Innenminister in Bad Oeynhausen: Hoffen auf eine „Renaissance des Rechtsstaates“

Bad Oeynhausen. In den Grundsatzfragen waren sich Gastgeber und Gast durchaus einig. Sicherheit - das ist ein hochemotionales Thema. &bdquo;Das haben wir in den vergangenen Wochen in Bad Oeynhausen gesehen“, sagte Bürgermeister Lars Bökenkröger, als er am Dienstagabend NRW-Innenminister Herbert Reul in der Wandelhalle begrüßte. Trauriger Hintergrund des Ministerbesuchs, so Bökenkröger, sei die schreckliche Gewalttat, die sich am 23. Juni im Kurpark von Bad Oeynhausen ereignete. Und die eine bundesweite Debatte über Gewaltkriminalität und den Umgang mit straffällig gewordenen Tätern mit Migrationshintergrund ausgelöst hatte. Mehr zum Thema: Tod von Philipos T. ist Anlass zu Sicherheitsdebatte im Bundestag Ein komplexes Thema, auf das es keine einfachen Antworten geben könne, betonte Reul in seiner als Impulsvortrag angekündigten Ansprache am Dienstag mehrfach. Sein Credo sei ohnehin von jeher: &bdquo;Lieber kleine Schritte machen als große Sprüche“, so der Minister. Zusätzliche Stellen im Bad Oeynhausener Ordnungsamt Von kleinen Schritten berichtete zunächst der Bürgermeister in der Wandelhalle, die mit über 160 Gästen trotz des tropisch-heißen Sommerabends voll besetzt war. So werde er dem Stadtrat nach der Sommerpause vorschlagen, zusätzliche Stellen im Ordnungsamt zu schaffen, um die Präsenz an den problematischen Stellen in der Stadt zu verstärken. Auch habe er einen privaten Sicherheitsdienst für die Herforder Straße eingeschaltet, &bdquo;um die Trinkerszene dort im Griff zu behalten“, sagte Lars Bökenkröger. &bdquo;Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.“ Nicht weit von der Wandelhalle entfernt, auf den Kurhausterrassen im Kurpark, hatte sich in der Nacht zum 23. Juni die Tat ereignet, die nicht nur in Bad Oeynhausen eine Debatte über die Innere Sicherheit in Deutschland anfachte. Am Rande einer Abiturfeier im Kaiserpalais wurde der 20-jährige Philipos T. auf der Kurhausterrasse angegriffen und so brutal zusammengeschlagen, dass er zwei Tage später an den Folgen der Attacke verstarb. Als mutmaßlicher Täter gilt ein 18-jähriger Syrer, der mit seiner Familie seit einiger Zeit in Bad Oeynhausen lebt. Lesen Sie auch: So verlief das Leben des mutmaßlichen Täters aus Bad Oeynhausen in Deutschland Mehr Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen? Wiederholt machte sich Bökenkröger in der Folge stark für eine Videoüberwachung etwa an den Eingängen zum Kurpark, aber auch an anderen Stellen in der Stadt, an denen sich die Menschen unsicher fühlen. Auflagen des Datenschutzes aber machen solche Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen schwierig bis unmöglich. &bdquo;Wenn aber das Gesetz die Täter mehr schützt als die Opfer, dann müssen wir was tun“, sagte der Bürgermeister unter dem Applaus der Zuhörer. Er berichtete von einem Besuch in Bad Oeynhausens Partnerstadt Inowroclaw in Polen. &bdquo;Dort steht im Kurpark an jeder Ecke eine Videokamera“, sagte Lars Bökenkröger. &bdquo;Und das ist doch auch Europa.“ Vielleicht müsse &bdquo;die Politik mal etwas mutiger werden“, forderte der Bürgermeister, der seinen Appell überparteilich, an alle Fraktionen gerichtet sehen wollte. Mehr Straftaten im Netz als auf der Straße Bis der Gast aus Düsseldorf dieses Thema konkret aufgriff, brauchte Herbert Reul ein wenig Anlauf. Er sprach über die Brutalität, die ungeahnte Ausmaße angenommen habe. Von den Menschen, die dem Staat nichts mehr zutrauen. &bdquo;Ein solcher Vertrauensverlust ist gefährlich“, sagte Reul. Der Minister sprach auch davon, wie sich Kriminalität verändert habe. &bdquo;Die meisten Straftaten passieren nicht auf der Straße, sondern im Internet“, erklärte der NRW-Innenminister und verwies auf die hohe Zahl der Sexualdelikte im Netz. Nach etwa einer Viertelstunde blickte Herbert Reul auf die Uhr und ermahnte sich selbst: &bdquo;Nicht, dass ich mich hier verquatsche.