ICE-Trasse „Hannover-Bielefeld“: Bahn will bekannte Engstelle im Gleis zuerst sanieren

Bad Oeynhausen. Im Schienennetz der Deutschen Bahn klafft ziemlich genau zwischen Minden und Wunstorf eine Lücke. Dort ist die ansonsten viergleisig ausgebaute Strecke bloß zweigleisig. Regelmäßig bleibt dort die S-Bahn Hannover vor der Einfahrt in den Bahnhof Minden stecken und verspätet sich. Der Ärger mit der Engstelle ist seit Jahrzehnten bekannt. Das Nadelöhr soll deshalb aufgeweitet werden. Das Projektteam &bdquo;Hannover-Bielefeld“ plant den Aus- und Neubau der Strecke und damit die ganz große Lösung des Problems zwischen Hannover und Bielefeld. Vorher will die Bahn aber noch rasch die bestehende Eisenbahnstrecke runderneuern. Und zwar genau in der Engstelle zwischen Minden und Wunstorf. Die Sanierung der Gleise auf diesem Abschnitt ist für 2030 geplant. Das bekräftigte eine Bahnsprecherin auf Nachfrage. Einzelheiten nennt sie nicht, betont aber, wie wichtig der Abschnitt für den Zugverkehr ist. In jede Fahrtrichtung verkehrten &bdquo;bereits heute täglich bis zu 170 Züge“, so die Sprecherin, &bdquo;von denen einige mit Tempo 200 unterwegs sind.“ Auf einer Info-Grafik der Bahn ist das Sanierungsgebiet &bdquo;Wunstorf-Minden“ allerdings deutlich größerer als gedacht. Der grüne Strich auf der Bahn-Grafik erstreckt sich von Hannover bis Löhne, wenn nicht sogar bis Bielefeld. Diese Strecke wiederum entspricht der Bestandsstrecke im Suchraum des Planungsauftrags für die Aus- und Neubaustrecke &bdquo;Hannover-Bielefeld“. Das wirft Fragen auf. Mausrutscher des Bahn-Grafikers? Die Bahn-Grafik ist eher von grober Natur. Womöglich ist dem Grafiker bloß der digitale Filzstift ausgerutscht. Die Schienenkurve bei Minden ist allerdings so markant, dass ein Mausrutscher dafür eigentlich nicht infrage kommt. Außerdem gibt es auf der restlichen Strecke durchaus Sanierungsbedarf. Auf Nachfragen zu den überraschenden Ausmaßen des Generalsanierungskorridors &bdquo;Wunstorf-Minden“ herrschte in der Pressestelle der Deutschen Bahn zunächst Schweigen. Eine Erklärung für den dicken grünen Strich entlang der Bestandsstrecke durch OWL gab’s dann auf Nachfrage kurz vor Redaktionsschluss: &bdquo;Den Hinweis auf die missverständliche Grafik nehmen wir gern auf und lassen sie nochmal anpassen.“ Auf dem gleichen Korridor planen derzeit auch die Ingenieure vom Projekt &bdquo;Hannover-Bielefeld“. Sie haben mit den Generalsanierungen zunächst nichts zu tun. Das ist Aufgabe eines anderen Bahn-Projekts. Die Planungsgruppen wüssten aber voneinander und würden sich auch austauschen, wie ein Bahnsprecher des Projekts versicherte. Die Planer der Aus- und Neubaustrecke &bdquo;Hannover-Bielefeld“ sind schon länger mit dem Korridor befasst und deutlich besser im Thema als die Generalsanierer. Für die Generalsanierung gibt es dem Vernehmen nach auch noch gar keine konkreten Planungen. Zeitlich sollen sich Sanierung und Neubau nicht in die Quere kommen. Optimistisch geschätzt, könnte die neue ICE-Trasse frühestens 2042 befahren werden. Der Deutschlandtakt soll erst 2070 in ganz Deutschland greifen. Bis dahin wäre die Generalsanierung zwischen Minden und Wunstorf, die 2030 beginnen soll, längst geschehen. &bdquo;Wir bauen nicht parallel“, erklärte ein Bahnsprecher des Projektteams dazu. Vollsperrung der Strecke ab 2030 Für die Dauer der Sanierung soll der gesamte Eisenbahnverkehr auf der wichtigen transeuropäischen West-Ost-Verbindung zwischen den Niederlanden, NRW und