Wittekindshof baut Gesundheitszentrum im Norden von Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Der Wittekindshof stemmt eine millionenschwere Neuinvestition und baut auf dem Stiftungsgelände im Norden der Kurstadt ein öffentlich zugängliches Gesundheitszentrum. Das bestätigte Stiftungsvorstand Dierk Starnitzke auf Anfrage der NW. Das Projekt ist bereits fortgeschritten. Eine Bauvoranfrage ist gestellt und positiv beschieden worden, so die Stadtverwaltung. Der Stiftungsrat des Wittekindshofes hat nach Angaben von Starnitzke das Projekt vor wenigen Tagen genehmigt. Die Baukosten gibt der Vorstand mit rund 6,9 Millionen Euro an. Das Gesundheitszentrum soll die medizinische Versorgung im Norden der Stadt für alle Menschen mit und ohne Behinderungen verbessern – und der Gleichstellung dienen. Bauplatz ist der Parkplatz direkt im Eingangsbereich des Stiftungsgeländes. Einziehen sollen hier eine Hausarztpraxis, eine Kinderarztpraxis und eine Apotheke. Die Wittekindshof-Praxen für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie sollen unters gleiche Dach, genauso wie die psychologische Beratungsstelle und der ambulante Pflegedienst des Wittekindshofes. Nach Informationen der NW plant die Hausärztin Anke Richter-Scheer, in das Gesundheitszentrum einzuziehen. Auf Anfrage wollte sie sich aktuell nicht zu ihren Plänen äußern. "Win-Win-Win-Situation" Der Wittekindshof will das Gesundheitszentrum in einer GmbH betreiben, kündigte der kaufmännische Vorstand Marco Mohrmann an. Das Gebäude werde aus Eigenmitteln der Stiftung und über Kredite finanziert. Mohrmann sieht für den Wittekindshof und seine Bewohner, den Stadtteil Volmerdingsen und seine Einwohner sowie für Ärzte und Therapeuten eine &bdquo;Win-Win-Win-Situation“. Für die Behinderteneinrichtung ist der Bau eine logische Weiterentwicklung. Das Stiftungsgelände soll zum integrativen Stadtteil von Bad Oeynhausen werden. Gedanklicher Überbau für diesen Umbau ist die Behindertenrechtskonvention mit dem Ziel, die Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderungen zu normalisieren. &bdquo;Wir haben 2009 bereits Veränderungen eingeleitet und uns auf den Weg gemacht“, sagt Starnitzke. Im Dezember 2012 hat der Wittekindshof diese Pläne in einen &bdquo;Masterplan Sozialraumentwicklung“ gefasst und sich zu einem &bdquo;Regionalversorger“ in der Eingliederungshilfe ausgerufen. &bdquo;Wir haben an mehr als 100 Standorten Angebote zur Förderung von Inklusion entwickelt“, sagt Starnitzke. Das Stiftungsgelände ist das größte Inklusionsprojekt. &bdquo;Hier im Norden sind wir absolute Randlage“, sagt Starnitzke. Ganz bewusst sei darum der Eingangsbereich des Gründungsgeländes als Bauplatz fürs Gesundheitszentrum gewählt worden. Schon im Masterplan aus 2012 war bereits der Bau eines Gesundheitszentrums vorgesehen, allerdings noch an einer anderen Stelle auf dem Gelände. Dass dafür nun Stellflächen für Autos bebaut werden, bedeutet auch, dass diese Parkplätze an anderer Stelle geschaffen werden müssen. Auf dem Stiftungsgelände dürfte dafür aber Platz sein, es ist 36 Hektar groß. Krankenkassen und Kassenärzte überrascht Der Wittekindshof hat mit dem Masterplan Weichen gestellt und dabei auch bewährte Strukturen eingerissen. So ist der über 20 Jahre alte Sondervertrag zur medizinischen Versorgung der Bewohner mit den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) nicht verlängert worden. Die Vertragspartner sind von den Plänen des Wittekindshofes offenbar überrascht worden. Auf Anfrage erklärten die Kassen, es sei ihnen wie auch der KVWL und dem Wittekindshof ein großes Anliegen, die Patientinnen und Patienten qualitativ hochwertig zu versorgen. &bdquo;Diesem Anspruch wurde der Wittekindshof bisher stets gerecht. Seitens der Krankenkassen wird eine Fortführung in den bewährten Strukturen ausdrücklich befürwortet.