“ Mobile Videoanlagen für besondere Lagen Und kam dann auch bald auf das Thema Videoüberwachung. Ob Kameras im Kurpark die Gewalttat vom 23. Juni hätten verhindern können - etwa durch abschreckende Wirkung - oder auch nur zur Aufklärung der Tat hätten beitragen können, das wisse er nicht, sagte der Minister. &bdquo;Und es ist ja auch keine Lösung, an jeder Ecke eine Kamera aufzuhängen“, sagte Reul. &bdquo;Kein Mensch hat Lust, auf Schritt und Tritt überwacht zu werden“, konstatierte der Minister. Mehr zum Thema: Bürgermeister schlägt mehr Videoüberwachung im Kurpark Bad Oeynhausen vor Der aber einräumte, er könne sich trotzdem vorstellen, dass man &bdquo;da was machen“ könne. Das Land habe eine mobile Videoanlage angeschafft, die für besondere Lagen von den Kreispolizeibehörden angefordert werden könne. &bdquo;Um eine Erstwirkung zu erzielen“, erläuterte Reul. &bdquo;Ob das auch langfristiger wirken würde, weiß ich nicht.“ Verstärkte Mitnahmeverbote von Messern Besonders lag dem CDU-Minister das Thema Messerattacken am Herzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zwei Tage zuvor angekündigt, die Mitnahme von Messern mit einer Klingenlänge über sechs Zentimeter grundsätzlich verbieten zu wollen. Davon hält Reul nichts, wie er auf Nachfrage von Reinhard Apke verdeutlichte. Ein generelles Verbot lasse sich nicht kontrollieren. &bdquo;Soviel Polizisten werden wir nie haben“, sagte Reul. Er plädierte dafür, Schwerpunktzonen auszumachen und dort die Mitführung von Messern zu verbieten. Das könne dann auch kontrolliert werden. &bdquo;Ein generelles Messerverbot ohne Kontrolle ist sinnlos“, sagte Reul. &bdquo;Wo sind unsere Polizisten richtig eingesetzt?“ Mehrfach ging er auch auf die Frage ein, ob mehr Polizisten die Lösung seien. NRW habe schon über 40.000 Polizisten, samt anderer Experten sogar 58.000 Polizei-Mitarbeiter. &bdquo;Wir werden uns immer wieder neu fragen müssen: &bdquo;Wo sind unsere Polizisten richtig eingesetzt?“, sagte Reul. Entscheidend sei dabei nicht die Frage, ob eine Polizeiwache nachts besetzt sein müsse. &bdquo;Sondern, wie schnell wir die Polizisten dahin bekommen, wo sie gebraucht werden.“ Reul betonte auch, dass es zwar stimme, dass es zunehmend Menschen mit Migrationshintergrund seien, die straffällig würden, dass das aber nicht unbedingt mit der Herkunft zu erklären sei. &bdquo;Bringen Sie mal 100 deutsche Männer zusammen in einer Unterkunft unter. Ich glaube, das ginge auch schief“, so Reul. Eine Absage erteilte der Innenminister dem Vorschlag von Werner Friedhoff, zumindest bei Jugendstraftaten in minderschweren Fällen Schnellgerichte urteilen zu lassen. &bdquo;Denn gerade bei Jugendlichen ist es wichtig, dass eine schnelle Reaktion erfolgt“, sagte Friedhoff. &bdquo;Das geht nicht“, sagte Reul. &bdquo;Jede Entscheidung muss rechtsstaatlich sauber sein.“ Er gebe aber zu, dass die Verfahren oft zu lange dauerten. Grundsätzlich appellierte Reul an alle Bürger, sich für die Einhaltung von Regeln einzusetzen. &bdquo;Wenn wir alle dafür werben würden, dann könnte es so etwas wie eine Renaissance des Rechtsstaates geben“, sagte der NRW-Innenminister. >>> Alle Artikel zum Fall Philipos T.

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