Suchthilfe in der Beratungsstelle: So viele Bad Oeynhausener wollen von Drogen loskommen

Bad Oeynhausen. Wer an einem lauen Sommerabend über die Restaurantmeile der Kurstadt flaniert, wird mit Sicherheit schon einmal durch eine Cannabiswolke gelaufen sein. Irgendwer hat immer einen Joint am Start. Das war schon vor dem 1. April 2024 so; da war Cannabis allerdings noch verboten. Seit diesem Datum ist der Konsum mit Einschränkungen erlaubt. Haschisch und Marihuana sind seitdem in der Kurstadt sichtbarer geworden. Wie hat sich die Szene verändert? Cannabis ist Rauschgift Nummer 1 - zumindest sagen das die meisten Menschen, die in der Drogenberatungsstelle (Drobs) des Kreises Minden-Lübbecke Hilfe suchen. 55 Prozent der 321 Klienten geben an, vor allem Cannabis zu konsumieren. Zur Drobs kommen allerdings nur die Menschen, die freiwillig von den Drogen loskommen wollen. Die Statistik ist also nur ein Ausschnitt der Drogen-Wirklichkeit im Mühlenkreis. Mit Blick auf die Teillegalisierung von Cannabis sieht Mareike Awolin, Leiterin der Beratungsstelle Minden, keine Veränderung bei der Beratungstätigkeit: &bdquo;Wir sehen keinen Run“, sagt Awolin: &bdquo;Es gibt aber auch keinen Rückgang.“ Ein riesiges Dunkelfeld der Drogen-Szene Die Drobs ist in einer Altstadtvilla in der Rosentalstraße 5 in Minden untergebracht. Gleich nebenan ist die psychiatrische Tagesklinik Minden. Wer in Bad Oeynhausen wohnt und von Rauschgiften aller Art loskommen will, findet in Minden die nächstgelegene Anlaufstelle. In die Kurstadt kommen die Berater nicht. Lübbecke hat dagegen eine eigene Außenstelle für den Altkreis.Drobs-Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. Aus den zahlreichen Beratungsgesprächen, die Mareike Awolin und ihre sechs Mitarbeiter jeden Tag führen, kann sie nur ein paar statistische Angaben machen, die keine Rückschlüsse auf einzelne Drogensüchtige zulassen. Das riesige Dunkelfeld der Szene lässt sich damit nur wie mit einer Taschenlampe ausleuchten. Vor einigen Tagen hat Awolin dem Jugendhilfeausschuss des Bad Oeynhausener Stadtrates Zahlen zu ihrer Arbeit vorgelegt. Auf Nachfrage der NW nennt sie auch Einzelheiten zur Kurstadt-Klientel. Lesen Sie auch: Bubatzkarte: Wo Kiffen in OWL erlaubt ist und wo nicht Demnach kommen 27 Ratsuchende aus Bad Oeynhausen. Das sind vor allem Männer (22) und fünf Frauen. 18 dieser Kurstadt-Klienten geben an, vor allem Cannabis zu konsumieren. An zweiter Stelle mit 19 Prozent bei der Frage nach ihren konsumierten Hauptsubstanzen gaben Drobs-Klienten eine Abhängigkeit von Opiatersatzstoffen an, elf Prozent der Klienten nennen Kokain und Crack als Rauschgift. An vierter Stelle folgen Amphetamine und verwandte Substanzen, an vorletzter Stelle steht Heroin. Ein Prozent der Drobs-Klienten gibt Alkohol an. Bloß 27 Drobs-Klienten aus Bad Oeynhausen 27 Ratsuchende aus Bad Oeynhausen sind überraschend wenig. Die Kurstadt ist immerhin die zweitgrößte Stadt im Mühlenkreis. Und allein aus Minden verzeichnet die Drobs 130 Klienten. Aus Bad Oeynhausen kommen sogar weniger Ratsuchende als aus Lübbecke (37), Porta Westfalica (35) oder Espelkamp (29). Hat die Kurstadt weniger Probleme mit Drogen als andere Städte im Mühlenkreis? Diese Deutung wäre ein Holzweg. In dieser Statistik tauchen bloß die Menschen auf, die freiwillige Beratung suchen und nicht etwa alle Drogensüchtigen im Mühlenkreis. Mareike Awolin gibt noch etwas anderes zu bedenken: &bdquo;Eine große Schwierigkeit der Drogenberatung ist, dass die Menschen hier auch ankommen.