Berlin bis ins Baltikum unterbrochen werden. Es sollen auch nicht bloß Schienen ausgetauscht, sondern sämtliche Bahnhöfe und die komplette Stellwerkstechnik erneuert werden. Menschen und Güter müssen dann weite Umwege in Kauf nehmen. Wie lange, ist noch unklar. &bdquo;Die Strecke wird komplett vom Netz genommen“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze im Eisenbahner-Jargon. Schwartze hat sich in vielen Jahren politischer Arbeit in die Bahn-Besonderheiten eingearbeitet. Die neue ICE-Trasse soll schließlich quer durch seinen Wahlkreis gebaut werden. Während er diesen Neubau ablehnt, begrüßt Schwartze die Generalsanierung der Bestands-Trasse ausdrücklich: &bdquo;Das ist besser, als über Jahre zu flickschustern.“ Die Blockade im Bundesrat werde das jedoch verzögern, ist er sicher. Ob die Generalsanierung tatsächlich 2030 begonnen und auch zügig umgesetzt wird, daran hat Schwartze allerdings Zweifel. Erst einmal müsse die Bahn in dem Korridor zwischen Hamburg und Berlin beweisen, dass das Konzept auch funktioniert. Befürchtungen, dass die beiden Großbauprojekte der Bahn in OWL zeitlich sehr eng beieinander liegen könnten, will Schwartze nicht befeuern: &bdquo;Das sollte man besser aufeinander abstimmen.“ Eigentlich müsste die Bahn selber zahlen Die Generalsanierungen sind das wichtigste Werkzeug der Deutschen Bahn, um den Schienenverkehr in Deutschland flott wieder pünktlicher zu machen. Noch ist aber selbst der Bahn unklar, ob das gelingen wird. Der Streckenabschnitt &bdquo;Wunstorf-Minden“ steht in dem vom Bundesrat gestoppten Schienenwegeausbaugesetz auf Platz 38 von 40 Projekten in ganz Deutschland. Dass sich ein Bundesgesetz damit auseinandersetzt, hängt auch mit der Privatisierung der Bahn zusammen. Eigentlich müsste die Deutsche Bahn nämlich den Erhalt der Infrastruktur selbst bezahlen. Das geänderte Bundesgesetz erlaubt dem Bund allerdings, der Bahn unter die Arme zu greifen. Nach Schätzungen der Bahn kostet die Generalsanierung bis 2027 allein 45 Milliarden Euro, die sie nicht hat. Die Infrastruktur wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren. Der Bund hat bislang aber bloß 27 Milliarden Euro bereitgestellt und die hängen derzeit im Bundesrat fest, weil die Länder mehr Geld vom Bund fordern. Die Länder müssen einen Teil der Sanierungskosten, zum Beispiel den Schienenersatzverkehr, tragen. Außerdem fordern sie Sanierungen fürs gesamte Schienennetz, nicht bloß auf den Hauptverkehrsstrecken. Bundesrat blockiert Generalsanierungen Ende März hat der Bundesrat das Gesetz gestoppt – und den Vermittlungsausschuss gerufen. Der Bahn-Beauftragte Michael Theurer ist deshalb laut &bdquo;Süddeutscher Zeitung“ in &bdquo;allergrößter Sorge“. Er setze darauf, dass eine &bdquo;notwendige und dringliche Gerenalsanierung“ nicht verzögert werde. Jedes der 40 Sanierungsprojekte hat unterschiedliche Schwerpunkte. Was genau in der Engstelle zwischen Minden und Wunstorf saniert werden soll, steht offenbar noch gar nicht fest. Derzeit lässt sich darüber bloß spekulieren. So könnte es beispielsweise ratsam sein, zwischen Minden und Wunstorf nicht nur Gleise und Weichen rauszurupfen und neue einzubauen, sondern auch ein drittes Überholgleis im Rahmen der Generalsanierung zu bauen, um das Nadelöhr aufzuweiten. Dann stellen sich allerdings ganz andere Fragen. Zum Beispiel diese: Muss der Neubau der ICE-Trasse quer durch OWL dann überhaupt noch weitergeplant werden?

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