Bratwurst-Wurf bis Parkplatzfrage: Hinter den Kulissen eines Bad Oeynhausener Kult-Imbisses

Bad Oeynhausen. Die Geschichte der Currywurst wird gerade neu geschrieben. Antje Zander lässt das kalt. In den Streit um die Erfindung der wahren Currywurst will sich die Inhaberin von Stahls Imbiss nicht einmischen. Ob der Wurst-Snack nun in Duisburg-Marxloh oder in Berlin erfunden wurde und was genau die richtigen Zutaten für den &bdquo;Kraftriegel des Facharbeiters“ (Gerhard Schröder) sind, spielt in der Kurstadt keine Rolle. Im Kult-Imbiss an der verkehrsreichsten Kreuzung gibt’s ’ne Bratwurst mit Ketchup und Curry. Daran hat sich seit Jahren nichts geändert. Verändert hat sich allerdings die Art und Weise, wie die Kunden an ihren Kraftriegel kommen. Der Imbiss mit dem Holzkohlegrill ist in einem engen Schlauch untergebracht. Früher konnten Bratwurstfeinschmecker durch eine Schiebetür direkt an die Theke kommen und erlebten aus nächster Nähe, wie die Wurst auf dem Grill gebräunt wurde. Seit der Coronakrise ist das vorbei. Vor der Schiebetür hängt eine Kette, der enge Kundenraum bleibt leer. Durch die Öffnung können die Kunden ihre Bestellung aufgeben. Serviert wird an der Seite. Antje Zander erklärt die Neuerung pragmatisch. Die Chefin hatte zunächst erwogen, eine Trennscheibe zwischen Gast und Griller einzuziehen. Doch das, sagt sie, sei &bdquo;arbeitstechnisch nicht gegangen“. Lesen Sie auch: Die Currywurst - ein in der Innenstadt bedrohtes Gericht Eine Kette versperrt den alten Eingang Wenn es hart auf hart kommt, stehen zwei Mitarbeiter am Grill und an der Fritteuse. Mit Antje Zander hat der Imbiss vier Mitarbeiter und die haben an ihrem Arbeitsplatz zwar nicht deutlich mehr Platz, aber mehr Freiraum. &bdquo;Ein Großteil unserer Kunden findet die Lösung gut“, sagt Zander. &bdquo;Eine ähnliche Diskussion hat es auch gegeben, als wir von der Fleischerei Stahl zu Timmerberg gewechselt sind.“ Allerdings hat die Imbiss-Inhaberin auch gemerkt, dass sich viele Menschen während der Coronakrise verändert haben. Und wer könnte das besser beurteilen, als die Frau vom Grill, die den ganzen Tag mit hungrigen Menschen zu tun hat? Die ganze Gesellschaft ist eine andere. Die Menschen pflegen einen anderen Umgang miteinander, lassen weniger Nähe zu und halten andere eher auf Distanz. Am Imbiss ist das ganz gut zu beobachten: Selbst wenn am Stehtisch noch Platz für einen zweiten Bratwurst-Esser wäre, verdrücken sich die Menschen an unterschiedliche Tische. Dass dann auch noch eine Kette vor dem Kultimbiss hängt, ist für manche bloß der letzte Tropfen in ein Fass voller Gefühle. &bdquo;Eigentlich wollen viele Leute das Früher zurück“, sagt Zander: &bdquo;Das können wir so aber nicht mehr bieten.“ Bei aller Alltagsbeobachtung - ein Beichtstuhl ist der Imbiss nicht, darauf legt die Chefin wert. Auch wenn die Optik mit der Tür und dem kleinen Raum fast ein bisschen an das Bußgebälk erinnert. Zander findet den Vergleich abwegig, auch wenn vor ihren Augen die unterschiedlichsten Charaktere von Gottes grüner Wiese auftauchen. &bdquo;Ernie“ hatte immer Turnschuhe an Wie auf Bestellung rollt ein Mann mit nacktem Oberkörper und wehendem Haupthaar an den Stehtischen vorbei. Stahls Imbiss war immer schon ein Ort, an dem man auf jeden Fall von anderen gesehen wird. Ernie, der verstorbene Exibitionist aus Bielefeld, stand hier genauso an wie alle anderen. Und selbstverständlich hat Zander den nackten Mann bedient: &bdquo;Er hatte immer Turnschuhe an.“ Es gab aber auch unschöne Begegnungen, an die sich Zander nicht so gern erinnert. Da war zum Beispiel ein Kunde, der während der Maskenpflicht unter seiner Maske über die Maskenpflicht diskutieren wollte. Er streckte der Wurstverkäuferin schließlich seinen nackten Po entgegen. Und ein anderer Kunde war mit dem Bräunungsgrad der Bratwurst so unzufrieden, dass er die Wurst in ein Wurfgeschoss verwandelte und damit die Verkäuferin bewarf. &bdquo;Das sind aber Einzelfälle“, sagt Zander. Die Kette am Eingang wird trotzdem erst mal bleiben. &bdquo;Gegen eine Änderung sprechen hygienische Gründe“, sagt die Imbiss-Eigentümerin. Das Geschäft mit der Wurst funktioniert auch so. Gefahr fürs Geschäft droht allerdings von ganz unerwarteter Seite: Die Pläne der Stadtverwaltung für den Umbau der Mindener Straße sehen vor, dass die Stellflächen für Autos entlang der Straße verschwinden. &bdquo;Ich bin schockiert“, sagt Zander zu den Entwürfen aus dem technischen Rathaus. Öffentliche Parkplätze vorm Imbiss sollen wegfallen? Das Thema bereitet der Imbiss-Eigentümerin wirklich Bauchschmerzen, &bdquo;weil gar nicht abzuschätzen ist, was da auf uns zukommt“. Zahlreiche Handwerkerautos halten an der Mindener Straße, um mal eben auf eine Bratwurst bei Stahls Imbiss einzukehren. Ohne öffentliche Stellflächen fällt diese Möglichkeit weg. Dabei wäre Platz genug für den Radschnellweg, zwei Autospuren und ein paar öffentliche Stellflächen. Die hat es, soweit sich Zander erinnern kann, immer schon an der Mindener Straße gegeben. Anfang der 1950er Jahre hat ihr Großvater den Imbiss gegenüber der Barackenstadt eröffnet. Danach erst wurde die Mindener Straße gebaut. Wenn dieselbe Straße womöglich schon im nächsten Jahr zur Großbaustelle wird, sieht der Imbiss einer ungewissen Zukunft entgegen. Ob die vielen Radler alle auch noch Bratwurst essen? &bdquo;Der Imbiss hat vieles überlebt“, sagt Zander: “Wir hoffen, auch das zu überleben.“ Lesen Sie auch: Baustellen machen Bad Oeynhausener Kult-Imbiss zu schaffen

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