Debatte um Schützenbrücke in Bad Oeynhausen geht schon über 20 Jahre

Bad Oeynhausen. Die Poller auf der Schützenbrücke klappern vorerst weiter in der Versenkung. Und auch das Rotlicht, das laut Polizei keines ist, bleibt erstmal aus. Ob die Poller repariert oder durch eine neue Anlage ersetzt werden, ist noch unklar. Die Stadtwerke prüfen Alternativen. Vorerst regeln bloß die Schilder auf der Brücke den Verkehr. Nach Ansicht von Anliegern des Westkorsos tun sie das aber nicht ausreichend. Fahren zu viele Autos durchs verkehrsberuhigte Kurviertel? Dieser Frage will die Stadtverwaltung nach der Sommerpause noch einmal gründlicher nachgehen. Stadtsprecherin Kerstin Vornheder erklärte auf Nachfrage der NW: "Wir planen eine neue Verkehrszählung." Außerdem soll die nächtliche Sperrung der Brücke erneut Thema im Stadtrat werden. Der Ausschuss für Stadtentwicklung trifft sich am Donnerstag, 24. August. Bis dahin kann die Politik Argumente zu einer neuen Schützenbrücken-Debatte sammeln. Ein Blick ins NW-Archiv zeigt: Diese Debatte ist vor über 20 Jahren mit zahlreichen Beteiligten bereits ausführlich geführt worden. Die derzeitige Nachtsperrung ist das Ergebnis einer 20 Jahre alten Vereinbarung von gleich vier Verwaltungen: Zwei Landesministerien, die Bezirksregierung und die Stadtverwaltung haben sich nach einem "Verwaltungsgespräch" im Februar 2003 darauf geeinigt, die Schützenbrücke tagsüber zu öffnen und nachts zu sperren. Im Mai 2003 setzte das dann der Stadtrat um. Hüh und Hott auf der Brücke Die Brücke über die Südbahn wurde als Fußgängerbrücke vor der Landesgartenschau 2000 ausgebaut und das Kurviertel West verkehrsberuhigt. Für beide Bauarbeiten floss reichlich Fördergeld vom Land NRW. Bis 2001 galt aber auf der Brücke noch eine Einbahnstraßen-Regelung: Richtung Herforder Straße war die Brücke befahrbar, Richtung Krankenhaus sowie Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) jedoch nicht. Diese Regelung kippte die CDU Bad Oeynhausen und setzte damit im März 2001 ein Wahlversprechen aus dem Jahr 1999 um. Seitdem steht die Schützenbrücke für den Verkehr in beide Richtungen offen: Vorausgegangen war ein denkbar knapper Ratsbeschluss mit 23 zu 22 Stimmen. CDU und FDP-Ratsmitglieder votierten dafür, SPD, Grüne und zwei CDU-Ratsmitglieder dagegen. Die vorherige Einbahnstraßen-Regelung hatte zwölf Jahre Bestand. Die neue Regelung gibt's jetzt schon 20 Jahre. An einem Freitag, 30. März 2001, öffnete der damalige Bürgermeister Gerhard Paul (CDU) im Beisein von CDU-Fraktionschef Hans Peter Kuhnen um 14 Uhr die Brücke für den Verkehr in beide Richtungen. Anderslautende Verkehrsschilder wurden abgeschraubt. Nachts jedoch sollte die Brücke gesperrt bleiben und das Nachtfahrverbot streng kontrolliert werden, kündigte Bürgermeister Paul damals an. Doch schon wenige Monate später war nach ersten Verkehrszählungen klar: Das klappt nicht. Zahlreiche Autofahrer missachteten das nächtliche Fahrverbot. Bürgermeister Paul kündigte deshalb eine rote Ampel auf der Brücke an. Das Licht sollte Autofahrer ab 22.30 Uhr ausbremsen. Doch schon in der nächsten Ratssitzung degradierte Paul die Ampel zu einem "roten Warnlicht ohne verkehrsrechtliche Auswirkung". Kritik von SPD, Grünen und einem Klinikchef Die Öffnung stieß aber nicht auf einhelligen Applaus in der Kurstadt. Gleichzeitig wurde damals aber auch über eine Öffnung der Herforder Straße für den Autoverkehr bis zum Busbahnhof diskutiert. Der damalige Verwaltungsleiter der Gollwitzer-Meier-Klinik und der Klinik am Rosengarten, Wilhelm Henneking, meldete sich gegen die Öffnung der Herforder Straße zu Wort. Er forderte das Land NRW auf, Rückzahlungen von Fördergeld zu prüfen und machte das in einem offenen Brief publik. SPD und Grüne warnten mit Blick auf die Schützenbrücke ebenfalls vor