kinder waren, hätte man ja nachgefragt. Wie kommen die denn hierher? Und um dem auszuweichen, hat man das von den Kindern ohne Eltern erzählt“, so die Überlegungen von Ferdinand Matuzek. Erst 1952, als die Leichname auf den Sennefriedhof bei Bielefeld umgebettet wurden, hat Hanna Kreutzmüller die ganze Wahrheit erfahren.

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