Wie Bad Oeynhausen mit Wärme aus der Tiefe und dem Abwasser heizen könnte

Bad Oeynhausen. So heizt Bad Oeynhausen: 66,6 Prozent der Energie wird aus Erdgas gewonnen, 3,5 Prozent sind Fernwärme, 1,6 Prozent machen die Nachtspeicheröfen aus und 1,3 Prozent Wärmepumpen. 27 Prozent der Energiequellen sind unbekannt, vermutlich steckt hier zum Großteil (22 Prozent) Heizöl dahinter. Wie aber wird Bad Oeynhausen in 20 Jahren heizen, wenn ab 2045 die Anlagen in der Stadt ohne fossile Energieträger auskommen sollen? Dieser Frage geht die kommunale Wärmeplanung nach, über deren Stand Andreas Hübner von der Ingenieurgesellschaft Gertec aus Essen am Dienstagabend den Umweltausschuss informierte. Und Hübner eröffnete dabei auch einige überraschende Perspektiven. 552 Gigawatt - das ist mehr als eine halbe Billion Watt - werden in Bad Oeynhausen pro Jahr zum Heizen verbraucht - von Haushalten, Unternehmen, sozialen Einrichtungen und der Verwaltung, so berichtete Hübner dem Ausschuss. Eine der wichtigen Fragen bei der Wärmeplanung lautet: Wie hoch wird der Bedarf 2045 sein? Das wiederum hängt wesentlich davon ab, wie die Gebäude saniert werden. Das einzuschätzen aber ist nicht ganz leicht, wie der Gutachter erläuterte. Experten setzen zwischen 1 und 3 Prozent Sanierungsquote pro Jahr an. Das würde zu einer Senkung des Heizenergiebedarfs zwischen 20,6 und 33,9 Prozent führen. &bdquo;Aktuell liegt die Sanierungsrate in Deutschland bei 0,8 Prozent“, sagte Hübner. Was bedeuten würde, dass es 120 Jahre dauern würde, bis alle Gebäude saniert sind. Hübner hat in seiner Potenzialanalyse ein Einsparpotenzial von 160 Gigawattstunden pro Jahr für Bad Oeynhausen angesetzt. Bleibt die Frage, wie die dann verbleibenden rund 390 Gigawattstunden gewonnen werden können - ohne fossile Energieträger. &bdquo;Das Thema Erdgas ist endlich“, stellte der Diplom-Ingenieur unmissverständlich klar. Und mit zwei Dritteln Erdgasanteil am Energiemix liegt Bad Oeynhausen deutlich über dem Bundesschnitt, der bei 47 Prozent liegt. Wärme aus Weser und Werre würde den Bedarf mehr als decken Was aber sind die Alternativen? Bei der Auflistung erwähnt Hübner natürlich die erwartbaren Quellen wie Photovoltaikanlagen, mit deren Strom Wärmepumpen betrieben werden können, Solarthermie oder die Abwärme aus Industrieanlagen. Überraschender sind die Möglichkeiten, die der Ingenieur auch in den Flüssen erkennt. Theoretisch ließen sich aus der Wärme des Weserwassers 5.300 Gigawattstunden pro Jahr gewinnen, aus dem Wasser der Werre 450 Gigawattstunden. Mehr als genug, um den Heizenergiebedarf ganz Bad Oeynhausens zu decken. Theoretisch. &bdquo;Real kann sicher nur deutlich weniger genutzt werden“, räumte Hübner ein. &bdquo;Und mit den Anliegerkommunen stromaufwärts, die vielleicht auch Wärme aus dem Fluss gewinnen wollen, haben wir natürlich auch noch nicht gesprochen.“ Wärme könnte auch aus dem Wasser der Kläranlage gezogen werden. Das Potenzial sieht Hübner zwischen 18 und 21 Gigawattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: Eine moderne große Windkraftanlage produziert zwischen 4 und 7 Gigawattstunden Strom pro Jahr. Hier könnte eine Machbarkeitsstudie zur Kapazität des Bad Oeynhausener Klärwerks weiterführen, regte Hübner an. Drei Gebiete mit dem Potenzial zu schneller Umsetzung Auch Tiefengeothermie ist für Bad Oeynhausen eine realistische Möglichkeit zur Wärmegewinnung. Dazu hat die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in Bochum im Auftrag der Stadt bereits eine Voruntersuchung gemacht. Drei mögliche Standorte betrachteten die Experten dabei: einen am Hang des Wiehengebirges in der Nähe des Wittekindshofes, einen im Industriegebiet Mönnichhusen in Eidinghausen und einen dritten im Siekertal. Alle drei würden sich grundsätzlich für Anlagen mit Bohrtiefen zwischen 1.000 und 2.000 Metern eignen, so das Fazit der Untersuchung. Mit einer erweiterten Machbarkeitsstudie sollen diese Möglichkeiten genauer ausgelotet werden, dafür stehen im Haushaltsplan 140.000 Euro zur Verfügung. Hübner hat in seiner Analyse ein Potenzial von 100 Gigawattstunden Wärme pro Jahr aus Tiefengeothermie angesetzt. Drei &bdquo;Fokusgebiete“ stellte der Gertec-Gutachter dem Ausschuss in seiner Präsentation vor. &bdquo;Das sind Gebiete, für die aufgrund von besonderem Potenzial zügige und konkrete Umsetzungspläne erarbeitet werden können“, erklärte Hübner. In Eidinghausen und im Bereich südlich der Südbahn mit Krankenhaus und Herz- und Diabetesklinik könnten solche Fokusgebiete ausgemacht werden, in denen ein Fernwärmenetz mit einer Tiefengeothermieanlage als ortsnaher Quelle entstehen könnte. In Rehme, südlich des Klärwerks, könnte ein solches Wärmenetz aufgebaut werden, das die Abwärme aus der Kläranlage als Energiequelle nutzt. Mit Blick auf die Bandbreite der möglichen Wärmequellen in Bad Oeynhausen sagte Hübner: &bdquo;Potenzial haben wir hier genug. Sie haben viele Variationsmöglichkeiten. Das hat mich überrascht.“ &bdquo;Keine Arbeit hinter den Kulissen“ In den kommenden Monaten soll ein Zielszenario und darauf aufbauend eine Strategie zur Umsetzung entwickelt werden. Ende des Jahres soll dann eine Wärmeplanung für die gesamte Stadt Bad Oeynhausen vorliegen, kündigte Hübner an. Die Umsetzung der Wärmewende könne nur gelingen, wenn die Bürger informiert und beteiligt werden. &bdquo;Wir haben ja erlebt, welche Sorgen geweckt werden, wenn die Kommunikation nicht gelingt“, sagte Hübner mit Blick auf das Heizungsgesetz der Bundesregierung. Bei der ersten Bürgerveranstaltung am 14. März habe er die Debatte als sehr konstruktiv empfunden, sagte der Ingenieur und kündigte an: &bdquo;Wir machen noch solch eine Veranstaltung.“ Sein Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger: &bdquo;Keine Arbeit hinter den Kulissen.“ Über die Hintergründe und den Stand der Wärmeplanung in Bad Oeynhausen informiert die Internetseite www.waermeplanung-oeynhausen.de.

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