“ Damit meint die Drobs-Leiterin nicht unbedingt Schwierigkeiten mit Bus und Bahn. Zu Fuß sind es etwa zehn bis 15 Minuten vom Busbahnhof oder vom Mindener Bahnhof bis zur Rosentalstraße. Nein, Awolin geht es um die Motivation der Klienten. Für viele ist es eine enorme Herausforderung, überhaupt an der Tür zu klingeln. Der Weg zur Beratung beginnt für jeden Klienten mit der Einsicht, etwas verändern zu wollen. Die Drobs leistet Hilfestellung bei der Suche nach einem Platz bei der Entgiftung, bei der Vorbereitung auf die Therapie, bei Anträgen, Behördengängen, der Suche nach der richtigen Fachklinik oder der Substitution. Manche brauchen drei, vier Anläufe bis ins Beratungszimmer. Andere verpassen fest vereinbarte Termine. Die Drobs-Mitarbeiter müssen sehr viel Langmut mitbringen. &bdquo;Es gibt keinen goldenen Weg“, sagt Awolin: &bdquo;Wir sind für jeden da.“ &bdquo;Unser Credo lautet: Je früher, desto besser“ Die Zahl der ratsuchenden Frauen hat sich im Vergleich zu den Vorjahren kreisweit verdoppelt. Die meisten Drogensüchtigen im Drobs sind zwischen 18 und 49 Jahre alt, die meisten Klienten aus Bad Oeynhausen sind zwischen 22 und 39 Jahre. Unter den kreisweit 321 Ratsuchenden gibt es 36 Minderjährige, davon 20 Männer und 16 Frauen. Aus Bad Oeynhausen kommen derzeit drei Minderjährige. Die Drobs setzt auf frühzeitige Beratung: &bdquo;Unser Credo lautet: Je früher, desto besser“, sagt Dorothea Wiese, Arbeitsgruppenleiterin des Kreisjugendamtes: &bdquo;So ist die Chance am größten, etwas zu verändern.“ Mittelbar vom Drogenkonsum betroffen sind aber auch zahlreiche Kinder. Die Drobs zählt kreisweit inzwischen 86 Kinder drogensüchtiger Eltern, die über die Beratungsstelle Hilfen erfahren. In Bad Oeynhausen leben allein zwölf Kinder in Familien mit drogensüchtigem Elternteil. Die Diakonie in Lübbecke hat für diese Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren kreisweit die Kindergruppe &bdquo;Trampolin“ ins Leben gerufen. Der Konsum von Rauschgift, das beobachtet die Drobs-Leiterin seit Jahren, zieht sich durch alle gesellschaftlichen Kreise. Unter den Hilfesuchenden ist mit 27 Prozent der Anteil derjenigen am größten, die keine berufliche oder akademische Ausbildung begonnen haben. 15 Prozent haben keine berufliche oder akademische Ausbildung abgeschlossen. Allerdings sind zwölf Prozent derzeit in einer beruflichen oder akademischen Ausbildung und 22 Prozent haben bereits eine betriebliche Berufsausbildung absolviert. Der größte Teil der Klienten ist arbeitslos. 21 Prozent aber arbeiten trotz Rauschmittelkonsums weiter, 14 Prozent sind Schüler oder Studierende. Ein Spritzenautomat hinter Gittern, der andere gesprengt Die Drobs hat keine Außenstelle in Bad Oeynhausen. In der Kurstadt gibt es aber einen Spritzenautomaten. Er steht vor dem Zaun der Feuer- und Rettungswache an der Königstraße 37. Für 50 Cent gibt es dort frisches Spritzenbesteck und Hygieneartikel. Alte Spritzen können sicher entsorgt werden. Im vergangenen Jahr ist der Automat fast das ganze Jahr durch die Großbaustelle der Bahn an der Steinstraße nur eingeschränkt erreichbar gewesen. Im Sommer, so Awolin, sei er gar nicht zugänglich gewesen, weil ein Bauzaun den Zugang verhinderte. 2023 verzeichnete die Aidshilfe deshalb bloß 46 verkaufte Spritzen. 2022 war es 125. Das ist ein deutlicher Rückgang. Auch in Minden ist die Zahl der verkauften Spritzen zurückgegangen. Der Grund dafür liegt auch hier wahrscheinlich nicht in einem Rückgang des Rauschgiftkonsums. Der Automat in Minden ist im August 2023 von Unbekannten gesprengt worden und musste komplett ausgetauscht werden.

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