einer Öffnung: Bad Oeynhausen könnte dadurch sein Kurort-Prädikat, das Bad, verlieren. Das Land NRW bezahlte in den 1990er Jahren eine ganze Reihe von Baumaßnahmen zur Verkehrsberuhigung nördlich und südlich der Schützenstraße: rund 650.000 Deutsche Mark für den Ausbau der Wiesenstraße, 310.000 Mark zur Verkehrsberuhigung im Klinik- und Dichterviertel und 640.000 Mark zur Wiederherstellung des Allee-Charakters am Westkorso. Dickster Brocken aber war das Parkhaus Herforder Straße, in dem die Autos parken sollten, die nicht länger durchs Kurviertel West rollen durften. Das Parkhaus wurde mithilfe von 4,4 Millionen Mark Steuergeld aus Düsseldorf gebaut. Macht zusammen: sechs Millionen Mark Fördergeld aus Düsseldorf. Das entspricht heute etwa drei Millionen Euro. Die damalige Landesgesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) verschickte ein Jahr nach der Schützenbrücken-Öffnung 2002 einen geharnischten Brief ans Bad Oeynhausener Rathaus. Die rote Ministerin war für die Einhaltung des Kurortegesetzes zuständig. Ihre Botschaft: Die Öffnung der Schützenbrücke bringt das Kurort-Prädikat in Gefahr: "Durch die Öffnung der Schützenbrücke werden Einwirkungen auf das Kurgebiet durch Verkehrslärm nicht vermindert, sondern nachweislich erhöht." Nach Öffnung doppelt so viel Verkehr Doch damit nicht genug. Auch dem Städtebauministerium unter dem damaligen Minister Michael Vesper (Grüne) missfiel die Öffnung. Der grüne Minister wachte darüber, dass die Förderbedingungen eingehalten wurden: Die neugebaute Fußgänger-Schützenbrücke sollte zwar beide Seiten miteinander verbinden. Die Belebung des Autoverkehrs war aber gar nicht Ziel der Förderung. Die vielen Autos, die nun zusätzlich durchs Kurviertel über die Brücke Richtung Herz- und Diabeteszentrum und zum Krankenhaus rollten, drohten die teuren Baumaßnahmen zur Verkehrsberuhigung zu konterkarieren. Das machte Vesper im Januar 2003 deutlich. Laut Gutachtern der Stadtverwaltung wurde im Mai 2002 auf der Brücke täglich 8.150 Autos gezählt. Vor der Öffnung waren es bloß 4.100 Autos. Ein "Verwaltungsgespräch" mit Stadt und Bezirksregierung sollte am Freitag, 7. Februar 2003, in Düsseldorf endlich Klarheit bringen. Ohne Kompromiss drohte Bad Oeynhausen die Rückzahlung der Fördermittel. Lange Zeit blieb aber unklar, wie viel Geld Düsseldorf wirklich zurückforderte. Die SPD im Stadtrat spekulierte über die gesamte Summe von drei Millionen Euro. Öffentlich diskutiert wurden später bloß noch 750.000 Euro. Diese Summe bestätigt Stadtsprecherin Kerstin Vornheder auf Nachfrage. Das gehe aus einem alten Aktenvermerk der Stadtverwaltung hervor. Das Städtebauministerium habe damals angekündigt, die Rückzahlung zu prüfen. Dazu kam es allerdings nicht mehr. Das Ergebnis des "Verwaltungsgesprächs" zwischen zwei Ministerien, der Bezirksregierung und der Stadtverwaltung in Düsseldorf war dann die Nachtsperrung auf der Schützenbrücke sowie Einbahnstraßenregelungen auf dem Westkorso, der Wiesenstraße und der Zeppelinstraße und die wirksame Durchsetzung der Brückensperrung - erst durch Schranken und später durch eine Polleranlage. Einzig über die Sperrzeit konnte das Rathaus noch nachverhandeln. Vesper hatte eine Schließung von 18 bis 9 Uhr vorgeschlagen, Bad Oeynhausen setzte dagegen 20 bis 8 Uhr durch. Schicht im HDZ beginnt um 6 Uhr Doch auch gegen die Nachtsperrung formierte sich Protest. Das Herz- und Diabeteszentrum bezog 2003 klar Position für seine Mitarbeiterinnen - gegen die Nachtsperrung: Der damalige stellvertretende Verwaltungsleiter Günter Wyppler hielt schon die 2003 eingeführte Öffnung ab 7 Uhr für unglücklich und sagte der NW: "Wir arbeiten hier nicht in der Kommunalverwaltung, für viele Mitarbeiter beginnt die Schicht um 6 Uhr."

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