Sebastian Krumbiegel in Bad Oeynhausen: Ein Prinz kämpft gegen Rechtsextremismus

Bad Oeynhausen. Aus dem weltberühmten Thomanerchor ist er aus &bdquo;Disziplingründen“ herausgeflogen und hat seine eigene Band gegründet. Heute engagiert sich der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Prinzensänger Sebastian Krumbiegel gegen jede Form von Rechtsextremismus. Am 18. Oktober kommt der 58-Jährige zu einer &bdquo;Musikalischen Lesung“ in die Druckerei. Gerade ist er vom großen Festakt zum 9. Oktober im Leipziger Gewandhaus zurückgekehrt und packt seinen Koffer schon wieder für Abstecher nach München und Berlin. &bdquo;Ich bin froh, wieder meine Jogginghose anzuhaben“, sagt Sebastian Krumbiegel. Und nimmt sich Zeit für ein Interview. Herr Krumbiegel, bereits als Gymnasiast und Sänger im Leipziger Thomaner-Chor, einem der berühmtesten Ensembles der DDR, haben Sie Ihre erste eigene Popband gegründet. Wie kam es dazu? Sebastian Krumbiegel: Das war vielleicht eine Art Ausbrechen. Bach war zwar die beste Schule für mich, aber wenn du 14 oder 15 Jahre jung bist, möchtest du Popmusik machen und Songs von den Beatles, Queen oder The Who spielen. Das war anfangs ein Spagat. Aber die Zeit bei den Thomanern möchte ich nicht missen. Dort habe ich sehr viel gelernt. Sie werben für Demokratie und Meinungsfreiheit. Das konnte man auch bei Ihren Auftritten im Sommer in Sachsen und Thüringen erleben. Was treibt Sie an? Mich treibt das Leben an. Und die Erziehung, die ich genossen habe. Meine Eltern haben uns Kinder immer gelehrt, dass wir uns für Dinge, die uns wichtig sind, grade machen müssen. Das kann man auch auf meinem letzten Solo-Album &bdquo;Aufstehen – weitermachen!“ hören. Darauf gibt es ein Lied mit dem Titel &bdquo;Nicht noch einmal“, das ich über meine Omi Philine singe. Darin geht es um eine Anekdote vom 9. November 1938. Damals wurde sie Zeugin der Drangsalierung von jüdischen Mitbürgern. Und hat wie alle anderen auch weggeguckt. Als ich 15 Jahre alt war, hat sie mir die Geschichte erzählt und gesagt, dass sie sich dafür schämt. Das saß. Ich weiß, was Demokratie wert ist und sehe, was gerade in der ganzen Welt mit den Populisten und ihren Pseudowahrheiten passiert. Erlebt habe ich das im letzten November in Thüringen beim sogenannten SS-Helden-Gedenkmarsch, für den ich eine Gegendemo organisiert habe. Aus dieser Erfahrung ist der Song &bdquo;Der Führer hätte sich gefreut“ entstanden. Was bedeutet das für Sie als ein Mensch, der in Talkshows, Konzerten und Lesungen in der Öffentlichkeit steht? Als Erstes muss ich den ganzen Shitstorm über mich ergehen lassen. Ich lese Ihnen mal ein Beispiel aus Facebook vor. Da steht: &bdquo;Ganz Facebook lacht dich aus, du Regenbogen. Du bist eine Schande für dein Vaterland. Aber irgendwann läufst du durch Gera und dann gnade dir Gott“. Das ist heftig. Wie erklären Sie sich den Erfolg der AfD? Dass in der Kultur gekürzt wird und dass wenig Geld in Bildung gesteckt wird, verstehen die Leute genauso wenig wie das neue Heizungsgesetz. Oder dass in ländlichen Gebieten kaum mehr ein Bus fährt und die Zustände in den Krankenhäusern immer schlechter werden. Der Erfolg der Populisten liegt darin, dass sie einfache Antworten geben, aber nicht in der Verantwortung stehen. Dass sie nicht verstehen, warum die Freiheit nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa verteidigt werden muss. Und dass gerade hier das Geld fehlt, das in die Waffenlieferung an die Ukraine gesteckt wird. Und obwohl ich von Grund auf Pazifist bin, unterstütze ich das. Denn es gibt unterschiedliche Wege zum Frieden. Die Menschen in der Ukraine kämpfen um ihre Freiheit. Und das sollten wir unterstützen. Da hilft es nicht, als Außenstehender einfach über die Politik zu schimpfen. Wie bewerten Sie denn die Wahlergebnisse der AfD im Osten? Macht Ihnen das Angst? Der Osten ist ja nur eine Vorhut. Ein Indikator für das, was allgemein weltweit gerade passiert. Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort. Denn ich bin nicht der Typ, der sich von Angst leiten lässt. Ich mache mir eher Sorgen. Und was bedeutet der Rechtsruck für unsere Zivilgesellschaft? Das bedeutet, dass wir dabei alle in der Pflicht sind. Denn Demokratie ist ein fragiles Gebäude, das wir gestalten und verteidigen müssen. Jeder Taxifahrer, jede Lehrerin, jeder Arzt und jede Postbotin. Sie kommen nach Bad Oeynhausen zu einer &bdquo;Musikalischen Lesung“. Was darf man sich darunter vorstellen? Wahrscheinlich werde ich viel mehr Musik machen als lesen. Und ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt lesen werde. Denn das können die Leute ja selber. Soweit ich weiß, steht dort ein Klavier, auf dem ich zu den Songs aus meinem neuen Album spielen kann. Letztlich kommt es aber darauf an, was das Publikum möchte. Auf alle Fälle wird es sehr intim und nah werden. Nicht wie mit einem Künstler auf der Bühne und dem Publikum davor. Etwas völlig anderes als ein Prinzenkonzert mit Security Service und dem ganzen Drumherum. Aber Ihre Biografie mit dem Titel &bdquo;Meine Stimme – Zwischen Haltung und Unterhaltung“ werden Sie doch sicher dabeihaben. Unterhaltung und Haltung: Wie klappt diese Liaison? Das geht Hand in Hand. Zum Beispiel indem ich bei jedem Konzert genau weiß, dass ich die Leute erst mit leichter Kost einstimmen muss, mit Liedern über die Liebe, mit eher heiteren und unterhaltsamen Sachen, damit ich das Publikum zum Lachen bringe, bevor ich zu den ernsten Themen wechsele. Ich weiß, dass der Grat sehr schmal ist. Vor allem wenn man vermeiden möchte, als Missionar daherzukommen. Ich will niemanden belehren, will aber meine Bühne nutzen, um über Sachen zu singen, die mir wichtig sind.

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