Einzigartiges Projekt: Bad Oeynhausen testet Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Klärwerk

Bad Oeynhausen. Kinder lernen schon in der Grundschule, was ein Wasserkreislauf ist. Der Weg des Wassers vom Brunnen in den Wasserhahn ist einfach nachzuvollziehen. Das ist aber bloß die Hälfte vom Kreislauf. Deutlich interessanter ist der zweite Teil, der Weg vom Wasserhahn zum Brunnen. Und der führt über ziemlich viele Umwege. Einer davon geht durchs Klärwerk. Das, was dort hinten rauskommt, landet aber lange nicht wieder im Wasserhahn. Sondern erstmal in der Werre. Dafür ist das geklärte Abwasser aber angesichts der Dürreperioden der vergangenen Jahre eigentlich zu schade. Die Stadtwerke Bad Oeynhausen beginnen in wenigen Wochen mit einem deutschlandweit einzigartigen Forschungsprojekt zum Wasser-Recycling. Künftig soll die Qualität des geklärten Abwassers verbessert und dauerhaft überwacht werden. Eine Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, Bedarf, Güte und Verbrauch zu steuern. Das Ziel der Stadtwerke und mehrerer Forschungspartner in dem vor allem aus Bundesmitteln bezahlten etwa 1,17 Millionen Euro teuren Forschungsprojekt ist ein eigener kleiner Brauchwasserkreislauf. Gärtner tanken Brunnenwasser aus dem Klärwerk Das Projekt zur "Wasserwiederverwendung im urbanen Raum" hat Susanne Brants, die Geschäftsbereichsleiterin Trinkwasser bei den Stadtwerken, im April bereits im Verwaltungsrat der Stadtwerke vorgestellt. Bei einem Besuch von SPD-Abgeordneten im Klärwerk erläuterte Brants erste Einzelheiten zum Wasser-Recycling. "Viele Menschen glauben, die Stadtwerke würden schon lange Brauchwasser aus dem Klärwerk zum Blumengießen in der Stadt verwenden", sagte Brants den überraschten Sozialdemokraten. Auf dem Wassertank am Stadtwerke-Traktor steht tatsächlich in Großbuchstaben "Kein Trinkwasser". Tatsächlich fahren die Gärtner aber nicht mit Brauchwasser aus dem Klärwerk zum Blumengießen, sondern mit Brunnenwasser. Auf dem Gelände des Klärwerks befindet sich ein kleiner Brunnen, aus dem der Wassertank der Gärtnerei befüllt wird. Das Wasserdargebot im Brunnen reicht bisher für den Verbrauch aus. Künftig könnten aber deutlich mehr Pflanzen in der Innenstadt mit dem Wasser begossen werden, das beim Klärwerk hinten rauskommt. Die Bad Oeynhausener Kläranlage hat bereits seit acht Jahren eine vierte Klärstufe aus Aktivkohle, die Mikroschadstoffe wie Pflanzenschutzmittel, Medikamente oder Putzmittel aus dem Wasser filtert. "Diese vierte Filterstufe hat sich bewährt", sagt Andreas Kollmeyer, Geschäftsbereichsleiter Abwasser der Stadtwerke. Und sie macht zahlreiche weitere Projekte möglich. Das Bad Oeynhausener Klärwerk produziert außerdem mehr Energie, als es benötigt. Kollmeyer: "Wir haben einen Wirkungsgrad von 113 Prozent." Und womöglich lässt sich in Zukunft im Klärwerk sogar Wärmeenergie fürs Heizen herstellen? "Die Kläranlage soll künftig einiges zur Wärmegewinnung beitragen", sagt Kollmeyer. Die Anlage könnte Wärme ins Fernwärmenetz der Stadt Bad Oeynhausen einspeisen, das in einem ersten Schritt nur zwischen den Kraftwerken an der Bali-Therme und dem Schulzentrum Süd ausgebaut wird. Wenn das Klärwerk auch Wärmeenergie einspeist, könnte das Netz deutlich über diesen Tellerrand erweitert werden. Bisher fließt geklärtes Abwasser in die Werre Doch zurück zum Wasser-Recycling. Beim Rundgang übers vier Hektar große Klärwerksgelände erläutert der stellvertretende Betriebsleiter Kristopher Lambrecht die Funktionsweise der Anlage und zeigt auch die Stelle, wo das geklärte Abwasser hinten raussprudelt. 600 bis 700 Kubikmeter fließen hier stündlich in die Werre, erläutert Lambrecht. Und genau da setzt das Forschungsprojekt an. Allerdings ist die Keimbelastung dieses geklärten Abwassers bislang zu groß, um es direkt zum Blumengießen zu verwenden. In wenigen Wochen wollen die Stadtwerke deshalb eine zusätzliche Container-Anlage an das Klärwerk anschließen, in der ein Teil des geklärten Abwassers unter anderem mit ultraviolettem Licht bestrahlt wird. Das UV-Licht soll die Keime töten. "Die Anlage schafft etwa 30 bis 50 Kubikmeter Wasser pro Stunde", sagt Susanne Brants. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Gesamtmenge, die das Klärwerk verlässt, aber schon eine stattliche Menge. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Singlehaushalt verbraucht am Tag 127 Liter, also im Jahr etwa 47 Kubikmeter Wasser. Die gleiche Menge stünde im Forschungsprojekt künftig jede Stunde fürs Blumengießen in Bad Oeynhausen bereit. Wohin damit? Brauchwasser-Leitungen in die Innenstadt Auch dazu haben sich die Stadtwerke bereits Gedanken gemacht und wollen zusätzliche Leitungen verlegen: "Wenn in Kürze die Mindener Straße umgebaut wird", sagt Susanne Brants mit Blick auf die lange angekündigten Bauarbeiten zum Radschnellweg, "könnte man auch eine Brauchwasserleitung in die Innenstadt legen." Und wenn die Deutsche Bahn die Brücke an der Mindener Straße, Ecke Herforder Straße erneuert hat, könnte diese Leitung auch auf die Südseite der Eisenbahnstrecke verschwenkt werden. Ist die Brauchwasserleitung erst einmal da, wo das meiste Wasser zum Blumengießen gebraucht wird, könnte Künstliche Intelligenz in Zukunft den Verbrauch steuern. Das Forschungsprojekt will über spezielle Sensoren im Boden den Wasserbedarf der Innenstadt-Pflanzen ermitteln - und schon mal Daten sammeln. Genauso über die Qualität des Abwassers, das die Anlage im Zulauf erreicht. Je nach Wetterlage schwankt die Konzentration und damit auch die Qualität. Künftig könnte Künstliche Intelligenz die Kläranlage so einstellen, das hinten stets die benötigte Abwasserqualität rauskommt.

Meistgelesen