“ Die KVWL wollte diesen Ausführungen auf Anfrage nichts hinzufügen. Durch die Sonderregelung wird bislang ein Großteil der medizinischen Versorgung der Bewohner bezahlt. Zwölf Facharztpraxen kooperieren mit dem Wittekindshof und können die Behandlung der Bewohner über den Sondervertrag mit einer Kostenpauschale abrechnen, so Angelika Heudtlaß, die für die Stiftung die Geschäfte der Region Bad Oeynhausen führt. Der Wittekindshof selbst hat außerdem angestellte Ärzte für die weiteren medizinischen Bedürfnisse der Bewohner. Derzeit bezahlt die Einrichtung 3,6 Stellen für Fachärzte in einem Medizinischen Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung (MZEB), das auch weiter in Gebäude &bdquo;Bethanien“ erhalten bleiben, aber unters Dach der GmbH schlüpfen soll. Freie Arztwahl für alle Bewohner Der Wittekindshof will raus aus dem Sondervertrag. &bdquo;Das ist ein geschlossenes System gewesen“, sagt Stiftungsvorstand Starnitzke: &bdquo;Und das wird jetzt auf die einzelnen Personen ausgerichtet.“ Künftig sollen die Bewohner des Wittekindshofes ganz normale Kassenpatienten werden - mit allen Vorteilen und Problemen, die damit verbunden sind. Die medizinische Versorgung der Menschen mit Behinderungen werde erst durch diesen Systemwechsel allen anderen Menschen gleichgestellt. Derzeit leben noch 591 Bewohner auf dem Stiftungsgelände. &bdquo;Damit wird für alle Bewohner die freie Arztwahl möglich“, sagt Angelika Heudtlaß. Werden sich also demnächst 591 Menschen gleichzeitig in Bad Oeynhausen und Umgebung auf die Suche nach einem Hausarzt machen müssen? &bdquo;Das ist ein Ammenmärchen“, sagt Heudtlaß. Schon jetzt versorge die Internistin Anke Richter-Scheer das Stiftungsgelände &bdquo;in fast allen Bereichen“. Etwa zwei Drittel der Bewohner kämen in ihre Hausarztpraxis. Richter-Scheer habe sich zudem bereit erklärt, weitere Bewohner aufzunehmen, berichtet Heudtlaß. Das Gesundheitszentrum werde damit die künftigen Hausarzt-Bedarfe abdecken. Und das Medizinische Zentrum (MZEB) sei auch weiterhin für die speziellen Bedürfnisse der Bewohner da. Vor einige Tagen hat der Wittekindshof seine Pläne im Kreis der Kooperationsärzte in einer Zoom-Konferenz vorgestellt. Die Ärzte, so Heudtlaß, hätten die Entwicklung nachvollziehen können. Hausärzte bekommen derzeit für die Behandlung von Wittekindshofbewohnern eine erhöhte Kostenpauschale von den Kassen. Das wird sich künftig ändern. Heudtlaß versichert aber: &bdquo;Kooperationsärzte verlieren kein Geld im Regelsystem.“ Große Verantwortung für die gesetzlichen Betreuer Für Stiftungsvorstand Dierk Starnitzke ist mit Blick auf den Systemwechsel klar: &bdquo;Das wird auch knatschen.“ Starnitzke sieht deshalb eine &bdquo;große Verantwortung“ bei den gesetzlichen Betreuern der Bewohner. Sie müssten für die Bewohner "nun an dieser Stelle noch aktiver" tätig werden. Der Wittekindshof habe deshalb vor einigen Wochen bereits alle Betreuer angeschrieben, so Angelika Heudtlaß: &bdquo;Das ist unkompliziert aufgenommen worden.“ Für Bad Oeynhausen bedeuten die Pläne bereits das dritte Gesundheitszentrums-Projekt. Das &bdquo;Medical City Plaza“ mit 20 Arztpraxen, Geschäfts- und Wohnraum auf dem Hockeyplatz am Stadion sollte eigentlich 2022 eröffnet werden. Bislang steht jedoch bloß ein großes Parkhaus und das &bdquo;Haus der Jugend“ ist dafür abgerissen worden. Der &bdquo;Medicampus“ auf dem Gelände des ehemaligen Fachmarktzentrums City Center hatte große Pläne für eine zweistellige Zahl von Arztpraxen und Flächen für innenstadtnahe Gesundheitsversorgung, verzahnt mit neuem Wohnraum. Die Investoren aus Berlin zogen aber inzwischen die Reißleine – und legten das Projekt vorerst auf Eis. Ursprünglich sollte das Gesundheitszentrum dicht am Kurpark für 40 Millionen Euro auf 11.000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. Das Gesundheitszentrum des Wittekindshofes wirkt dagegen geradezu klein. Das Gebäude soll bloß auf 3.000 Quadratmeter Fläche und zweieinhalb Geschosse wachsen. Der Zeitplan ist eng gesteckt: In wenigen Monaten soll Bauantrag gestellt werden. Im Sommer, spätestens im Herbst 2025 soll das Gebäude fertig sein.

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