Bad Oeynhausen. Zeitdruck. Schlechtes Wetter. Oder einfach nur Bequemlichkeit: Jedes vierte Kind kommt in Deutschland per Elterntaxi zur Schule wie eine aktuelle Umfrage der ADAC-Stiftung zeigt. Das ist in Oberbecksen nicht anders als an anderen Schulen. Auch dort bildet sich jeden Morgen eine lange Autoschlange mit Eltern, die ihre Kinder so nah wie möglich an den Schuleingang fahren wollen. Ivette Brinkmann kennt das morgendliche Chaos seit Jahren. Deshalb hat die Schulleiterin die Polizei gebeten, im Rahmen ihrer landesweiten Präventionsaktion zur Verkehrssicherheit unter dem Motto „Leben“ einmal Station vor der Grundschule zu machen.
Ein gewöhnlicher Morgen um 7.30 Uhr an der schmalen Anliegerstraße „Ramsiek“: Es ist dunkel und regnet Bindfäden. Auf der Straße vor der Grundschule wird es zunehmend eng. Eine Autokolonne, wie man sie früher auf der Mindener Straße erleben konnte, rückt an. Die Fahrzeuge halten kurz. Manche von ihnen sogar auf der Busspur. Türen öffnen sich. Kinder steigen aus. Dann reihen sich die Autos in die Schlange ihrer Vorgänger ein. Und fahren weiter. Überall wird rangiert. Es ist die Zeit, zu der Eltern ihre Kinder in die Frühbetreuung bringen.
Kim Schmidt ist schon vor den Eltern da. Und räumt im Dauerregen die großen weißen Buchstaben für den Schriftzug „Leben“ der Präventionsaktion aus, die sie auf dem Gehweg aufstellt. Die Polizeioberkommissarin kennt die Situation in Oberbecksen aus erster Hand. Schließlich geht ihr Sohn dort zur Grundschule. „Die Busspur ist eigentlich immer belegt. Man hat den Eindruck, dass die Eltern ihre Kinder am liebsten bis ins Klassenzimmer fahren würden“, weiß die Ordnungshüterin aus Erfahrung. Gemeinsam mit ihrer Kollegin, Polizeihauptkommissarin Melanie Henneke, ist sie an diesem Morgen gekommen, um auf die Situation aufmerksam zu machen und rücksichtslosen Eltern einen Denkzettel zu verpassen.
Strafzettel wirken nur kurz
Die Strafzettel, die an diesem Morgen verteilt werden, sind allerdings noch harmlos, handgemalt und werden von Kindern der Grundschule den aneckenden Autofahrern durch die Fenster gereicht. Manche Schulkameraden halten Schilder mit der Aufschrift „Kiss and go“ als Appell für die Einrichtung von Haltezonen, von wo aus Kinder allein zur Schule gehen können, in die Höhe. Andere haben Schilder mit dem Schriftzug „Kiss & Ride“ in der Hand - durch den Autofahrer darauf aufmerksam gemacht werden sollen, dass sie hier zwar ihre Fahrgäste ein- und aussteigen lassen können, aber nicht parken dürfen.
Den Erfolg der „Knöllchen“ sieht Kim Schmidt skeptisch: „So ein Denkzettel hält nur kurzzeitig. Da müsste eigentlich immer wieder dran erinnert werden“, sagt die Polizistin. Und: Eine Einbahnstraße wäre hier ideal“, schlägt die Beamtin vor. Und zeigt auf die schmale Straße. Mit ihrer Anregung spricht Kim Schmidt Ivette Brinkmann aus der Seele. „Den Antrag haben wir bereits mehrmals gestellt. Genauso wie das Gesuch, etwas weiter entfernt Haltezonen zum Bringen und Abholen der Kinder einzurichten“, sagt die Schulleiterin. Und seufzt. Um den Schutz der Grundschüler zu erhöhen, hat die Pädagogin so wie in jedem anderen Jahr auch an diesem Tag das Thema Verkehrssicherheit auf den Unterrichtsplan gesetzt. Statt Mathematik geht es unter anderem um den richtigen Umgang mit Zebrastreifen, die Wichtigkeit des Fahrradhelmes und den sicheren Schulweg. Denn: „Jedes Kind, das auf dem Weg zur Schule verunglückt, ist ein Kind zu viel“, unterstreicht auch Kim Schmidt.